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# taz.de -- „Flaniermeile“ Friedrichstraße: Parkplätze gibt`s jedenfalls …
> Die Auswertung des Verkehrsversuchs zur „Flaniermeile Friedrichstraße“
> liegt vor. Vor allem bei den Gewerbetreibenden fand der Versuch wenig
> Anklang.
Bild: Ähnelt frappierend einer italienischen Piazza – wenn man die Augen sta…
Berlin taz | Was ist eine „Parksammelanlage“? Für Normalsterbliche: ein
Parkhaus. Fachbegriffe wie diese gab es einige zu hören beim
Online-Meeting, auf dem Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) am
Montagabend [1][die Zukunft der Flaniermeile Friedrichstraße] mit
AnrainerInnen, VerbandsvertreterInnen und anderen Interessierten besprach.
Nach pandemiebedingten zwei Jahren Verkehrsversuch war es höchste Zeit, das
umstrittene Provisorium auszuwerten und weiterzuentwickeln.
Dass es irgendwann einmal so aussehen könnte wie auf dem
computergenerierten Bild, das gleich zu Auftakt einblendet wurde, sei nur
eine von vielen Möglichkeiten, versicherte Jaraschs Sprecher Jan Thomsen.
Zu sehen war etwas, das mit flachen Wasserbecken, kleinen Bäumchen und
Sitzgelegenheiten stark an eine beliebige deutsche Fußgängerzone erinnerte,
bei Jarasch allerdings wohlwollende Assoziationen mit der Piazza eines
italienischen Ortes auslöste.
„Einen attraktiven Ort“ wolle sie jedenfalls rund um die Friedrichstraße
schaffen, so die Senatorin – einen Ort, der TouristInnen, aber auch
BerlinerInnen anlocke. Dabei sei man auf einem guten Weg, aber vor allem
zwei Dinge stünden dem entgegen: zum einen die Fahrradspur alias „Safety
Lane“, die verhindere, dass Menschen tatsächlich die ganze Breite der
Straße zum Flanieren nutzten. Zum anderen die „Baustellenoptik“, die „au…
nicht das sei, was man sich von einem attraktiven Stadtraum erwartet“.
Das mit der Breite des Raums ließ sich plastisch auf einer der vielen
Grafiken nachvollziehen, mit denen ein Mitarbeiter der Verkehrsverwaltung
die Auswertung des Verkehrsversuchs erläuterte. Hunderte dünne, violette
Linien zeichneten das Auf und Ab der PassantInnen auf den beiden Gehwegen
vor dem Experiment nach – die Grafik nach Verbannung des Autoverkehrs und
dem Aufstellen von Stadtmobiliar sah nicht viel anders aus. Offenbar
kreuzen weiterhin nur wenige FußgängerInnen spontan die mittig verlaufende
Radspur.
Die übrigen Ergebnisse der Auswertung [2][hatte die Senatsverwaltung schon
in der vergangenen Woche angedeutet]: Der Kfz-Verkehr weicht auf
Charlotten-, Glinka- und Wilhelmstraße aus, allerdings bleibt er in der
Summe unter dem Aufkommen vor der Einführung der Flaniermeile. Während es
bei der Frequentierung durch FußgängerInnen keine objektiven Zahlen gibt,
ist die Luft ganz offiziell sauberer geworden. Und: Untersuchungen des
Parkplatzangebots an den Straßen und in den Parkhäusern ergaben, dass mit
einer maximalen gemessenen Auslastung von 64 Prozent noch ausreichend
Kapazitätsreserven bestehen.
Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), verwies in
seinem Beitrag auf die wirtschaftlichen Chancen, die sich für die
AnrainerInnen ergeben hätten – unter anderem dank der Marketingkampagne
(leider durch die Pandemie etwas untergegangen), und der aus Landesmitteln
finanzierten „Showcases“. Die gewächshausartigen Gebilde, in denen
Geschäfte ihre Produkte inszenieren können, litten allerdings mittlerweile
unter Vandalismus und Diebstahl: „Wir sichern die gerade besser“, versprach
von Dassel. Er konnte außerdem auf positive Aussagen von NutzerInnen in
„drei Befragungswellen“ verweisen.
## Und nebenan Dauerstau?
Während sich Vertreter von Verkehrs- und AnwohnerInneninitiativen
grundsätzlich positiv äußerten, war das Feedback der Gewerbetreibenden
weniger wohlwollend. Anja Schröder vom Laden Planet Wein in der
Charlottenstraße konstatierte, dass man sich an der Friedrichstraße nun
über bessere Luft und weniger Lärm freuen könne. Rund um ihr Geschäft aber
habe sich das Verkehrsaufkommen verdoppelt, es herrsche „Dauerstau“. Sie
freue sich, dass „jetzt alles besser werden soll, aber auf mich wirkt es
immer noch nicht durchdacht“.
Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils
Busch-Petersen, pochte darauf, dass es nie eine „Null-Messung“ vor der
Einführung des Verkehrsversuchs gegeben habe. Da die ersten Zahlen nun aus
dem ersten Lockdown stammten, hätten sie keine Aussagekraft. „Wir hatten
eine solche Messung immer angeregt“, so Busch-Petersen, aber nun sei „die
Milch vergossen“. Er plädierte dafür, „größer“ zu denken, forderte ab…
gleichzeitig, eine Rückkehr zum status quo ante dürfe als Ergebnis eines
Versuchs nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Auch Christian Andresen, Berliner Vorsitzender des Hotel- und
Gaststättenverbands Dehoga sowie Betreiber des Hotels „The Mandala Suites“
an der Friedrichstraße, kritisierte die erhobenen NutzerInnen-Zahlen als
„nicht valide“. Was die Verkehrssituation angehe, beobachte er immer wieder
„chaotische“ Situationen in den Nebenstraßen: „Wenn sie bei Alnatura oder
Rewe waren, müssen die Lkw oft rückwärts rausfahren.“ In der
Charlottenstraße müsse die Zufahrt zu mehreren Hotels organisiert werden,
gab Andresen zu bedenken: „Wir müssen uns unbedingt weiter treffen, auch
vor Ort und in persona“, so sein Appell.
Wie geht es nun weiter? In Kürze wird die Senatsverwaltung ihr
„Nahbereichskonzept“ für die Friedrichsstraße und Umgebung veröffentlich…
Der wichtigste Punkt darin ist das neue Routenkonzept: mit Vorrang für den
Fußverkehr in der „Flaniermeile“ und Einrichtung einer Fahrradstraße in d…
Charlottenstraße, die vielleicht auch noch für den Kfz-Durchgangsverkehr
gesperrt wird.
Der motorisierte Verkehr soll dann über die Wilhelmstraße sowie Glinka- und
Mauerstraße gelenkt werden. Weitere Punkte sind die Lenkung des
Parksuchverkehrs und die Optimierung der Lieferzonen. Da gebe es noch
Gestaltungsspielraum, betonten Jarasch und ihre Mitarbeiter.
Eines versicherte die Senatorin auch an diesem Abend noch einmal: Die
Radspur in der Friedrichstraße verschwinde nicht, bevor die
Charlottenstraße zur Fahrradstraße umgewidmet sei.
2 May 2022
## LINKS
[1] /Aus-fuer-Fahrradspur-auf-Friedrichstrasse/!5847367
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## AUTOREN
Claudius Prößer
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Regine Günther
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