| # taz.de -- Twitter-Verkauf an Elon Musk: Hat es sich jetzt ausgezwitschert? | |
| > Es herrscht große Aufregung in der digitalen Gesellschaft und Wirtschaft, | |
| > denn es scheint sicher: Elon Musk kauft wohl Twitter. Aber warum | |
| > eigentlich? | |
| Bild: Der Unternehmer Elon Musk will twitter neues Leben einhauchen | |
| Multimillionär und Tesla-Chef Elon Musk kann für rund 44 Milliarden Dollar | |
| Twitter kaufen. Doch was will er damit? Und was können Nutzer*innen und | |
| Mitarbeiter*innen des Netzwerkes erwarten? Wir suchen Antworten auf | |
| die drängendsten Fragen | |
| ## Was will Elon Musk überhaupt mit Twitter? | |
| Seit Montagabend steht fest: [1][Elon Musk übernimmt Twitter]. Die | |
| Kaufverhandlungen waren erst in der Nacht zu Montag gestartet. Vergangene | |
| Woche standen die Chancen für Musk noch schlecht, nun konnte er aber dem | |
| wenig erfolgreichen Kurznachrichtendienst eine belastbare | |
| Finanzierungszusage machen. Im Silicon Valley steht Musk für einen neuen | |
| Typus von CEO, der anders sein will, nicht einfach ein reiner | |
| Unternehmenslenker, der gute Zahlen abliefert. Er will nichts Geringeres | |
| als den öffentlichen Diskurs beeinflussen, und da bietet ihm Twitter die | |
| perfekte Plattform, denn er liebt die Selbstdarstellung. Konkrete Pläne hat | |
| Musk noch nicht öffentlich vorgelegt, er ließ aber bereits durchblicken, | |
| dass er Twitter von der Börse nehmen und dem Vorstand kein Gehalt mehr | |
| bezahlen wolle. Es gehe ihm nicht darum, mit Twitter viel Geld zu | |
| verdienen, sondern um „Meinungsfreiheit“. | |
| ## Woher kommen die 44 Milliarden Dollar? | |
| „Reichster Mann der Welt“ klingt zwar toll, aber Musk kann nicht einfach | |
| auf seine 259 Milliarden Dollar zugreifen. So reich ist er nur, weil seine | |
| Aktien – vor allem seine Anteile an Tesla – so viel wert sind. Würde er die | |
| 44 Milliarden Dollar Kaufpreis aus verkauften Aktien finanzieren wollen, | |
| würde deren Wert rapide fallen. Stattdessen nutzt Musk seine Anteile, um | |
| Kredite abzusichern, mit denen er wiederum den Anteilseigner*innen | |
| ihre Aktien für 54,20 Dollar pro Stück abkauft – was für die ein enormer | |
| Gewinn ist. Musk selbst setzt also einen beträchtlichen Teil seines | |
| Vermögens aufs Spiel, um Twitter zu kaufen. Darlehen im Wert von 13 | |
| Milliarden Dollar sollen aus den Gewinnen von Twitter gedeckt werden. Und | |
| 21 Milliarden Dollar steuert Musk aus seinem Privatvermögen bei. Für diesen | |
| Anteil könnte er jedoch noch versuchen, Mitinvestor*innen zu finden. | |
| ## Was passiert mit den Schulden von Twitter? | |
| Sie werden viel größer. Zwar muss Musk die bestehenden 4 Milliarden Dollar | |
| Darlehen beim Kauf zurückzahlen. Aber dadurch, dass er einen Teil des | |
| Kaufpreises mit Krediten finanziert, die aus den Gewinnen von Twitter | |
| bedient werden sollen, steigt die Schuldenlast auf dem Unternehmen enorm: | |
| Mehr als zwei Drittel des Gewinns vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen | |
| müsste Twitter für die Zinszahlungen aufbringen. Das bedeutet ein großes | |
| Risiko, denn wenn das Unternehmen aufgrund von Fehlentscheidungen oder | |
| Marktentwicklungen weniger verdient, kann es schnell in die | |
| Zahlungsunfähigkeit rutschen. | |
| ## Wie geht es jetzt für die Mitarbeitenden weiter? | |
| Nochkonzernchef Parag Agrawal hatte sich am Montagnachmittag mit einem Teil | |
| der rund 7.500 Twitter-Angestellten getroffen, um sie zu informieren. | |
| Teilnehmende berichten, dass es keine Entlassungen geben solle, die | |
| künftige Ausrichtung des Unternehmens aber unklar sei. Viele befürchten | |
| trotz allem den Verlust ihres Arbeitsplatzes oder dass das Unternehmen | |
| seinen Firmensitz nach Texas verlagern könnte. Dies hatte Musk bereits mit | |
| seinem Unternehmen Tesla so gemacht. In der Vergangenheit hatte Musk schon | |
| verschiedene Ideen geäußert: den Firmensitz in San Francisco dichtmachen, | |
| Mitarbeitende entlassen und den Vorständen kein Gehalt mehr zahlen. | |
| Dahinter verbergen sich sicherlich Sparmaßnahmen, doch es zeigt auch, wie | |
| wenig er vom derzeitigen Vorstand hält. Eins ist allerdings ziemlich | |
| sicher: Der jetzige Vorstandschef Parag Agrawal wird gehen müssen. Dass er | |
| ihm nicht vertraue, hatte Musk bereits mehrmals öffentlich erklärt. | |
| ## Was können die Nutzer*innen erwarten? | |
| Musk hatte in den vergangenen Wochen mit seinen Tweets Unmengen an Fragen | |
| aufgeworfen. Immer wieder betont er, dass er Twitter zu einer globalen | |
| Plattform für Redefreiheit umbauen will. Dazu möchte er bestehende | |
| Moderationsrichtlinien, die Gewaltandrohung, Belästigung oder das Spamming | |
| verbieten, abschaffen. Außerdem will er den Algorithmus offenlegen. Er | |
| sieht Twitter als „Marktplatz“ an, auf dem jeder seine Meinung frei sagen | |
| dürfe. Was Musk dabei ignoriert: Zwar gibt es in den USA keine so strengen | |
| Gesetze wie hier in Deutschland, aber auch Plattformen wie Twitter dürfen | |
| nicht einfach tun und lassen, was sie wollen. Trotz allem befürchten viele | |
| nun eine einseitige Einflussnahme sowie zu wenig Regulierung von | |
| Hassnachrichten und Desinformation. | |
| ## Muss Twitter jetzt die Börse verlassen? | |
| Genau das wird Musk tun: Er kauft den Aktienbesitzer*innen ihre | |
| Anteile am Unternehmen Twitter ab, damit sie nicht mehr öffentlich an der | |
| Börse ge- und verkauft werden können. Dadurch kann Twitter wichtige | |
| Informationen geheim halten. Börsennotierte Unternehmen müssen | |
| veröffentlichen, wie viel Geld sie im Quartal verdient und verloren haben, | |
| wie verschuldet sie sind und welchen Personalwechsel in der Führungsebene | |
| sie vornehmen. Wenn Musk Twitter von der Börse nimmt, werden zwar Zeit und | |
| Ressourcen für Innovationen frei; die Öffentlichkeit kann aber auch nicht | |
| mehr in die Chef*innenetage des von Musk als „digitalen Dorfplatz“ | |
| bezeichneten Mediums schauen. | |
| ## Was hält die US-Regierung von dem Ganzen? | |
| Bislang hat sie sich nicht öffentlich geäußert. Am Montagabend wies die | |
| Sprecherin des Weißen Hauses jedoch in einer Erklärung auf die Gefahr von | |
| Fake News in sozialen Netzwerken wie Twitter hin. Präsident Biden sei seit | |
| Langem über die Verbreitung von Desinformationen zu politischen Themen und | |
| der Pandemie besorgt. Das Weiße Haus setze sich weiterhin für die Aufhebung | |
| von Section 230 ein, ein Gesetz in dem festgeschrieben ist, dass Firmen wie | |
| Twitter nicht für Inhalte haften, die User auf ihrer Seite veröffentlichen. | |
| ## Kehrt Donald Trump nun zu Twitter zurück? | |
| Zwei Tage nach dem Sturm auf das US-Kapitol im Januar 2021 gab Twitter | |
| bekannt, [2][den Account des ehemaligen US-Präsidenten wegen des Risikos | |
| einer weiteren Anstiftung zur Gewalt zu sperren]. Stets wurde betont, es | |
| gebe keinen Weg zurück für ihn zu Twitter. Mit Musk an der Spitze könnte | |
| das nun anders aussehen, doch Trump will gar nicht zurück. Gegenüber dem | |
| US-Sender Fox News sagte er erneut, selbst wenn sein Konto reaktiviert | |
| werde, würde er nicht zurückkommen. Musk sei zwar „ein guter Mann“, der | |
| Twitter verbessern werde, doch er bevorzuge, auf seiner [3][eigenen | |
| Plattform, Truth Social], zu bleiben. | |
| ## Müssen wir jetzt alle zu Mastodon? | |
| Erste Nutzer*innen drohen nun, Twitter zu verlassen. Da Facebook und | |
| Instagram [4][aus bekannten Gründen] keine Alternativen sind, wird aktuell | |
| wieder vermehrt über Mastodon gesprochen. Was klingt wie ein Medikament, | |
| ist ein Open-Source-Netzwerk, das 2016 in Deutschland gegründet wurde. Die | |
| Nutzeroberfläche ähnelt der von Twitter: Es gibt eine Timeline mit den | |
| Beiträgen („Tröt“ oder „Toot“) der Nutzer*innen, denen man folgt. Die | |
| Beiträge lassen sich retweeten („boosten“) und liken, Direct Messages gibt | |
| es auch. Doch ansonsten ist hier vieles anders: Es gibt keine Werbung, | |
| keine durch Algorithmen sortierte Timeline, und das Netzwerk ist dezentral | |
| organisiert. Heißt: Es ist im Fediverse-Universum angesiedelt und wird über | |
| Tausende kooperierende Server organisiert. Die Nutzung des Netzwerks ist | |
| etwas komplizierter, aber Twitter hat am Anfang ja auch niemand verstanden, | |
| oder? | |
| 26 Apr 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Malaika Rivuzumwami | |
| Carolina Schwarz | |
| Ruth Lang Fuentes | |
| Jonas Waack | |
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