# taz.de -- Experte zu LNG-Terminals: „Wir brauchen 7 Flüssiggashäfen“ | |
> Deutschland hat es schwer, russische Energie zu ersetzen – es gibt keine | |
> LNG-Terminals. Polen könnte helfen, sagt Anlagenbauer Tobias Puklavec. | |
Bild: Hier könnte das Gas für Deutschland herkommen: LNG-Terminal in Swinemü… | |
taz: Herr Puklavec, Sie planen als Anlagenbauer LNG-Terminals im In- und | |
Ausland. Deutschland braucht dringend dieses Flüssiggas, um seine | |
Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern. Seit Jahrzehnten wird | |
darüber geredet, nun soll in Brunsbüttel der erste deutsche LNG-Terminal | |
gebaut werden. Bis hier wirklich Erdgas fließt, dauert es noch fünf Jahre. | |
Warum so lange? | |
Tobias Puklavec: Wir sind da Subunternehmer. Normalerweise dauert die | |
Ausschreibung 6 Monate, dann folgen die Vorarbeiten zum Anlagendesign, das | |
genehmigt werden muss. Bis zum Baubeginn vergehen so anderthalb Jahre. Die | |
Politik hat zugesagt, das Verfahren zu beschleunigen, es gibt ja schon | |
Vorarbeiten von 2020. 3 Monate dauert es, das Fundament zu konstruieren, 8 | |
Monate die Auslegung des Terminals, der Bau der Anlage weitere 30 bis 36 | |
Monate: Ergibt zusammen vier bis fünf Jahre. | |
Im polnischen Swinoujscie (Swinemünde) bauen Sie bereits. Drei Kilometer | |
östlich der deutschen Grenze wird die Kapazität des dortigen LNG-Terminals | |
erhöht. Wie kommt [1][TGE] dort voran? | |
Seit 2015 liefert das dortige Lech-Kaczyński-Terminal Erdgas, als Erstes | |
haben wir die Ausspeisekapazität erhöht. Polen kann nun 50 Prozent mehr | |
Flüssigerdgas wiederverdampfen und gasförmig ins Netz einspeisen – 5 | |
Milliarden Kubikmeter pro Jahr, etwa ein Drittel des polnischen Bedarfs. | |
Zweitens entsteht ein neuer Tank. Drittens ist gerade mit dem Bau eines | |
neuen Anlegeplatzes für die Tankschiffe begonnen worden, die Anlage soll ab | |
2023 8,3 Milliarden Kubikmeter Erdgas liefern können. | |
Und wird so teilweise den Ausfall der russischen Gaslieferungen | |
kompensieren können. Umweltschützer kritisieren, dass es bei dem Projekt | |
keine Umweltverträglichkeitsprüfung gab. Mit Recht? | |
Tatsächlich greift das Projekt in die Umwelt ein, vor allem der neue | |
Anleger. Zuständig für die Prüfung sind aber nicht wir, sondern die | |
Bauherren. Mit Genehmigung gehen wir davon aus, dass auch alle nötigen | |
Umweltverträglichkeitsprüfungen erfolgt sind. | |
Ursprünglich war das 2009 begonnene Projekt dafür ausgelegt, auch | |
Deutschland mit Flüssigerdgas zu beliefern. Ist das noch realistisch? | |
Technisch auf alle Fälle! Wir wissen, dass bereits ein Schiff mit | |
Flüssigerdgas nur für Deutschland in Swinemünde entladen wurde. Unterhalb | |
von Stettin gibt es eine relativ kleine Gasverbindung nach Deutschland, die | |
jetzt erweitert und ans deutsche Großnetz angeschlossen werden soll. Auf | |
diese Weise würde Deutschland relativ schnell in die Lage versetzt werden, | |
Flüssigerdgas zu nutzen – und zwar sehr kostengünstig. Soweit uns bekannt | |
ist, wird daran gearbeitet. Allerdings wäre es naiv zu glauben, dass | |
dadurch die aktuellen Probleme zu lösen sind. Wenn man den deutschen | |
Bedarf, der derzeit über Pipelines gedeckt wird, in LNG-Kapazitäten | |
umrechnet, brauchen wir 6 bis 7 Flüssiggashäfen, um russisches Erdgas zu | |
ersetzen. Neben Brunsbüttel gibt es deshalb auch LNG-Projekte in | |
Wilhelmshaven und Stade. Wir wissen, dass in Wilhelmshaven, wo bereits im | |
kommenden Jahr ein schwimmendes Terminal in Betrieb genommen werden soll, | |
vor drei Wochen mit dem Bau der Anschlusspipeline begonnen wurde. Auch aus | |
dem Hafen von Rotterdam könnte Deutschland in Zukunft Flüssigerdgas | |
beziehen. | |
Wer heute in LNG-Terminals investiert, braucht mindestens 30 Jahre, um das | |
Projekt zu refinanzieren. Deutschland will allerdings in 28 Jahren | |
klimaneutral wirtschaften – ohne Erdgas. Wie passt das zusammen? | |
Zunächst: Auf dem Weg dahin muss zuerst einmal die Kohle durch einen Mix | |
aus Erdgas und Erneuerbaren ersetzt werden. Aber natürlich entsteht auch | |
bei der Verbrennung von Erdgas Kohlendioxid, wenn auch wesentlich weniger | |
als bei anderen fossilen Energieträgern. Unsere Strategie ist eine | |
Kombination aus LNG-Technologie und einer Ammoniak-Infrastruktur. | |
Wasserstoff lässt sich nur schwerlich mit einem Tankschiff transportieren, | |
der Rohstoff müsste unter großen Druck gebracht werden, was | |
sicherheitstechnisch kompliziert ist. Ammoniak hingegen lässt sich leicht | |
transportieren und man kann daraus relativ leicht Wasserstoff generieren. | |
Wir nennen diese Zukunft „Multi-Purpose-Tank“, einen Tank, der verschiedene | |
Rohstoffe aufnehmen kann. So könnten die LNG-Terminals später auf | |
Wasserstoff umgerüstet werden – und Klimaschutz und Refinanzierung unter | |
eine Decke bringen. | |
Statt Putins Russland sind künftig Systeme wie das in Saudi-Arabien oder | |
Katar unsere Partner bei der Energieversorgung. Treiben wir den Teufel | |
nicht mit dem Beelzebub aus? | |
Kurzfristig gibt es keine Alternative, amerikanisches LNG stammt aus der | |
Fracking-Technologie, die eine noch schlechtere Klimabilanz hat. Allerdings | |
wird die Abhängigkeit nicht dieselbe sein wie bei einer Pipeline: LNG kann | |
man relativ gut auf dem Spotmarkt kaufen, man ist also flexibler, kann | |
einfacher den Anbieter wechseln. Langfristig wird man sich nur unerpressbar | |
machen, wenn man Erdgas einspart und durch erneuerbare Technologien | |
ersetzt. | |
29 Apr 2022 | |
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[1] https://tge-gas.com/ | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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