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# taz.de -- Die Ampelkoalition in der Krise: Der ohnmächtige Kanzler
> Die Impfpflicht endete für Olaf Scholz in einem Desaster. Das kann sich
> beim 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr wiederholen. Und dann?
Bild: Erscheint eher als Chaoskanzler, dem alles entgleitet: Olaf Scholz am Mit…
Kanzler Scholz will keine schweren Waffen an Kiew liefern, Außenministerin
[1][Annalena Baerbock fordert genau das]. Die Impfpflicht, die die
Ampelmehrheit wollte, ist kläglich gescheitert. Es knarrt und knirscht, es
rumpelt und ächzt in der Ampel. Die Zentrifugalkräfte nehmen zu, das
Machtzentrum scheint gelähmt. Treuherzig, wer das noch für die üblichen
Startschwierigkeiten einer neuen Regierung hält. Für die Krise gibt es
einen erwartbaren Grund – und einen sehr verblüffenden.
Wenig überraschend ist, dass die FDP der Problembär in dem Trio ist. Sie
kann nur Nein sagen – zu [2][Tempolimit], Steuererhöhungen, Impfpflicht.
Die Liberalen agieren wie eine Oppositionspartei, die ein Zufall an die
Macht katapuliert hat und die nun nicht weiß, was sie damit anfangen soll.
Finanzminister Christian Lindner hat sich zwar zu der kreativen Buchführung
durchgerungen, die nötig ist, um den klimaneutralen Umbau zu stemmen.
Aber das Schulterklopfen von SPD, Grünen und auch der Wirtschaft nutzt der
FDP nichts auf dem Wählermarkt. Die Spitzen von SPD und Grünen behandeln
die FDP wie einen neurotischen Jugendlichen, dem man manchmal geben muss,
was er will – auch wenn es schädlicher Unfug ist. Deshalb durfte die FDP
[3][die Impfpflicht zerschießen]. Deshalb bekam Lindner den Tankrabatt
geschenkt, der teuer ist, SUV-Fahrer beglückt und ein Markteingriff ist,
mit dem die Liberalen den Ordoliberalismus verraten.
Das Grundproblem ist: Die FDP hat kein eigenes, identitätsstiftendes Thema.
Deshalb muss sie immer lauter Nein sagen. Deshalb ist mit der FDP nur
betreutes Regieren möglich. Der zweite Grund für die Krise ist
überraschend: Der Kanzler kann Machtpolitik nicht. Man konnte bei Scholz
mit erratischen Entscheidungen oder unwirschen Ansagen rechnen. Aber kaum
mit stolpernder Naivität in Machtfragen.
## Das beste Angebot auf dem Markt
Scholz hatte die Impfpflicht selbstbewusst angekündigt und den Weg dorthin
– ohne Fraktionszwang – gewiesen. Bestürzend war nicht nur die Niederlage,
sondern auch, wie blindlings die SPD-Spitze in sie hineintaumelte. Sie
hatte keine Ahnung, dass sie die Abstimmung verlieren würde. Baerbock wurde
eigens vom Nato-Gipfel in den Bundestag beordert, nur um dort
festzustellen, dass 80 Stimmen fehlten.
Scholz’ Strategie fußte auf dem Irrtum, dass die Union sich am Ende so
verhalten würde, wie es die SPD tut – im Zweifel staatstragend und gegen
das eigene Parteiinteresse. Faktisch hatte sich die SPD-Spitze somit
abhängig von dem politischen Kalkül von Friedrich Merz gemacht – und
schaute danach hilflos ihrem Untergang zu. Dieses Desaster kann sich bei
dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr wiederholen.
Auch hier hat der Kanzler weitsichtig die Weichen gestellt – und braucht
unbedingt eine wohlgesinnte Union. Mag sein, dass der Druck für Merz, Ja zu
sagen, stärker ist als bei der Impfpflicht. Doch erst mal gab es für das
[4][100-Milliarden-Paket] im Bundesrat bei einer Testabstimmung keine
Mehrheit, geschweige denn die für die Grundgesetzänderung nötige
Zweidrittelmehrheit. Die Ampel ist wieder auf den guten Willen der
Opposition angewiesen. Ein riskantes Spiel.
Wenn das Krisenmanagement der SPD wieder so „famos“ funktioniert wie bei
der Impfpflicht, ahnt man, wie es ausgehen wird. Scholz sieht sich als
Konsenskanzler, der präsidial den Überblick über das große Ganze hat. Jetzt
erscheint er eher als Chaoskanzler, dem alles entgleitet. Merkel regierte
mit Macht durch Moderation, bei Scholz sieht das eher wie Ohnmacht durch
Moderation aus. Machtpolitische Niederlagen sind für Scholz besonders
gefährlich.
Denn er hat keine Reserven, um Erfolglosigkeit auf diesem Feld zu
kompensieren. Er ist, so das Image, der Macher, der wortkarg wichtige
Entscheidungen fällt. Versagt er dort, bleibt nicht viel. Wünschenswert
wäre ein Ende der Ampel nicht. Sie ist auf dem Markt das beste Angebot. Ob
die Linkspartei je wieder aufersteht, ist mehr als zweifelhaft. Sozialen
Ausgleich, ökologischen Elan und liberale Gesellschaftspolitik kann man am
ehesten von einer SPD-geführten Ampel erwarten. Macht sie so weiter, wird
sie scheitern.
15 Apr 2022
## LINKS
[1] https://www.zeit.de/video/2022-04/6303586276001/annalena-baerbock-die-ukrai…
[2] /Energiesparen-gegen-Putin/!5836542
[3] /Nachrichten-in-der-Coronapandemie/!5848090
[4] /Bundestags-Sondersitzung-zur-Ukraine/!5835039
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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