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# taz.de -- Referendum über Beitritt zu Russland: Hupkonzert in Südossetien
> Der Präsident von Südossetien, eine abtrünnige Region von Georgien,
> kündigt ein Referendum über den Beitritt zu Russland an. Dafür wird er
> gefeiert.
Bild: Wladimir Putin bei einem Treffen mit dem südossetischen Präsidenten Ana…
Berlin taz | Endlich haben junge Leute in Südossetien auch einmal etwas zu
feiern: Laut hupend und mit wehenden russischen Fahnen fuhr am
Mittwochabend ein Autokorso durch Zchinwali, die Hauptstadt der von der
Südkaukasusrepublik Georgien abtrünnigen Region. Auf Videos waren jubelnde
Menschen zu sehen, die die Straßen säumten.
Kurz zuvor hatte Präsident Anatoli Bibilow in einer Videobotschaft
angekündigt, ein Referendum über den Beitritt Südossetiens zur Russischen
Föderation abhalten zu wollen. „Ich glaube, dass die Vereinigung mit
Russland unser strategisches Ziel, unser Weg und das Bestreben unserer
Menschen ist. Wir werden zum nächstmöglichen Zeitpunkt entsprechende
rechtliche Schritte einleiten. Die Republik Südossetien wird Teil ihrer
historischen Heimat Russland sein.“
Russland habe immer alle, die ihm gegenüber loyal gewesen seien, verteidigt
und gegen den Nazismus gestanden. „2014, als die Krim nach Hause zurück
gekehrt ist, hatten auch wir die Möglichkeit, unseren jahrhundertealten
Traum zu verwirklichen. Aber wir haben diese Gelegenheit verpasst. Diesen
Fehler dürfen wir nicht wiederholen“, sagte Bibilow.
[1][2008 hatte Russland nach seinem siegreichen Krieg gegen Georgien die
Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt] – diesem Schritt folgten lediglich
Nicaragua, Naura, Venezuela und Syrien. Seitdem ist Südossetien, wo 51.500
Menschen leben und russische Truppen stationiert sind, quasi ein
Protektorat Moskaus.
## Ohne Folgen
Bereits am 19. Januar 1992, zu Beginn des ersten südossetisch-georgischen
Konflikts, wurde ein Unabhängigkeitsreferendum abgehalten, das jedoch
folgenlos blieb. Einen weiteren Vorstoß in dieser Richtung gab es 2014,
doch der verlief ebenfalls im Sande. Auch Moskau hatte sich bislang, was
die Eingemeindung des Fleckens angeht, zurückhaltend gezeigt.
Doch das scheint sich jetzt geändert zu haben. „Die Menschen in Russland
werden die Entscheidung des südossetischen Volkes unterstützen. Für uns ist
das ein sehr wichtiger Moment, weil Russland bereits 2008 begonnen hat,
sich dem Druck des vereinten Westens zu widersetzen. Dies ist ein
historisches Ereignis“, sagte der Vize-Vorsitzende des Duma-Ausschusses für
Angelegenheiten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Artjom Turow.
Und der Duma-Abgeordnete Alexander Borodai meinte, Südossetien müssen sich
keine Sorgen um die Reaktion Georgiens machen. Das Einzige, was Tiflis tun
könne, sei, sich zu empören und zu protestieren.
Dass die Ankündigung von Bibilow gerade jetzt kommt, ist kein Zufall.
Mittlerweile sollen [2][auch südossetische Soldaten an Russlands
Angriffskrieg auf die Ukraine beteiligt sein], einige Opfer sind bereits zu
beklagen. Angaben des Generalstabes der ukrainischen Streitkräfte zufolge
sollen bis zu 1.200 russische und südosetische Soldaten der vierten
Militärbasis in Südossetien in die Ukraine verlegt worden sein.
## Kandidaten ausgeschlossen
Noch wichtiger für Bibliow dürfte jedoch noch ein anderes Ereignis sein: Am
10. April finden in Südossetien Präsidentenwahlen statt. Laut eines
Berichts des Onlinenachrichtenportals OC-Media soll Bibilow, der bereits
vor der Wahl 2017 mit dem Versprechen angetreten war, ein
Unabhängigkeitsreferendum durchzuführen, jetzt mit dafür gesorgt haben,
dass einigen seiner Mitbewerber die Kandidatur bei der Wahl verweigert
wurde. Zudem stehen Vorwürfe im Raum, er sei bei einem schriftlichen
Sprachtest in Ossetisch durchgefallen. Dessen Bestehen ist eine
Voraussetzung, um das Präsidentenamt bekleiden zu können.
Dennoch dürften an der Wiederwahl Bibliows keine Zweifel bestehen. Für den
Wunsch nach einer Vereinigung mit Russland wäre das ohnehin nicht relevant,
da auch die anderen verbleibenden Kandidaten dieses Ziel anstreben.
Doch nicht alle stehen diesem Schritt positiv gegenüber. „Jeder Versuch,
den ossetischen Staat zu zerstören, ist ein Akt des Staatsverrats, auch
wenn unsere Verfassung in dieser Hinsicht flexibler ist als die
abchasische“, schreibt der nordossetische Journalist und Redakteur des
unabhängigen Nachrichtenportals Osnowa.news, Ruslan Trotow, auf seinem
Telegram-Kanal „Freiheitsplatz“.
„Und in diesem Ossetien, dem eine glänzende Zukunft bevorsteht, sollte der
dann ehemalige Präsident Anatoli Bibilow in einem kompromisslosen
Strafverfahren angeklagt werden. Dort wird es, neben Versuchen, die
Souveränität abzubauen, weitere hochkarätige Episoden geben – wie den Mord
an Inal Dschhabiew.“
Der damals 28-Jährige war im August 2020 unter dem Vorwurf, eine Person
entführt zu haben, in Zchinwali festgenommen worden und kurz darauf in der
Untersuchungshaft verstorben. Verwandte hatten den Vorwurf erhoben, er sei
zu Tode gefoltert worden.
Anders als Südossetien hat es die zweite, von Tiflis abtrünnige Republik,
Abchasien, mit einem Anschluss nicht eilig. Russland sei zwar ein
strategischer Partner und mit Abchachsien eng verbunden, die Frage eines
Beitritts zur Russischen Föderation stehe jedoch nicht auf der
Tagesordnung, zitiert die russische Nachrichtenagentur Interfax den
Sprecher des abchasischen Parlaments Waleri Kwatschija. Die Verfassung
könne nicht geändert werden, vor allem dann nicht, wenn es um die
Zerstörung der Unabhängigkeit der Republik gehe.
31 Mar 2022
## LINKS
[1] /Georgien-und-der-Krieg-in-der-Ukraine/!5837899
[2] /Russlands-neue-Militaerstrategie/!5841438
## AUTOREN
Barbara Oertel
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