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# taz.de -- Professorin über Geburtsbegleitung: „Die Hebammen sind am Limit�…
> Seit knapp zwei Jahren studieren in Deutschland alle Hebammen. Die
> Professorin Nicola H. Bauer erklärt, was sich seitdem verändert hat.
Bild: Auch heute noch ein beliebtes Motiv: Klapperstorch zeigt die Geburt eines…
taz: Frau Bauer, vor etwas mehr als zwei Jahren gab es einen
Paradigmenwechsel in Deutschland: Hebammen [1][werden nicht mehr in Schulen
ausgebildet, sondern studieren.] Warum?
Nicola Bauer: Zum einen musste die Bundesregierung eine EU-Richtlinie
umsetzen. Deutschland war europaweit das letzte Land, in dem die Hebammen
noch nicht grundsätzlich studierten. Zum anderen haben sich die
Tätigkeiten, Kompetenzen und Anforderungen an Hebammen in den vergangenen
Jahrzehnten enorm verändert und erweitert.
Funktioniert Gebären nicht immer auf dieselbe Weise?
Im Prinzip schon, aber es gibt immer mehr komplex verlaufende
Schwangerschaften, Geburten und Wochenbetten.
Inwiefern?
Das Spektrum an Frauen, ihren Kindern und Familien, die betreut werden, ist
diverser geworden. Es gibt unterschiedliche Familienkonstellationen,
internationale Hintergründe, ältere Frauen. Es gibt Frauen mit chronischen
Erkrankungen und sogenannte künstliche Befruchtungen. Auch die Erwartungen
bezüglich dieser Lebensphase haben sich verändert. Zudem bekommen Frauen
ihre Kinder zwar noch meistens in der Klinik, aber auch zu Hause oder im
Geburtshaus.
Was lernt eine Hebamme an der Uni, was sie in einer Ausbildung nicht lernen
kann?
Grundlegende Themen zu Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bleiben
dieselben. Dazu kommen aber Themen wie Frauen- und Familiengesundheit,
Gesundheitsförderung und Prävention, evidenzbasierte Medizin, Ethik,
Kommunikation und einiges mehr. Studierende kommen früh mit Studien und
Forschung in Kontakt.
Gelehrt wird also hauptsächlich Theorie?
Nein. Die Studierenden arbeiten zum Beispiel problemorientiert in kleinen
Gruppen an Fällen. Bei uns in Köln erwerben sie im sogenannten Skills-Lab
durch die Arbeit an Modellen oder mit
Simulationsschauspieler*innen praktische Fertigkeiten und
Kompetenzen. Sie üben also nicht zum ersten Mal an der Schwangeren oder
Gebärenden in der Praxis. Auch Notfälle werden geübt. Für all das ist ein
anwendungsbezogenes Studium mit einer guten Verzahnung zwischen Theorie und
Praxis notwendig.
Die ÄrztInnenschaft prophezeite vor zwei Jahren eine „Katastrophe“: Durch
die Akademisierung werde sich der akute Mangel an Hebammen in Kliniken
weiter verschärfen. Hat sich das bewahrheitet?
Die Absolvent*innenbefragung von Studierenden aus
Modellstudiengängen in Nordrhein-Westfalen hat gezeigt, dass mehr als 90
Prozent der Absolvent*innen eines Studiums in die Praxis gehen.
Nichtsdestotrotz gibt es hierzulande einen akuten Hebammenmangel. Die
Akademisierung alleine kann den Hebammenmangel nicht beheben, den Beruf
langfristig aber eventuell attraktiver machen
Fast 80 Prozent der Hebammen würden wieder im Kreißsaal arbeiten, würden
sich die Bedingungen verbessern, so eine aktuelle Umfrage des Deutschen
Hebammenverbands unter seinen Mitgliedern.
Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung sind der Schlüssel. Der
Hebammenberuf ist attraktiv, es gibt viele Bewerbungen auf die
Studienplätze an den etwa 50 Studienstandorten in Deutschland. Aber [2][die
Arbeitsbedingungen an den Kliniken] erlauben es den angestellten Hebammen
nicht, wirklich frauen- und familienzentriert zu arbeiten. Die Hebammen
sind am Limit.
Wie ist es im ambulanten Bereich?
Auch da gibt es einen Hebammenmangel. Schwangere müssen sich sehr früh in
der Schwangerschaft um eine Hebamme kümmern. Viele Frauen finden keine
Hebamme für die Wochenbettbetreuung zu Hause – in einer Phase, in der eine
Hebammenbetreuung sehr wichtig ist.
Was müsste sich ändern?
Im klinischen Bereich braucht es eine Eins-zu-Eins-Betreuung während der
Geburt und damit einhergehend eine bessere Personalausstattung. Im Sinne
der Frauen sollten Hebammen und Ärzt*innen gut und auf Augenhöhe
miteinander arbeiten. Es ist wichtig, dass Studierende der Pflege, der
Medizin und der Hebammenwissenschaft bereits im Studium zusammen lernen und
zum Beispiel gemeinsame Notfalltrainings absolvieren. Damit werden
hoffentlich spätere Vorbehalte in der Praxis abgebaut.
Und außerklinisch?
Da müssen Hebammen für ihre Leistungen besser bezahlt werden. Ein
Wochenbettbesuch wird mit nur 38 Euro vergütet – unabhängig davon, wie
lange er dauert. Zudem sind die Probleme der steigenden
Berufshaftpflichtsummen, die für Hebammen in der außerklinischen
Geburtshilfe immens teuer sind, bisher nicht zufriedenstellend gelöst.
Werden die Veränderungen in der Ausbildung Auswirkungen auf den
gesellschaftlichen Status von Hebammen haben?
Das hoffe ich sehr. Zu Beginn der Pandemie etwa wurden Hebammen einfach
„vergessen“, weil sie nicht als systemrelevant betrachtet wurden. So etwas
darf nicht passieren.
Wie sind die Erfahrungen nach der Akademisierung in anderen Ländern, die
Deutschland einen Schritt voraus sind?
Das ist nicht ganz einfach miteinander zu vergleichen. Aber wir sehen, dass
zum Beispiel in den skandinavischen Ländern oder in Großbritannien Hebammen
einen ganz anderen Stellenwert haben als in Deutschland. Auch hierzulande
haben wir eigentlich gute Ausgangsbedingungen: Hebammen können Frauen und
Familien von Beginn der Schwangerschaft bis zum ersten Geburtstag des
Kindes begleiten. Gut ausgebildete und selbstbewusste Hebammen werden dies
künftig sicher gut umsetzen können.
5 May 2022
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## AUTOREN
Patricia Hecht
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