# taz.de -- Libyen kommt nicht zur Ruhe: Ein neuer Stellvertreterkrieg droht | |
> General Haftar unterhält in Ostlibyen mit Unterstützung Moskaus erneut | |
> eine rivalisierende Regierung. Nun legt er den Ölexport lahm. | |
Bild: Es geht auch um die Kontrolle des Öls: Libyens größte Raffinerie Azzaw… | |
BERLIN taz | In Libyen droht der Konflikt zwischen den rivalisierenden | |
Premierministern in einen neuen Krieg zu eskalieren. Nachdem Bewaffnete am | |
Montag zwei Ölhäfen besetzt hatten, verfügte die staatliche Ölgesellschaft | |
NOC einen Exportstopp wegen „Force majeure“ (höhere Gewalt). | |
Viele Libyer sehen darin das erste Anzeichen für den nächsten | |
internationalen Stellvertreterkrieg in Afrikas ölreichstem Land. Seit dem | |
Wochenende ist die Ölförderung in immer mehr Orten unter dem Druck von | |
Bewaffneten eingestellt worden. | |
Es handelt sich um Ölquellen im Machtbereich des ostlibyschen Generals | |
Chalifa Haftar, der bereits 2019 bis 2020 Krieg gegen die Regierung in | |
Tripolis geführt hatte und nun erneut den Regierenden in der Hauptstadt den | |
Kampf ansagt. Er wird von Russland unterstützt. | |
Die Ausrufung von Force majeure entbindet nach internationalem | |
Wirtschaftsrecht Vertragspartner von der Einhaltung der Verträge. „Das gilt | |
bereits in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens und der Politik in | |
Libyen“, sagt Analyst Ayoob Sufian aus Zuwara und warnt: „Ich sehe derzeit | |
keine friedliche Lösung der Situation.“ | |
## Jetzt wieder zwei Premierminister | |
Seit Mitte Januar halten sich sowohl der Geschäftsmann Abdulhamid Dbaiba | |
als auch der ehemalige Innenminister Fathi Bashaga für die legitimen | |
Regierungschefs Libyens. Dbaiba wurde im Januar 2021 im Rahmen eines | |
UN-Verhandlungsprozesses in Genf für ein Jahr zum Übergangspremier ernannt. | |
Der 63-jährige Millionär sollte Wahlen vorbereiten, um Libyen eine neue, | |
vom vorherigen Bürgerkrieg unbeleckte Regierung zu geben. Doch nach der | |
Kandidatur von Warlord Haftar und Gaddafi-Sohn Seif al-Islam drohten | |
westlibysche Milizen mit der Stürmung der Wahlbüros. Wenige Tage vor dem | |
Wahltag 24. Dezember wurden die [1][Wahlen auf unbestimmte Zeit | |
verschoben]. | |
Dass Dbaiba dann als Übergangspremier im Amt blieb, lehnte das Haftar-Lager | |
im Osten des Landes ab und fand mit dem ehemaligen Innenminister Fathi | |
Bashaga einen Gegenpremier. Der Reifenhändler hatte sich als Minister mit | |
dem Milizenkartell in Tripolis angelegt und musste nach Drohungen fliehen. | |
Im Januar 2022 wählten ihn die Parlamentarier in Ostlibyen zum neuen | |
Premierminister. Die Umstände glichen einer Force majeure der | |
demokratischen Regeln: Bashagas Gegenkandidat wurde bei der Einreise | |
festgesetzt, nach kurzem Heben der Arme der nicht vollzähligen | |
Parlamentarier erklärte Parlamentspräsident Saleh kurzerhand die | |
einstimmige Wahl Bashagas, ohne die Stimmen zu zählen. | |
## Will der Kreml über Libyens Öl Europa unter Druck setzen? | |
„Ich werde diese Farce nicht anerkennen und mein Amt nur an einen vom Volk | |
gewählten Regierungschef abgeben“, kommentierte in Tripolis Dbaiba den Coup | |
in Ostlibyen. | |
So findet sich Libyen mit zwei konkurrierenden Regierungen wieder. | |
Beobachter wie Ayoob Sufyan glauben, dass der Kreml nun auf das Triumvirat | |
Haftar, Bashaga und Saleh setzt. | |
Mit deren Machtübernahme in Tripolis würde Russland gegenüber Europa ein | |
effektives energiepolitisches Druckmittel in die Hand bekommen – aus Libyen | |
wurde in den letzten Wochen vermehrt Rohöl nach Italien und in andere | |
europäische Länder verladen, die auf der Suche nach Alternativen zu | |
russischem Öl und Gas sind. | |
In Tripolis hat man den 18-monatigen Belagerungskrieg Haftars mit | |
zahlreichen Toten nicht vergessen und nimmt Bashaga übel, mit einem | |
Kriegsverbrecher zu paktieren. Offiziere Haftars bestätigten am Mittwoch | |
der taz, dass die Befehlszentrale des Generals in Gaddafis ehemaliger | |
Heimatstadt Sirte reaktiviert worden sei. | |
## Patrouillen russischer Wagner-Söldner | |
Von dort hatte Haftar 2019 seine Offensive auf Tripolis organisiert. Jetzt | |
berichten Bewohner der Stadt erneut von verstärkten Patrouillen | |
osteuropäischer [2][Wagner-Söldner]. Auf die Scharfschützen und | |
Sprengstoffexperten der russischen Wagner-Gruppe konnte sich Haftar bereits | |
während des Krieges verlassen. | |
Eigentlich wird der in Libyen geltende Waffenstillstand von der „5 plus | |
5“-Kommission überwacht, in der jeweils fünf Offiziere der beiden | |
Kriegsgegner Eskalationen bisher erfolgreich verhindern konnten. | |
Doch Mitte April verließen die Vertreter Haftars das von der UNO | |
geschaffene Format. Sie protestierten damit gegen die Weigerung der Milizen | |
in Tripolis, Bashaga in die Stadt zu lassen. | |
21 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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