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# taz.de -- Tote Zivilisten im Ukraine-Krieg: Die Trümmer-Toten von Borodjanka
> Auch im Kiewer Vorort Borodjanka wurden Leichen auf den Straßen gefunden.
> Russische Besatzer verboten hier außerdem, Verschüttete zu bergen.
Bild: Zerstörtes Wohnhaus in Borodjanka, 7. April 2022
Noch vor einer Woche waren hier die russischen Streitkräfte. Jetzt kann
alle Welt sehen, was sie zurückgelassen haben. Die Kleinstadt Borodjanka im
Kiewer Umland, in der vor dem Krieg 12.000 Menschen lebten, ist praktisch
komplett zerstört. Kein einziges Gebäude ist heil geblieben. Die Menschen,
die während der einmonatigen russischen Besatzung in Borodjanka geblieben
waren, wissen nicht, mit was sie diese Zeit vergleichen sollen – außer mit
der Hölle.
Borodjanka ist eine der zahlreichen Ortschaften nahe Kiew, die die
russische Armee mit 250 Kilo schweren Luftminen angegriffen hat.
Bombenflugzeuge warfen ihre Fracht auf Wohnhäuser ab, drehten eine Runde
und bombardierten ein zweites Mal. Strategisch kann diese Brutalität nicht
begründet werden. Denn es gab im Ort kein einziges Militärobjekt. Nur
Häuser, Schulen, Kindergärten, Kulturzentren und Geschäfte.
Die Generalstaatsanwältin der Ukraine, Irina Wenediktowa, sagt, dass in
Borodjanka [1][viel mehr Zivilisten ums Leben gekommen sind als in
Butscha]. Aber hier wurden sie anders getötet: Man hat sie bei lebendigem
Leibe begraben.
Als die Luftminen auf mehrstöckige Wohnhäuser abgeworfen wurden, hatten
sich die meisten Menschen in deren Kellern versteckt. Nach der Explosion
fielen die Gebäude wie Kartenhäuser zusammen, die Menschen blieben unter
den Trümmern. Die Besatzer ließen keine Helfer zum Ort der Katastrophe
durch. Die Luftangriffe begannen Ende Februar und erst am 7. April konnte
man anfangen, die Trümmer wegzuräumen. Am ersten Tag wurden 27 Leichen
gefunden. Wie viele noch unter den Trümmern liegen, kann niemand mit
Sicherheit sagen.
Auf der Hauptstraße von Borodjanka stehen drei Hochhäuser nebeneinander. In
zweien von ihnen klaffen genau in der Mitte riesige Löcher. Alle Stockwerke
vom Erdgeschoss bis zum Dach bilden einen einzigen großen Schutthaufen. Die
Chance, dort noch Menschen lebend zu bergen, ist gleich null.
Einer der Anwohner, dessen in der Nähe liegendes Haus ebenfalls durch die
Explosion zerstört wurde, sagte, dass die Häuser nach dem Angriff noch zwei
Tage gebrannt hätten. Niemand habe sie gelöscht. Und auf die, die den unter
den Trümmern begrabenen Menschen helfen wollten, hätten die russischen
Soldaten geschossen. Praktisch hinter jedem Haus in Borodjanka findet man
frische Gräber. So haben die Menschen [2][ihre verstorbenen Angehörigen,
Freunde und Nachbarn begraben].
Wenn man all dies sieht, kann man einfach nicht begreifen, warum das
geschieht. Was sind das für Menschen, die zu so etwas in der Lage sind? Was
hat der Pilot des Flugzeugs, das die Bomben abgeworfen hat, gefühlt, wo er
doch wusste, dass er auf Zivilbevölkerung schoss?
Beim Abzug haben die russischen Soldaten ihr Beutegut mitgenommen:
Waschmaschinen, Kühlschränke, Fernseher, Mikrowellengeräte und sogar
Kochtöpfe. Ist das wirklich all das Blut an ihren Händen wert? Ist dieses
Böse wirklich so banal, wie Hannah Arendt geschrieben hat?
Aus dem Russischen [3][Gaby Coldewey]
Finanziert wird das Projekt durch die [4][taz Panter Stiftung]
14 Apr 2022
## LINKS
[1] /Nach-dem-Massaker-in-Butscha/!5843396
[2] http://Zwischen%20Minen%20und%20Toten
[3] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[4] /!p4550/
## AUTOREN
Anastasia Magasowa
## TAGS
Kolumne Krieg und Frieden
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kyjiw
Luftangriffe
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