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# taz.de -- Mutmaßliche russische Kriegsverbrechen: Wie jetzt ermittelt wird
> Russland bestreitet alle Vorwürfe, Zivilisten in Butscha erschossen zu
> haben. Die Ukraine kann mit dem Den Haager Chefermittler
> zusammenarbeiten.
Bild: Butscha am 4. April: Zwei Mitarbeiter der Kommune beseitigen Leichen von …
Freiburg taz | Selten lassen sich mutmaßliche Kriegsverbrechen so gut
untersuchen, wie die von der Ukraine angeprangerte Tötung von wohl
Dutzenden Zivilisten in der Kleinstadt [1][Butscha], nördlich von Kiew.
Derzeit sind keine Kampfhandlungen in der Stadt und die Ukraine hat die
Kontrolle von Butscha übernommen. In anderen Fällen dauert es oft Jahre,
bis Leichen aus Massengräbern exhumiert werden können.
Sollten abziehende russische Soldaten wirklich wahllos Zivilisten auf der
Straße erschossen haben, wäre das ein schweres Kriegsverbrechen. Von der
russischen Seite wird das natürlich bestritten. Sie behauptet, die Ukraine
habe Leichen zurechtgelegt, um falsche Anschuldigungen erheben zu können.
Manche Putin-Fans versteigen sich gar zum Vorwurf, die Ukrainer hätten die
Zivilisten nur für diesen Zweck selbst umgebracht. Der inzwischen oft
zitierte russische Journalist Alexander Kots meint, die Zivilisten seien
Sympathisanten der Russen gewesen (erkennbar an weißen Armbinden) und
deshalb vom ukrainischen „Volkssturm“ aus Rache ermordet worden.
Die Stadt Butscha ist noch Sperrgebiet, die Leichen können also sofort
untersucht werden: Wann sind die Menschen etwa getötet worden (vor oder
nach Abzug der russischen Armee)? Wann genau sind die Russen abgezogen? Mit
welcher Munition wurden die Zivilist:innen erschossen? Wer benutzt
solche Munition? Wie viele der Getöteten trugen weiße Armbinden und warum?
## Ermittlungsteam seit Anfang März in der Ukraine
Damit keine Zweifel an der Unabhängigkeit der Untersuchung aufkommen,
können die ukrainischen Behörden mit dem Chefankläger des Internationalen
Strafgerichtshofs (IStGH), dem Briten [2][Karim Khan], zusammenarbeiten. Er
hat schon Anfang März ein Ermittlungsteam in die Ukraine geschickt.
Khan und seine Vorgängerin Fatou Bensouda haben schon seit 2014
Voruntersuchungen zur Situation in der Ukraine durchgeführt. Anfang März
hat Khan auf Ersuchen von inzwischen 41 Staaten (inklusive Deutschlands)
offizielle Ermittlungen aufgenommen.
Es geht bei diesen Ermittlungen um Vorgänge auf der 2014 von Russland
annektierten Halbinsel Krim, um die Kämpfe um die separatistischen Gebiete
um Donezk und Luhansk in der Ostukraine, aber auch um die aktuellen
Verbrechen nach der russischen Invasion, die im Februar begann. Die
Untersuchung richtet sich bisher nicht nur gegen die russische Seite,
Präsident Wladimir Putin wird nicht einmal erwähnt. Khan und seine
Ermittler können also auch Vorwürfe gegen die ukrainische Armee prüfen,
etwa dass russische Kriegsgefangene gefoltert worden sein sollen.
## Die Mittel sind begrenzt
Khan räumt ein, dass seine Mittel begrenzt seien. Inständig bat er daher
die 123 Staaten, die den Den Haager Strafgerichtshof tragen, um mehr Geld
und die Abstellung von Personal. Anfang März hat Khan auch ein Webportal
eröffnet, mit dem Privatpersonen dem Ermittlungsteam Informationen, Fotos
und Videos zukommen lassen können.
Gewisse Tradition hat die Zusammenarbeit des Chefanklägers mit NGOs wie
Human Rights Watch. So kann die Den Haager Anklagebehörde von Kontakten und
Ortskenntnissen der Aktivist:innen profitieren. Allerdings haben auch
NGOs oft eine eigene Agenda, weshalb die Vorprüfungskammer des IStGH, die
über Haftbefehle und Anklagen entscheidet, sich nicht nur auf NGO-Material
verlassen will.
Für den Ukraine-Krieg kann Khan eines Tages auch auf Erkenntnisse einer
Untersuchungskommission zurückgreifen, die der UN-Menschenrechtsrat im
[3][März eingesetzt hat]. Die deutsche Bundesanwaltschaft in Karlsruhe
sammelt im Rahmen eines Strukturermittlungsverfahrens zwar auch
Informationen. Zu den Vorgängen in Butscha wird sie aber wohl nur dann
etwas beitragen können, wenn Zeug:innen oder Täter:innen nach
Deutschland flüchten und hier befragt werden können.
4 Apr 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Internationaler Strafgerichtshof
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