| # taz.de -- „Unspoken“ am Deutschen Theater: Beziehungsarbeit auf der Bühne | |
| > In der Doku-Oper „Unspoken“ am Deutschen Theater reden jugendliche | |
| > Schauspieler:innen mit ihren Eltern. Manches bleibt dabei | |
| > unausgesprochen. | |
| Bild: Im Dialog: Sidney Fahlisch und, per Video, Manuela Fahlisch in „Unspoke… | |
| Eltern sind vermutlich die Menschen, die wir am besten kennen, ohne sie | |
| tatsächlich zu kennen. Und ohne ihnen jemals die wirklich wichtigen Fragen | |
| gestellt zu haben. In der Doku-Oper „Unspoken“, die am 24. April in der Box | |
| des Deutschen Theaters Premiere feierte, werden diese Fragen gestellt. | |
| Grundlage der Inszenierung sind Interviews, die die sieben jugendlichen | |
| Schauspieler:innen mit ihren Eltern geführt haben. Die 30-jährige | |
| litauische Regisseurin Kamilė Gudmonaitė will damit Kommunikationsräume | |
| eröffnen, in denen sich Eltern und Kinder begegnen. | |
| In den Gesprächen werden Gemeinsamkeiten gesucht und gefunden, sie reichen | |
| vom Essverhalten bis zum Glauben. Unterstrichen wird das Gemeinsame durch | |
| Imitation der Eltern, deren Gesten die Schauspieler:innen kollektiv | |
| nachahmen. Dabei treten natürlich auch Unterschiede auf, Trennendes und | |
| Unverständnis für das Denken und Handeln des oder der anderen. Was an mir | |
| ist dir fremd? | |
| Das Verhältnis der Jugendlichen zu ihren Eltern ist geprägt von einer | |
| Mischung aus Abgrenzung und Identifikation. Viele ihrer Fragen bewegen sich | |
| daher im Spektrum zwischen diesen beiden Extremen: Wie werde ich so wie du | |
| und wie vermeide ich es so zu werden wie du? | |
| ## Schwäche des Interviewformats | |
| Die meisten Fragen der Jugendlichen könnten in vielen Familien gestellt | |
| werden, andere betreffen nur bestimmte Familienkonstellationen. Etwa, nach | |
| welchen Kriterien die beiden Mütter einer Schauspielerin dessen | |
| biologischen Vater ausgesucht haben. Oder inwiefern [1][die Transidentität] | |
| eines weiteren Schauspielers seine Beziehung zum Vater beeinflusst. An | |
| dieser Stelle wird auch die Schwäche des Interviewformats deutlich: „Ich | |
| wollte viele Dinge sagen, aber ich konnte nicht.“ | |
| Gesprächsangebote lösen eben nicht jeden Konflikt, vieles bleibt weiterhin | |
| unausgesprochen. Stattdessen übernehmen hier Tanz und Musik. Auch die | |
| Rückfrage einer Mutter „bist du froh, einen Papa zu haben?“, wird mit einer | |
| Gesangseinlage beantwortet: „Ich liebe es, einen Papa zu haben“. In dieser | |
| Hommage auf einen verstorbenen Vater steckt auch eine Erinnerung daran, | |
| dass Eltern nicht selbstverständlich sind. | |
| „Unspoken“ ist in weiten Teilen eine sehr liebevolle und überraschend | |
| unkritische Auseinandersetzung der Jugendlichen mit ihren Eltern. Selbst | |
| als es um deren fehlendes gesellschaftliches und politisches Engagement | |
| geht, sind sie den Erwachsenen wohl gesonnen. Eine Schauspielerin erklärt | |
| ihrer Mutter, sie habe sehr wohl etwas in der Welt verändert, indem sie | |
| [2][zur Stammzellenspende aufrief]. Diese sehr zärtliche Szene steht für | |
| eine Inszenierung, die nicht anklagen, sondern beruhigen will: Macht euch | |
| keine Sorgen um uns. | |
| ## Ästhetik von Zoom-Konferenzen | |
| Der generationenübergreifende Dialog findet zwischen Bühne und Leinwand | |
| statt, auf der die vorab per Zoom aufgezeichneten Interviews projiziert | |
| werden. Teilweise overvoicen die Schauspieler:innen sich selbst und | |
| erinnern dabei an einen Tiktok-Trend, bei dem virale Videos möglichst | |
| perfekt nachgesprochen werden. Videoeinspielungen in Theaterinszenierungen | |
| sind zwar nicht neu, und auch die [3][Ästhetik von Zoom-Konferenzen] kommt | |
| einem mittlerweile zu vertraut vor. Trotzdem fällt jetzt erst auf, wie | |
| theatralisch ein Zoom-Gespräch sein kann und wie gut es auf die Bühne | |
| passt. | |
| „Unspoken“ ist ein Stück über die Beziehung von Jugendlichen zu ihren | |
| Eltern. Über Ausgesprochenes und eben bislang Unausgesprochenes. Die | |
| Doku-Oper will Eltern und Jugendlichen eine Anleitung für eine bessere | |
| Kommunikation mit an die Hand geben und tut das auch ganz konkret im | |
| Beiheft. „Liebe Eltern“, heißt es dort, „nehmt uns wahr. Nehmt uns ernst… | |
| „Habt keine Angst, eure Geheimnisse mit uns zu teilen“. Aber auch: „Klopft | |
| doch bitte an, bevor ihr in unser Zimmer kommt“. | |
| Das wirkt etwas pädagogisch und liefert nicht gerade überraschende | |
| Antworten auf die Frage, wie sich die Beziehung von Eltern und Jugendlichen | |
| verbessern lässt. Die Erinnerung daran, was Kommunikation bewirken kann, | |
| ist dennoch wichtig. Denn Beziehungen erfordern Arbeit, auch zwischen | |
| Eltern und Kindern. | |
| 27 Apr 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Matthieu Praun | |
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