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# taz.de -- Keine Zinserhöhung gegen Inflation: EZB bleibt bei ihrem Kurs
> Die steigenden Preise sind Folge der Energieknappheit, so die Linie der
> Zentralbank. Deshalb nützten höhere Zinsen nichts. Man sei aber flexibel.
Bild: Die EZB bleibt vorerst bei ihrem Kurs: EZB-Chefin Christin Lagarde, hier …
Berlin taz | [1][Nachdem die US-amerikanische Notenbank schon vor Wochen
einen Wandel ihrer Niedrigzinspolitik angekündigt hatte], bleibt die
Europäische Zentralbank vorerst auf ihrem alten Kurs und belässt den
Leitzins bei 0 Prozent. Mittelfristig erwartet die EZB, dass die im
Euroraum aktuell bei über sieben Prozent liegende Inflation wieder auf die
angestrebten zwei Prozent sinkt.
Mit der Entscheidung hält sich der zuständige Rat der EZB ganz ausdrücklich
alle Optionen offen. Die Inflation werde vor allem von den hohen
Energiepreisen getrieben, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagard auf einer
Pressekonferenz. Auf die habe die Geldpolitik aber keinen direkten
Einfluss. Ein Problem seien die hohen Inflationserwartungen. Diesen
begegnete Lagarde, indem sie signalisierte, die EZB werde eingreifen, falls
sich diese Erwartungen erfüllten.
[2][Unter den aktuellen, „sehr ungewissen“ Bedingungen] wolle der EZB-Rat
in der Geldpolitik flexibel bleiben, sagte sie. Wie zu Beginn der Pandemie
sei man bereit, „jederzeit und unverzüglich“ auf Herausforderungen zu
reagieren. Aufgrund der verfügbaren Daten habe sich der Rat aber
entschlossen, die Staatsanleihenkäufe sukzessiv zu verringern und
schließlich im dritten Quartal ganz einzustellen. Erst „einige Zeit“ nach
dem Ende der Anleihenkäufe werde die EZB es in Betracht ziehen, den
Leitzins zu erhöhen. „Einige Zeit“ könne eine Woche, aber auch mehrere
Monate bedeuten.
Die EZB kauft Anleihen, um bei bereits extrem niedrigen Zinsen die
Wirtschaft noch weiter anzukurbeln. [3][Sie darf zwar Staaten nicht direkt
ihre Anleihen abkaufen], kann sie aber auf den Märkten von denjenigen
einkaufen, die sie bereits erworben haben. Dadurch ist faktisch garantiert,
dass Käufer Abnehmer für ihre Anleihen finden, sodass diese ein weniger
großes Risiko darstellen. Staaten können ihre Anleihen so zu geringeren
Zinsen loswerden. Wenn die EZB ihre Anleihenkäufe einstellt, haben diese
Staaten weniger Möglichkeiten, neues Geld zu vertretbaren Bedingungen
aufzunehmen. Mit dem Herunterfahren des Kaufprogramms will die EZB
erreichen, dass weniger Geld in Umlauf kommt. Das soll die Inflation
begrenzen.
Weil die Inflation in Europa aber nicht primär durch eine zu große
Geldmenge getrieben wird, sondern vor allem durch die explodierenden
Energiepreise, ist gar nicht sicher, dass weniger Geld tatsächlich den
gewünschten Effekt hätte. Nicht wenige Ökonomen warnen davor, dass
steigende Zinsen – die der nächste logische Schritt wären – die Wirtschaft
bremsen und damit letztlich Arbeitsplätze kosten könnten. Vor dem
russischen Angriff auf die Ukraine war etwa die EU-Komission von einem
Wirtschaftswachstum von 4 Prozent in den Mitgliedsländern ausgegangen. Erst
am Donnerstag kündigte aber etwa der Internationale Währungsfonds an, seine
Prognose „deutlich“ zu senken.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW hatte allerdings
kürzlich ein anderes Argument ins Spiel gebracht: Die Expert:innen haben
in einer Studie berechnet, dass eine Erhöhung des Leitzinses um 0,25
Prozentpunkte die Energiepreise um zwei bis vier Prozent senken könnte. Der
Hintergrund: Höhere Zinsen stabilisieren die Währung, und ein teurerer Euro
bedeutet, dass man sich für einen Euro mehr Dollar kaufen kann. Und weil Öl
in Dollar gehandelt wird, ließe sich so mit einem Euro dementsprechend mehr
Öl kaufen.
In jedem Fall befindet sich die EZB in einem Zielkonflikt. Höhere Zinsen
werden die Inflation teilweise begrenzen, aber auch Investitionen und so
die Wirtschaft bremsen.
14 Apr 2022
## LINKS
[1] /Geldpolitik-der-US-Zentralbank/!5809579
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## AUTOREN
Jonas Waack
## TAGS
Inflation
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Wirtschaft
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Wolodymyr Selenskij
Bruttoinlandsprodukt
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