| # taz.de -- Empowerment beim Möbelbauen: Respektvoll handwerken | |
| > Besuch in der Berliner Schokowerkstatt, einer offenen Holz-Werkstatt. Die | |
| > Tischler*innen wollen das cis-männerdominierte Handwerk umbauen. | |
| Bild: Schöner Schreinern ohne Macker | |
| Berlin taz | Charlie und die Schokowerkstatt – dabei handelt es sich nicht | |
| um einen Film mit Johnny Depp, sondern um einen Besuch in einer Werkstatt | |
| ohne Deppen, die immer noch denken, Handwerk wäre nur etwas für Männer. | |
| Die [1][Schokowerkstatt] liegt im Berliner Stadtteil Kreuzberg und ist Teil | |
| des ältesten Frauen*-Zentrums Europas, der [2][Schokofabrik]. Das Haus | |
| wurde 1981 besetzt und ist heute eine Genoss*innenschaft. Hier finden | |
| unterschiedliche Frauen*-Projekte Platz: von Schokosport, über das | |
| Frauenkrisentelefon bis hin zum Hamam. | |
| Durch eine Tür im ersten Stock dringt Gehämmer und das leise Dröhnen eines | |
| Akkuschraubers. Charlie Walsh, selbstständige Tischlerin im Reisegewerbe | |
| und Vorstand des gemeinnützigen Vereins Schokospäne e. V., leitet einen | |
| Möbelbau-Workshop an. Im sogenannten Maschinenraum stehen mehrere | |
| Werkbänke, eine Kreissäge und andere Holzbearbeitungsmaschinen. An einer | |
| Wand hängen Schraubzwingen, im Schrank finden sich Stecheisen und | |
| Japansägen, das sind präzise Handsägen. | |
| Die Möbelbau-Workshops finden dreimal in der Woche mit bis zu drei | |
| Teilnehmer*innen statt. Auch jetzt stehen zwei Frauen an der Werkbank | |
| und sägen. Janette (54) und Zoe (18) sind Mutter und Tochter. Sie bauen | |
| heute gemeinsam einen Leuchtkasten für Zoe, die gern zeichnet und damit | |
| Bilder durchpausen kann. Es ist nicht ihr erstes Projekt hier: „Anfangs | |
| haben wir eine Kiste gebaut, um die Basics zu lernen“, erzählt Janette, | |
| dann hätten sie sich an einen Küchentisch gewagt und ein Möbel zur | |
| Aufbewahrung von Schlüsseln und Briefen entworfen. Zoe ergänzt: „Wir sind | |
| hier, weil wir das Tischlern ausprobieren wollten.“ | |
| Teilnehmer*innen gut angeleitet | |
| Die 18-Jährige ist gerade mit der Schule fertig geworden. „Hier fühl ich | |
| mich nicht dumm, wenn ich eine Frage stelle“, die Atmosphäre sei entspannt | |
| und angenehm. Die Anleiter*innen hätten sie bei jedem Projekt kompetent | |
| unterstützt: „Wir haben hier gelernt, wie man die Bohrmaschine benutzt, | |
| sägt, schleift, Holzverbindungen herstellt – einfach alles.“ | |
| Die Workshops werden vom Berliner Senat subventioniert, die | |
| Teilnehmer*innen zahlen 15 Euro plus Materialkosten. Nach Bedarf wird | |
| auch ein Glas-Workshop angeboten, und einmal im Monat findet das Repaircafé | |
| statt, wo kaputte Fahrräder oder Elektrogeräte repariert werden, berichtet | |
| Charlie: „Die Motivation der Teilnehmenden ist unterschiedlich: Da gibt es | |
| Leute, die wollen eine Ausbildung zur Tischler*in machen, denen zeigen | |
| wir die klassischen Holzverbindungen. Andere kommen, um Möbel zu | |
| restaurieren oder bauen ein kleines Werkstück.“ | |
| Charlie Walsh hat die Werkstatt erst Anfang 2020 zusammen mit vier anderen | |
| Tischler*innen übernommen. Die Gründer*innen Uli und Rosie waren nach | |
| über 35 Jahren in Rente gegangen. „Seit dem Generationswechsel sind die | |
| Holzworkshops nicht nur für Frauen* offen, sondern für FLINTA* (Frauen, | |
| Lesben, inter, nonbinary, trans*, agender*; Anm. d. Red.)“, erklärt | |
| Charlie. | |
| ## Respekt für FLINTA* im Handwerk | |
| Gefragt, warum es einen Ort wie diesen braucht, muss Charlie lachen: „Das | |
| Handwerk ist immer noch so dominiert von cis-Männern!“ Erst seit 1994 | |
| dürften Frauen überhaupt auf Baustellen arbeiten, nur zwei Schächte | |
| (Handwerker*innen-Vereinigungen; Anm. d. Red.) nehmen Frauen, die auf die | |
| Walz gehen wollen, auf. | |
| „Wir haben einfach alle die gleichen Erfahrungen gemacht: Von cis-Männern | |
| als Handwerker*innen nicht ernst genommen zu werden, ob in der | |
| Werkstatt, beim Kunden oder auf Baustelle.“ Deshalb sei es wichtig, dass es | |
| so einen Ort gibt, an dem man nicht infrage gestellt wird. „Die Stimmung | |
| ist hier einfach besser und der Umgang miteinander respektvoll.“ | |
| Respekt für FLINTA* im Handwerk, auch in Werkstätten und auf Baustellen „da | |
| draußen“, das ist ihre Forderung zum 1. Mai. | |
| 3 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.schokowerkstatt.de/ | |
| [2] https://schokofabrik.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Bo Wehrheim | |
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