# taz.de -- Brandanschlag im Jahr 1991 in Saarlouis: Festnahme nach mehr als 30… | |
> Samuel Yeboah starb beim Anschlag auf eine Asylbewerberunterkunft. Nun | |
> wurde ein tatverdächtiger Rechtsextremist festgenommen. | |
Bild: 30 Jahre nach dem Brandanschlag: Demonstration in Saarlouis am 18. Septem… | |
SAARBRÜCKEN taz | Mehr als 30 Jahre nach einem tödlichen Brandanschlag auf | |
ein Asylbewerberwohnheim haben am frühen Montagmorgen Einsatzkräfte der | |
Polizei in Saarlouis einen dringend tatverdächtigen Rechtsextremisten | |
festgenommen. Die Bundesanwaltschaft, die die längst eingestellten | |
Ermittlungen vor zwei Jahren wieder aufgenommen hatte, wirft Peter S. | |
vollendeten [1][Mord an dem 27-jährigen Samuel Yeboah] und Mordversuch in | |
20 Fällen vor. | |
Aus rassistischer Gesinnung habe S. in der Nacht zum 19. 9. 1991 in der | |
Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis-Fraulautern aus einem Plastikkanister | |
Benzin im Treppenhaus ausgegossen und in Brand gesetzt, so begründet die | |
Behörde den Antrag auf Untersuchungshaft. In den Flammen war der damals | |
27-jährige anerkannte Asylbewerber aus Ghana ums Leben gekommen, zwei | |
andere Bewohner hatten sich nur retten können, indem sie aus dem Fenster | |
sprangen. Sie überlebten mit Knochenbrüchen. | |
Im Zusammenhang mit dem aktuellen Fahndungserfolg räumte die saarländische | |
Polizei Versäumnisse bei der damaligen Polizeiarbeit ein. Eine vom | |
Landespolizeipräsidium eingesetzte Arbeitsgruppe (AG) „Causa“ habe | |
festgestellt, dass die damalige Organisationsstruktur in Teilen nicht | |
richtig funktioniert habe, teilte die Polizei am Montag in Saarbrücken mit. | |
Landespolizeipräsident Norbert Rupp erklärte: „Ich entschuldige mich dafür, | |
dass offensichtlich auch Defizite in der damaligen Polizeiarbeit zur | |
Einstellung der Ermittlungen geführt haben.“ So etwas dürfe sich „nicht | |
wiederholen“ – die Polizei habe inzwischen Schwachstellen beseitigt und | |
„Qualitätsstandards“ eingeführt. | |
## Hinweise auf rechtsextremistische Motive wurden zu früh abgetan | |
Seit drei Jahrzehnten kämpft der saarländische Flüchtlingsrat zusammen mit | |
der „Antifa Saar“ und der „Aktion 3. Welt“ darum, die Erinnerung an die | |
Ermordung von Samuel Yeboah und den Mordanschlag auf seine Mitbewohner | |
aufrechtzuerhalten. Immer wieder haben sie eine rückhaltlose Aufklärung des | |
Verbrechens gefordert. Zur Festnahme eines mutmaßlichen Täters, mehr als 30 | |
Jahre danach, sagte Ursula Quack vom Flüchtlingsrat der taz: „Jetzt | |
bestätigt sich das, was wir schon immer gesagt haben und was in Saarlouis | |
über all die Jahre verleugnet wurde: Es war ein rassistischer | |
Mordanschlag.“ | |
[2][Hinweise auf rassistische Motive und einen rechtsextremistischen | |
Hintergrund] seien damals abgetan, die Ermittlungen viel zu früh | |
eingestellt worden: „Das war ein Skandal“, sagt Quack der taz im Rückblick. | |
Sie bescheinigt der Polizei, die damals die Akten bereits nach einem Jahr | |
geschlossen habe, „Affinität im Denken“ zu den Tätern aus dem rechten | |
Umfeld. Erst seit die Bundesanwaltschaft vor zwei Jahren die Ermittlungen | |
über die Täterschaft übernommen habe, hätten die Behörden „endlich Ernst | |
gemacht“, so die Sprecherin des saarländischen Flüchtlingsrats. | |
Dabei war der jetzt festgenommene Peter S. schon früh in Verdacht geraten. | |
Vor und nach dem tödlichen Brandanschlag hatte es in Saarlouis und Umgebung | |
mehrere versuchte Anschläge gegeben. Einige der Opfer des Brandanschlags | |
von 19. September mussten einen zweiten Anschlag erleben, als nämlich in | |
ihre nächste Unterkunft ein Molotowcocktail geworfen wurde, | |
glücklicherweise ein Fehlzünder. 1990 hatte am Eingang zur Geschäftsstelle | |
der Linken Liste/PDS in Saarbrücken eine Nagelbombe gerade noch rechtzeitig | |
entschärft werden können, 1992 gab es einen ähnlicher Sprengsatz vor dem | |
linken Kommunikationszentrum in Saarlouis. Alle Ermittlungen endeten | |
ergebnislos. | |
## Verbindung zu Hoyerswerda | |
In ihrer aktuellen Mitteilung stellen die Ermittlungsbehörden einen | |
zeitlichen und inhaltlichen Bezug zu einem anderen rassistischen Exzess | |
her, der auch damals hätte auffallen können: Am Tag vor dem Brandanschlag | |
in Saarlouis hatten die rassistisch motivierten Angriffe auf die | |
Unterkünfte von Vertragsarbeiter und Flüchtlinge im sächsischen Hoyerswerda | |
begonnen. Zwei Tage danach mussten die Behörden dort die Menschen mit | |
Bussen vor dem gewaltbereiten Mob in Sicherheit bringen. Die Bilder von den | |
pogromartigen Szenen in Sachsen waren damals um die Welt gegangen. Am Abend | |
des 18. November habe S. mit rechten Gesinnungsgenossen in einer Kneipe die | |
Ereignisse von Hoyerswerda besprochen, unmittelbar vor seiner Tat. Noch in | |
derselben Nacht hatte er im ehemaligen „Weißen Rössl“ in der Saarlouiser | |
Straße, das als Asylbewerberunterkunft bekannt war, das tödliche Feuer | |
gelegt, so die Bundesanwaltschaft. | |
Weshalb die Karlsruher Behörde vor zwei Jahren die Ermittlungen wieder | |
aufgenommen hat, bleibt unklar. Damals hieß es lediglich, es gebe neue | |
Hinweise auf eine rassistische und fremdenfeindliche Tat. Haus und | |
Arbeitsstätte des inzwischen dringend tatverdächtigen Mannes waren Anfang | |
2021 durchsucht worden. Damals teilte die Bundesanwaltschaft der taz mit, | |
für einen Haftbefehl reichten die Ermittlungsergebnisse nicht aus. Vor fünf | |
Wochen bestätigten die Behörden schließlich noch eine Durchsuchung „bei | |
einer nicht verdächtigten Person“. Gleichzeitig wurde eine Belohnung von | |
10.000 Euro für Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung eines Täters | |
führen. | |
4 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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