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# taz.de -- Schellfischtunnel in Hamburg: Den Fisch aufs Gleis gesetzt
> Vor 30 Jahren wurde der Schellfischtunnel am Bahnhof Altona stillgelegt.
> Jetzt steht der einstige Fischtransportweg wieder für Besichtigungen
> offen.
Bild: Wieder Licht am Ende des Tunnels
Hamburg taz | Der Eingang zum Schellfischtunnel ist gar nicht so leicht zu
finden: unter den Gleisen des Fernbahnhofs Hamburg-Altona, neben den
Lieferzufahrten eines Hotels und eines Elektronikmarkts. Da stehen fünf
Männer in Arbeitskleidung, am Sonnabendnachmittag. Jemand hat Erdbeerkuchen
vorbeigebracht. Sie sind schließlich zum Spaß hier. Und sie verstehen was
von Orten wie diesem. Denn wie man auf ihren schmucken Arbeitsjacken lesen
kann, gehören sie zum [1][Verein Hamburger Unterwelten].
Vor ein paar Tagen erst haben sie den Schlüssel bekommen, und jetzt wollen
sie loslegen. In einem selbstgebauten Schienenwagen schieben sie
Kabeltrommeln und Baulampen in das düstere Loch hinter den gewaltigen
Gittertürflügeln – bestimmt fünf, sechs Meter hoch. Durch diesen Schlund
passte früher eine Lokomotive mit bis zu sechs Waggons, hoch beladen mit
Fischkisten, vor allem Schellfisch. Und dieses „früher“ ist noch gar nicht
so lange her: Erst 1992 wurde die Schellfischbahn vom Altonaer Fischmarkt
zum Bahnhof Altona aufgegeben.
Der Fisch wurde immer weniger – überhaupt und vor allem hier. Die lange
Fahrt elbaufwärts rentierte sich nicht mehr, da lag „Fischtown“ Bremerhaven
an der Außenweser günstiger. Der Tunnel wurde stillgelegt.
Danach wurde es zur Mutprobe junger Menschen, nach der Kneipe in den Tunnel
einzusteigen und sich bis zum anderen Ende vorzutasten. Im Stockdustern,
Hand in Hand, kamen manche einander dabei so nahe wie vorher die ganze
Nacht nicht.
## Noch dänische Planung
„Aber früher“, sagt Holger Dierks vom Verein Hamburger Unterwelten auf dem
Weg ins Dunkel, „war Altona mal der größte Fisch-Anlandeplatz Europas.“ D…
Tunnel sei 1876 nur gebaut worden, weil er schon zur Dänenzeit geplant war.
Die Dänen, die Altona bis zu ihrer Niederlage im Deutsch-Dänischen Krieg
1864 beherrschten, hatten ihren Hafen groß gemacht, um einen Teil der
Ladung abzugreifen, bevor die Schiffe Hamburg erreichten. Nur waren am
steilen Geesthang 30 Höhenmeter bis zur Eisenbahn zu überwinden. Seit 1845
geschah das mit einem schnurgeraden Gleis mit 15 Prozent Steigung auf dem
Hang, erst per Pferdekraft und dann mit einer Dampfmaschine.
Viel leichter wurde der Fischtransport dann in dem sanft geschwungenen, 941
Meter langen Tunnel. Zu Fuß lässt sich der knappe Kilometer über hölzerne
Gleisschwellen mühelos durchschreiten, vorbei an engen backsteinernen
Buchten, in die Gleisarbeiter sich flüchteten, wenn der Fischzug
vorbeirauschte, über jene Stelle, unter der alle zehn Minuten die S-Bahn
hindurchdonnert, bis zu den tiefen Furchen in den Gleisschwellen, Zeichen
gar nicht mal so selten entgleister Loks.
Wo am Ende das Licht wiederkommt, versperrt ein Tor den Weg nach draußen.
Durch das Gitter zeigt Dierks auf eines jener schnieken Bürogebäude, mit
denen das alte Fischereihafengelände aufgerüscht wurde. Der Bauherr hat
sich tatsächlich vors Bürofenster einen kleinen Bahnsteig bauen lassen – in
der Hoffnung, der Schellfischtunnel könnte irgendwann für den Nahverkehr
reaktiviert werden.
## Verblasste Tüftlerträume
Was gab es nicht alles für Pläne: Spurbus, Stadtbahn, Fahrradweg, [2][eine
Fernwärmeleitung], wenigstens ein kleines Touristenbähnchen – sogar
selbstfahrende Personenkabinen wollten Tüftler mal durch das alte Gemäuer
schicken. Aber am Ende wurde alles verworfen: zu teuer, kein Bedarf, heißt
es. Nur wegen der hohen Kosten wurde der Tunnel nicht zugeschüttet.
Deswegen kommen jetzt die „Unterwelten“ zum Zuge, die eine Reihe
unterirdischer Bauwerke betreuen. Am 23. Juli ist Eröffnung. Sie wollen
dann Führungen anbieten. Alles ehrenamtlich, ohne Zuschüsse von der Stadt.
„Das ist mir auch lieber so“, sagt Dierks, „dann kann ich bei den Führun…
sagen, was ich will.“
23 Jul 2022
## LINKS
[1] http://www.hamburgerunterwelten.de/
[2] /Vattefall-Plaene-fuer-Fernwaermeleitung/!5127453
## AUTOREN
Jan Kahlcke
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
Bahnhof Altona
Tunnel
Fische
Einheitsdenkmal
Schwerpunkt Stadtland
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