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# taz.de -- Berliner Ostermärsche: Kein Frieden um den Frieden
> Neben dem Ostermarsch gab es eine Alternativ-Veranstaltung. Die Ansichten
> zum Krieg und den Lösungsmöglichkeiten sind unterschiedlich.
Bild: Traditioneller Ostermarsch
Berlin taz | Der traditionelle seit den 1960er Jahren existierende
[1][Ostermarsch] hat am Samstag trotz des Krieges in der Ukraine kaum mehr
Menschen mobilisiert als in den vergangenen Jahren. Etwa 1.200 Menschen,
etwa 200 mehr als im Vorjahr, beteiligten sich an dem Aufzug durch
Neukölln; die Veranstalter der Friedenskooperative sprachen von einer
„moderaten“ Steigerung.
Auf die Straße gegangen waren Friedensorganisationen, kommunistische und
antiimperialistische Gruppen, darunter auch türkische und chilenische
Parteien, zumeist in kleinen Blöcken von einer Handvoll bis einigen Dutzend
Teilnehmer:innen. Auch Coronaleugner:innen wie die Gruppe „Freie
Linke“, die ansonsten Seit' an Seit' mit rechten Gruppen demonstrieren,
waren vertreten.
Auf Schildern und Transparenten sprachen sich die Demonstrant:innen
gegen „imperialistische Kriege“ aus oder reaktivierten den alten Spruch
„Schwerter zu Pflugscharen“. Im verlesenen Aufruf der Friedenskooperative
wurde an den „Willen Russlands und der Ukraine“ appelliert, „Verhandlungen
mit Kompromissbereitschaft von beiden Seiten aus zu führen, die
vernünftigerweise eine neutrale Ukraine zur Folge haben müssten“. Die
Verurteilung des russischen Angriffs war deutlich weniger präsent als jene
der Nato.
Dass die seit Jahren vor sich hindümpelnde organisierte Friedensbewegung
damit selbst im erweiterten linken Spektrum die Diskurshoheit verloren hat,
zeigte sich an einer parallel stattfindenden Demonstration durch Mitte, die
die Veranstalter:innen als alternativen Ostermarsch bezeichneten, die
aber gleichwohl der antimilitaristischen Tradition der Ostermärsche in
keiner Weise entsprach.
Organisiert von der Syrien-Kampagne Adopt a Revolution sowie ukrainischen
und syrischen Gruppen forderten bis zu 1.000 Menschen deutlich mehr
praktische Unterstützung für die Ukraine, also etwa die „Bereitstellung von
schweren Waffen“ für ihre Armee. Wehte auf dem Marsch der
Traditionalist:innen keine einzige Nationalflagge, waren auf dem
Bebelplatz die blau-gelben Ukraineflaggen omnipräsent.
Laut Ferdinand Dürr von Adopt a Revolution wollte man „den Stimmen von
Kriegsopfern Gehör verschaffen“ und sich gegen das „Denken in Blöcken“ …
traditionellen Ostermarsches positionieren – Nato-Kritik gab es demzufolge
keine. „Fundamentalistischer Pazifismus kann keine Lösung sein, um Kriege
von Aggressoren aufzuhalten“, so Dörr. Dieser würde dazu führen, dass sich
die Angegriffenen einer diktatorischen Herrschaft ergeben müssten, „ihre
Freiheit und ihre Menschenrechte aufgeben“.
## Auch die Kirche ist uneins
Unterstützung bekam diese Positionierung von der evangelischen Berliner
Pröpstin Christina-Maria Bammel. Wer jetzt wie die Vertreterinnen und
Vertreter der Friedensbewegung fordere, keine Waffen an die Ukraine zu
liefern, „weil wir Gewaltfreiheit wollen, kann das eigentlich nicht ernst
meinen“, sagte Bammel. Gewaltfreiheit könnten nur diejenigen einfordern,
die von Gewalt betroffen seien. Die Stellvertreterin von Bischof Christian
Stäblein betonte das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung: „Und weil es
dieses Recht gibt, müssen wir die Ukraine dabei unterstützen.“
Bammels Abkehr von einer pazifistischen Positionierung der Kirche, die seit
Jahrzehnten Teil der Ostermarschbewegung war, blieb allerdings nicht
unwidersprochen. Die ehemalige Vorsitzende der Evangelischen Kirche in
Deutschland, Margot Käßmann, sagte dem Sender NDR Info, es sei nicht
gerecht, Menschen, die sich seit Jahrzehnten für Frieden einsetzten,
vorzuwerfen, sie stünden auf der Seite Russlands. Mehr Waffenlieferungen
würden auch aus ihrer Sicht nicht zu einem Ende des Krieges führen. Im
Gegenteil: Er könnte sogar weiter eskalieren. (mit epd)
18 Apr 2022
## LINKS
[1] /Ostermaersche-in-Berlin/!5844922
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Ostermärsche
Friedensbewegung
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Janine Wissler
Ukraine
Ostermärsche
Hamburg
Ukraine
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