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# taz.de -- Chemiewaffen in der Ukraine: Verdacht in Mariupol
> In der ostukrainischen Stadt gibt es unbestätigte Berichte vom Einsatz
> chemischer Kampfstoffe. Die Situation der Menschen vor Ort ist
> katastrophal.
Bild: Militärfahrzeuge prorussischer Separatisten in Mariupol am 7. April
Berlin taz | Die ukrainische Hafenstadt Mariupol ist weiter umkämpft. Doch
noch immer haben es die russischen Truppen und die von ihnen gesteuerten
ostukrainischen Separatisten, die Mariupol aus der Luft, mit Raketen und
Artillerie beschießen, nicht geschafft, die Stadt einzunehmen, berichtet
das ukrainische Portal gordonua.com. Ein Teil der Stadt werde vom
ukrainischen Militär, ein anderer Teil von den russischen Besatzern
kontrolliert, so gordonua.com.
Russische Medien berichten indes, dass die Stadt mittlerweile weitgehend in
den Händen der Separatisten und russischen Truppen sei. Inzwischen sei auch
der Hafen von Mariupol in der Hand der Aufständischen, berichtet der Chef
der „Volksrepublik“ Donezk, Denis Puschilin, im halbstaatlichen russischen
TV-Sender Erster Kanal. Widerstand gebe es nur noch auf dem Gelände von
Fabriken. Und nach Angaben des tschetschenischen Republikchefs Ramsan
Kadyrow, so die gazeta.ru, seien derzeit bereits 98 Prozent der Stadt in
russischer Hand.
Gleichzeitig spielt sich für die Zivilbevölkerung eine humanitäre
Katastrophe ab. Noch immer leben in der Stadt, wo vor dem Krieg über
400.000 Menschen gelebt hatten, nach Angaben des Bürgermeisteramtes 130.000
Menschen. Und sie haben weder fließendes Wasser noch Strom, Mobilfunk,
Internet oder Lebensmittel.
Etwa drei Wochen lang – bis zum 14. März – konnten aufgrund des ständigen
russischen Beschusses keine Evakuierungen aus der Stadt durchgeführt
werden. Danach wurden immer wieder Korridore geöffnet, über die die
Bewohner die Stadt in Privatfahrzeugen verlassen durften. Mehr als 10.000
Zivilisten sollen nach Angaben von Bürgermeister Vadym Boytschenko
inzwischen getötet worden sein, 31.000 Menschen wurden zudem von den Russen
in die von den Separatisten kontrollierten Gebiete oder nach Russland
deportiert.
## „Maulwürfe ausräuchern“
Unterdessen beschuldigt das rechtsextreme ukrainische Regiment Asow die
russischen Besatzer und die Separatisten, in Mariupol Chemiewaffen
eingesetzt zu haben. Am Montag Abend veröffentlichte der Mitbegründer von
Asow, Andrij Bilezkij, auf Telegram ein Video, in dem er über den Einsatz
von Chemiewaffen durch die Besatzer berichtete. Um was für Chemiewaffen es
sich handeln könnte, sagte er nicht. „Drei Personen haben deutliche
Anzeichen einer Vergiftung durch chemische Kampfstoffe, jedoch ohne
katastrophale Folgen“ so Bilezkij. Dieser „feige Einsatz von Waffen“ zeig…
dass die Besatzer nicht in der Lage seien, Mariupol einzunehmen.
Wenige Stunden zuvor hatte Eduard Basurin, ein Kommandeur der Donezker
Separatisten, im russischen Fernsehsender Erster Kanal einem
Chemiewaffeneinsatz auf dem Fabrikgelände des Werkes Asowstal in Mariupol
das Wort geredet. Da es dort unterirdische Stockwerke gebe, so Basurin,
mache es keinen Sinn, die Anlage zu stürmen. Zunächst einmal müsste die
Anlage eingekesselt werden. „Und dann müssen wir die chemischen Einheiten
anfordern.“ Und diese „werden schon wissen, wie sie die Maulwürfe aus ihren
Löchern ausräuchern“, so Basurin.
Auf dem Asowstal-Gelände hätten sich laut Basurin zwischen 3.000 und 4.000
Asow-Kämpfer verschanzt. Sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe bestritten
die Separatisten der „Volksrepublik“ Donezk, dass sie in Mariupol
Chemiewaffen eingesetzt hätten. Das meldet die russische Nachrichtenagentur
Interfax unter Berufung auf Kommandeur Basurin. Die ukrainische Führung
prüft nach Angaben der stellvertretenden Verteidigungsministerin Hanna
Maljar derzeit Nachrichten über den Einsatz chemischer Kampfstoffe beim
Versuch, die eingekesselte Stadt vollends einzunehmen. „Es gibt eine
Theorie, dass es sich um Phosphormunition handeln könnte“, sagt Maljar im
Fernsehen. Mehr ließe sich derzeit jedoch nicht sagen.
Auch international schlägt der mutmaßliche Einsatz von Chemiewaffen hohe
Wellen. Die britische Außenministerin Liz Truss hat bereits erklärt, dass
London gemeinsam mit westlichen Partnern Informationen über einen möglichen
Einsatz von Chemiewaffen in Mariupol überprüfen wird. Auch das Pentagon
will alle weiteren Informationen aufmerksam verfolgen. Die Angst vor einem
Einsatz von Massenvernichtungswaffen steigt in der ukrainischen
Bevölkerung. Mittlerweile sei Jod in den allermeisten Apotheken
ausverkauft, berichtet das Portal strana.news.
Auch mehren sich Berichte über Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt gegen
ukrainische Zivilisten. Die Frauenrechtsorganisation UN Women fordert
dringend unabhängige Untersuchungen.
12 Apr 2022
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Mariupol
Russland
Chemiewaffen
Wladimir Putin
Kolumne Krieg und Frieden
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