| # taz.de -- Norwegische Band Motorpsycho: Der Rock und die Sache mit dem Bart | |
| > Motorpsycho haben ihre musikalische Heimat in den Siebzigern. In Berlin | |
| > zeigten sie auf einem Konzert, dass das jede Menge Gegenwart bedeutet. | |
| Bild: Haarige Sache und gut so: Motorpsycho | |
| Die Haare im Gesicht. Der Bart. Er markiert auch in der Popmusik das | |
| Prinzip Mann, und das natürlich in seiner ganzen Fragwürdigkeit, da muss | |
| man sich nur mal die Eckpunkte anschauen bei der ganzen bärtigen | |
| Spannbreite, bitte sehr, da wäre zu einem der Comic-haft zum Ausrufezeichen | |
| gewachsene Bart bei den erdigen Bluesrockern ZZ Top und auf der anderen | |
| Seite hat man so ein Vollbart-mit-Abendkleid-Statement [1][von Conchita | |
| Wurst], wofür es ja einen grandiosen Sieg beim Eurovision Song Contest gab. | |
| Ein Wettbewerb übrigens, bei dem eher selten Bärte zu sehen sind. | |
| Zwischen den oben angedeuteten Eckpunkten gibt es den Bart im Pop zum | |
| Beispiel als Ausweis des ungebärdig Widerspenstigen oder bloß als | |
| Hipster-Signatur, manche tragen ihn wirr und zauselig als Ökosiegel des | |
| Kulturbelassenen, wie das seit den nuller Jahren gern von amerikanischen | |
| Songwritern wie Will Oldham oder Bon Iver gemacht wird, die doch ihre | |
| Lieder in bodenständiger Scholle gedeihen lassen wollen. | |
| So eben wie immer schon. Und wie es auf ewig sein soll. Wo der Bart | |
| scheinbar einfach so getragen wird und dazu die langen Haare und für den | |
| richtigen Vintage-Look unbedingt noch die Jeans dazu. | |
| So war das früher, so hat es seine Gültigkeit, und schon ist man mittendrin | |
| beim Konzert von Motorpsycho, die auf ihrer Tour diese Woche in Berlin im | |
| Festsaal Kreuzberg spielten. Eine Band, deren Stücke [2][gern an die | |
| Zehnminutengrenze] heranquellen und auch darüber hinaus. Wobei sie schon | |
| auch Pop kann und ganz bestimmt eine Folk-Lässigkeit, sie versteht sich auf | |
| Hardrock und Metal, mag Psychedelisches, Gitarrengeniedel und die Beatles | |
| sowieso, was alles von Motorpsycho seit 1989 in unterschiedlichen | |
| Mischverhältnissen immer wieder neu abgemessen wird. | |
| Alles Musiken, mit denen eben Anfang der siebziger Jahre der Rock zu sich | |
| fand, mit den Jeans und den langen Haaren, und dass sie sich darin richtig | |
| wohl fühlt, ließ die Band aus dem norwegischen Trondheim auch im gut | |
| gefüllten Festsaal spüren. Wobei sich die Vielfalt der Möglichkeiten, die | |
| sie auf ihren Alben durchspielt – das aktuelle heißt „Kingdom of Oblivion … | |
| im Konzert mehr auf einen lang ausgespielten und luzide melodiösen Hardrock | |
| verdichtet. | |
| Ein prima Headbanger-Stoff, und gleichzeitig eben weich und zärtlich, was | |
| dann Motorpsycho von Metal unterscheidet. Bedächtig spielten sie in den | |
| Stücken auf die ekstatischen Entladungen hin, und in dieser Musik steckte | |
| immer auch noch [3][der alte Chuck Berry] mit seiner grundlegenden | |
| Erkenntnis, um was es bei so einer Musik gehen muss, the feeling is there, | |
| body and soul. Der Körper. Die Seele. Ja, „hail, hail rock and roll“. | |
| Im Festsaal konnte man mit Motorpsycho eintauchen in diese Musik. Wogende | |
| Leiber überall vor der Bühne und rundherum Verzückung in den Gesichtern. | |
| Kann man jetzt als eskapistischen Ausflug in ein Gestern bezeichnen. Oder | |
| doch als den Beweis für Gegenwärtigkeit. | |
| Vielleicht sollte man sich mal einen Bart wachsen lassen. | |
| 5 May 2022 | |
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| Thomas Mauch | |
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