# taz.de -- Österreichs Kanzler bei Putin: Nehammers Alleingang | |
> Der österreichische Kanzler reist von Kiew nach Moskau, um den Frieden | |
> zwischen Russland und Ukraine einzufädeln. Was verspricht er sich davon? | |
Bild: Am Samstag in Kiew, am Montag in Russland: Österreichs Kanzler Karl Neha… | |
WIEN taz | Zwei Tage nach seinem Solidaritätsbesuch in der Ukraine ist | |
Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Montag bei Wladimir Putin | |
in Moskau zu Gast. Nehammer sieht sich als „redlicher Makler“. Der | |
ehemalige Berufssoldat will seinem Gegenüber militärische Zugeständnisse | |
wie einen humanitären Korridor zur Evakuierung von Zivilisten aus dem Osten | |
der Ukraine abringen und direkte Gespräche zwischen Putin und Selenski | |
anbahnen. | |
Außerdem werde er [1][die Kriegsverbrechen] ansprechen, deren Spuren er am | |
Wochenende in Butscha selbst vorgeführt bekam. „Die Initiative ist von mir | |
ausgegangen“, gab Nehammer am Sonntag zu, nachdem die BILD-Zeitung die | |
Sperrfrist für seine in einem Hintergrundgespräch angekündigte Initiative | |
missachtet hatte. Seine Pläne seien mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula | |
von der Leyen und dem deutschen Kanzler Olaf Scholz abgestimmt. Auch der | |
ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sei informiert und einverstanden. | |
Ungeteilte Zustimmung gab es in der Ukraine aber nicht. Die BILD zitiert | |
einen anonymen Diplomaten: „Was für eine Selbstüberschätzung des | |
österreichischen Kanzlers, dass er ernsthaft glaubt, die Reise hätte zum | |
jetzigen Zeitpunkt irgendeinen Sinn, nachdem Putin gezeigt hat, was für ein | |
brutaler Kriegsverbrecher er ist.“ | |
Nicht informiert war der Koalitionspartner in Wien. Entsprechend | |
zurückhaltend äußerte sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): „Unter der | |
Voraussetzung, dass der Besuch des Kanzlers innerhalb der Europäischen | |
Union abgestimmt ist, könnte es einen Versuch wert sein“, hieß es in einem | |
knappen Kommuniqué. Zurückhaltend kritisch reagiert auch die SPÖ. „Dem | |
Kanzler ist hoffentlich bewusst, dass das Risiko auch für den | |
außenpolitischen Ruf Österreichs hoch ist“, warnte Jörg Leichtfried, der | |
stellvertretende Fraktionschef: „Am Ende des Tages zählt, welches Ergebnis | |
bei diesem Gespräch herauskommt.“ | |
## Kritik in Österreich | |
Kein gutes Haar an der Initiative ließ FPÖ-Chef und Putin-Versteher Herbert | |
Kickl: „Erst die Sanktions-Einpeitscherei, dann das überfallartige | |
Ramponieren der Neutralität, dann die mit der Neutralität in Widerspruch | |
stehenden Solidaritätsbesuche bei Selenski und Klitschko – und jetzt geht’s | |
plötzlich nach Moskau.“ | |
Auf ein Wunder hofft Nehammer nicht, aber „am besten gar nichts tun ist | |
nicht mein Zugang.“ Er sieht sich als „Brückenbauer“ und er wolle nichts | |
unversucht lassen, „dass es aufhört.“ Der bekannte Politologe und | |
Russlandkenner Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck hält die | |
Mission nicht für klug, wie er Sonntagabend in der Sendung „Zeit im Bild 2“ | |
im ORF erklärte. | |
„In Moskau will keiner über einen Waffenstillstand reden oder auch nur | |
denken“, so Mangott. „Es ist schwer nachvollziehbar, was sich der Kanzler | |
von dieser Reise erwartet. Er hat nicht die Macht über die Bilder.“ Putin | |
werde den Besuch für seine Propaganda nutzen, um zu signalisieren: „Ich bin | |
nicht isoliert, es gibt Länder im Westen, die mit uns kooperieren.“ | |
Entsprechende Vorsichtsmaßnahmen sind getroffen. Das für 14 Uhr nach | |
mitteleuropäischer Zeit geplante Gespräch findet nicht am berühmten weißen | |
Tisch im Kreml statt, sondern in Putins Privatresidenz. Außer einem Foto | |
soll es keine Bilder geben. Vor die Presse tritt Nehammer anschließend | |
allein in der österreichischen Botschaft. | |
11 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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