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# taz.de -- Gebären in Pandemie-Zeiten: Was Corona für Geburten bedeutet
> In Zeiten der Coronakrise wollen viele Schwangere ihr Kind zu Hause zur
> Welt bringen. Zwei Hebammen und eine Schwangere berichten über ihre
> Situation.
Bild: Eine Hebamme tastet den Bauch einer Frau ab, die im neunten Monat schwang…
## So richtig Ahnung, was zu tun war, hatte niemand
Corona hat unsere Klinik sehr unvorbereitet getroffen. Zwar gibt es
Pandemiepläne in einem Krankenhaus – aber so richtig Ahnung, was zu tun
war, hatte niemand. Es hat Wochen gedauert, bis Ansagen kamen, wie wir uns
verhalten müssen: Tragen wir Mundschutz? Was machen wir, wenn eine
Gebärende infiziert ist? Auch jetzt ändert sich das ständig. Wir bekommen
superviele Mails und kommen kaum hinterher.
Das große [1][Thema in den Geburtsstationen ist, ob die PartnerInnen dabei
sein dürfen.] Bei uns dürfen sie – aber sie können den Kreißsaal während
der Geburt nicht mehr verlassen, und direkt danach müssen sie wieder gehen.
Außerdem wird sehr streng darauf geachtet, ob sie gesundheitlich fit sind.
Ich verstehe das, aber für die Schwangeren ist das total krass.
Unter der Geburt allein zu sein, ist hart. Durch die Krise ist das jetzt
schon häufiger vorgekommen. Da sein, Zuspruch, das brauchen eigentlich
alle. Aber wir sind ganz unabhängig von Corona chronisch unterbesetzt und
betreuen fast immer zu viele Frauen unter der Geburt.
Ich habe keine Zeit, über Stunden bei einer Gebärenden zu bleiben, das
müssen die PartnerInnen machen. Wenn die Frauen also ganz allein sind, bin
ich mit meiner Betreuung sehr unzufrieden. Ich weiß nie, ob diese Erfahrung
sie nicht ihr ganzes Leben lang begleiten wird.
Und trotzdem: Wir Hebammen im Kreißsaal erwarten die Krise erst noch. Noch
ist keine von uns krank geworden. Wenn eine Symptome hat, muss sie zur
Arbeit kommen, weil das Personal sonst nicht reicht. Aber getestet wird
nicht. Ich hoffe, dass die Testkapazitäten für medizinisches Personal bald
erhöht werden. Wir fühlen uns da schon ziemlich alleingelassen.
Wir bereiten uns darauf vor, dass das, was jetzt passiert, für lange Zeit
unser Alltag sein wird. Es klingt vielleicht komisch, aber die meisten von
uns sind gerade sogar entspannter als sonst, weil ihr üblicher hektischer
Alltag jenseits der Klinik fast zum Erliegen gekommen ist. Und unsere
Aufgabe an sich bleibt ja erfüllend.
Lena Freitag* (32), Hebamme in einer Leipziger Klinik (*Anonymisiert – Lena
Freitag ist nicht der richtige Name)
*************************
## Nicht aufhören, Frauen zu Hause zu besuchen
Als freiberufliche Hebamme bin ich vor allem bei Frauen zu Hause und
betreue sie vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit.
Durch Corona habe ich viel mehr zu tun: Frauen suchen gerade solche
Betreuungen, weil ihnen, wie ich höre, ihre ursprünglichen Hebammen
abspringen. Manche haben offenbar Angst, sich bei den Terminen anzustecken.
Ich mache mir da keine Sorgen. Meine Frauen sind total
verantwortungsbewusst. Wenn eine eine Schniefnase hat, ruft sie an und
sagt, komm mal lieber nächste Woche.
Viele freie Hebammen bieten zum Beispiel Geburtsvorbereitungskurse jetzt
auch per Videoseminar an. Auch ich mache zusammen mit einer Kollegin
Onlineberatungen: Was nämlich in den ersten Wochen der Krise ganz
dramatisch gestiegen ist, ist die Nachfrage nach Hausgeburten. Aber auf so
etwas darf man sich nicht überstürzt einlassen. Also informieren wir die
Frauen in unseren Beratungen darüber, wie das abläuft. Manche sind trotz
Corona besser in der Klinik aufgehoben.
Jenseits dessen ist meine Arbeit sehr körperlich. Die Frauen brauchen Nähe.
Ich messe ihren Blutdruck, sehe mir Bauch und Brüste an und schaue bei
Geburtsverletzungen, ob die Wundheilung regelrecht verläuft. Eineinhalb
Meter Abstand zu halten, ist da natürlich ein Witz. Und die Hände gewaschen
habe ich mir auch vorher schon. Klar, wenn ich nur für ein Gespräch da bin,
sitze ich weiter weg. Und wenn ich die Frauen anfasse, trage ich eine
Maske.
Aber wir dürfen [2][auf keinen Fall aufhören, die Frauen zu Hause zu
besuchen.] Wenn wir sie nicht mehr sehen können, will ich gar nicht wissen,
wie viele postnatale Depressionen nicht erkannt werden. Viele sind jetzt
sowieso sehr isoliert. Neulich meinte eine, ich sei die erste Person, die
seit einem Monat ihre Wohnung beträte. Aus dem Haus gegangen ist sie auch
nicht mehr, um sich nicht anzustecken. Das macht mir wirklich Sorgen. Wenn
wir in ein, zwei Jahren auf die jetzige Situation zurückschauen, werden wir
uns fragen müssen, ob es das wert war. Oder ob diese krasse Isolation nicht
auch heißt, dass Frauen und Kinder psychisch und körperlich mehr leiden als
durch das Virus.
Emine Babaç (43) freiberufliche Hebamme in Berlin
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## Bei der Geburt unbedingt wieder in die Badewanne
Corona führt dazu, dass ich mein Kind zu Hause gebären möchte. Auf die Idee
wäre ich sonst nicht gekommen: Bis die Krise losging, hatte ich mit einer
Beleghebamme geplant – also eine, die ich angerufen hätte, wenn es losgeht,
die mich dann in die Klinik begleitet hätte und die die ganze Geburt über
bei mir geblieben wäre. Als Mitte März der Lockdown kam und die Nachrichten
von den Krankenhäusern, in denen die PartnerInnen bei der Geburt nicht mehr
dabei sein dürfen, hab ich mir natürlich Gedanken gemacht. Aber ich hab
dann erst mal abgewartet.
Eigentlich fand ich es gut, in einer Klinik in der Nähe zu sein. Aber die
Sorgen waren da, dass ich mich dort mit dem Virus infiziere. Außerdem ist
es in Berlin zwar weiter erlaubt, dass die PartnerInnen auch die Geburt
begleiten dürfen. Aber hundert Prozent sicher ist das nicht – man weiß nie,
wie sich die Situation entwickelt. Und sowieso: wenn mein Partner
zwischendurch mal rausgemusst hätte, um bei der Babysitterin nach unserem
ersten Kind zu sehen, hätte er danach nicht wieder reinkommen dürfen.
Jedenfalls hat mir meine Hebamme dann eine Hausgeburt vorgeschlagen. Kurz
nach Beginn der Krise hat sie sich entschieden, das wieder anzubieten und
die extrem hohe Versicherungssumme zu bezahlen, die dafür nötig ist. Das
sind fast 1.000 Euro im Monat. Aber viele Frauen fühlen sich mit einer
Hausgeburt während Corona offenbar sicherer.
Jetzt bin ich total gespannt. Ich habe schon seit ein paar Wochen so ein
Ziehen im Bauch und glaube, dass mein Kind früher kommen wird als zum
errechneten Geburtstermin Ende Mai. Seit Kurzem wäre es keine Frühgeburt
mehr, worüber ich sehr froh bin: das ist in Deutschland Voraussetzung, um
zu Hause zu gebären. Ich will bei der Geburt unbedingt wieder in die
Badewanne.
Bei meinem ersten Kind war ich auch lange drin – und dass ich alles ohne
Schmerzmittel überstanden habe, lag bestimmt auch daran. Im Krankenhaus
wäre diesmal sehr spontan entschieden worden, ob ich in die Wanne kann. Zu
Hause haben wir eine, die ich sicher nutzen kann.
Ich fühle mich richtig gut mit der Entscheidung. Eine Geburt zu Hause kann
viel unbeschwerter sein, Nacktheit ist nicht so ein Thema, und es gehen
nicht ständig fremde Leute rein und raus. Klar, wenn es Komplikationen
gibt, muss ich doch noch ins Krankenhaus. Oder wenn ich starke
Schmerzmittel will, die gespritzt werden müssen. Aber dann ist das eben so.
Ich glaube, es geht bald los.
Katharina Schwirkus (30) schwanger in der 37. Woche
Aufgeschrieben wurden die Protokolle von taz-Redakteurin Patricia Hecht
5 May 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Patricia Hecht
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Paragraf 218
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