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# taz.de -- Der Krieg droht sich auszuweiten: Der Spielball Russlands
> Russland versucht sich anscheinend das prorussische Transnistrien zunutze
> zu machen. Der Geburtsort unserer Autorin wird damit zum Machtinstrument.
Bild: Wandmalerei vor dem Quartier der russischen Truppen in Tiraspol
Es ist ein schmerzhafter Gedanke: Der Krieg droht sich auf ein anderes
europäisches Land auszuweiten – die Republik Moldau und [1][ihren
abtrünnigen Landesteil im Osten Transnistrien]. Dort gab es in den
vergangenen Tagen angebliche „Terrorakte“, Explosionen und beschädigte
Sendemasten. Wer dahinter steckt: unklar. Alles erinnert aber an das
übliche Schauspiel, wie man es 2014 aus dem Donbass kennt. Unruhen werden
von russischer Seite provoziert, Anschläge verübt, Lügen verbreitet.
Vor Wochen wurde davor gewarnt, dass Russland das prorussische
Transnistrien benutzen könnte, um einen Landkorridor über den gesamten
Süden der Ukraine zu schaffen, um als nächstes Moldau anzugreifen. Kürzlich
verkündete der russische General Rustam Minnekajew die zweite Phase des
Krieges in der Ukraine ganz offiziell: die vollständige Kontrolle über den
Donbass und die Südukraine. In Transnistrien gebe es „ebenfalls Fakten der
Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung“, sagte er und bediente
sich damit einer altbekannten Lüge der politischen Führung vom russischen
Befreier, der zur Hilfe eilt, um damit militärisches Eingreifen zu
rechtfertigen.
Ich kann Ihnen versichern, dass in Transnistrien Russen nicht unterdrückt
werden. Anfang der Neunzigerjahre herrschte in der Region ein kurzer, aber
blutiger Bürgerkrieg. Daraus hervor ging Transnistrien – de facto ist es
unabhängig, blieb völkerrechtlich bis heute Teil Moldaus.
Auch wenn Ukrainisch, Moldauisch und Russisch gleichwertige Landessprachen
sind, wird Letzteres dort überwiegend gesprochen. Hauptinformationsquelle
sind für viele Einwohner:innen des Landes russische Fernsehsender. Und
die transnistrische Führung ersuchte mehrmals um den Anschluss an die
russische Föderation – vergeblich.
Im Ukrainekrieg hat Transnistrien bisher vermieden, sich klar zu
positionieren. Einerseits verzichten staatliche Medien darauf, den Krieg
als solchen zu benennen – aus Angst, Russland zu verärgern. Von ihm wird es
seit dreißig Jahren finanziert, hauptsächlich mit kostenlosen
Gaslieferungen. Ukrainische Flüchtlinge, die seit dem 24. Februar zahlreich
ins Land gekommen sind, stehen hingegen im Zentrum der Berichterstattung.
Bis Anfang April sollen transnistrischen Angaben zufolge 21.000 Menschen
aus der Ukraine eingereist sein.
## Ein zerrissenes Land
Aktuell ist Transnistrien ein zerrissenes Land. Wohl auch wegen der eigenen
Kriegserfahrung von 1992 und weil rund ein Drittel der Bevölkerung
Ukrainer:innen sind, viele Bewohner:innen also Verwandte im Krieg
haben, ist der Wunsch nach Frieden bei einigen groß. Eine junge Frau sagte
moldauischen Reportern vor Kurzem: „1992 flohen wir noch zu unseren
Verwandten in die Ukraine, jetzt fliehen sie zu uns.“
An den Grenzübergängen zwischen Transnistrien und Moldau haben sich in den
vergangenen Tagen lange Schlangen gebildet. Aus Angst verlassen bereits
viele das Land. Andere wiederum warten seit dreißig Jahren darauf, endlich
Teil Russlands zu werden und hoffen, der Krieg wird ihren Wunsch in
Erfüllung gehen lassen. Dabei begreifen sie nicht, dass sie für Putin ein
Spielball sind. Für seine imperialen Machtansprüche ist er bereit, alles zu
opfern, auch die Russischsprachigen.
Während man sich in Deutschland nach einer peinlichen Ewigkeit durchringen
konnte, [2][schwere Waffen an die Ukraine] liefern zu lassen, droht sich
der Krieg dramatisch auszuweiten. Die Allianz gegen Putin muss nun Stärke
und Geschlossenheit beweisen und versichern, dass es an der Seite Moldaus
steht. Putin wird weitermachen, bis man ihn stoppt.
Niemals hätte ich gedacht, dass [3][Transnistrien, mein Geburtsort], so
prominent in den Nachrichten landet. Ich bin froh, wenn es daraus wieder
verschwindet.
28 Apr 2022
## LINKS
[1] /Entwicklungen-im-Ukraine-Krieg/!5851218
[2] /Putins-Krieg-in-der-Ukraine/!5849706
[3] /Juedische-Kontingentfluechtlinge/!5727852
## AUTOREN
Erica Zingher
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Wladimir Putin
Transnistrien
Republik Moldau
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