# taz.de -- Polizeiwache am Kottbusser Tor: „Wie auf dem Präsentierteller“ | |
> Gewerkschaft der Polizei kritisiert geplanten Standort für die Wache am | |
> Kottbusser Tor: Zu klein, zu exponiert, außerdem bedeute das | |
> Gentrifzierung. | |
Bild: Blick vom geplanten Standort der Polizeiwache auf den Kotti | |
taz: Herr Jendro, die [1][Innensenatorin Iris Spranger hat am Montag im | |
Innenausschuss] offengelegt, wo die neue Polizeiwache am Kottbusser Tor | |
hinsoll: in den ersten Stock der Galerie des Neuen Kreuzberger Zentrums, | |
das die Adalbertstraße überzieht. Ist der Standort gut gewählt? | |
Benjamin Jendro: Nein. Wir sind der Meinung, dass es für eine neue Wache am | |
Kottbusser Tor einen Neubau braucht. | |
Warum? | |
Die avisierten Räume sind zu klein, aber auch Sicherheits- und | |
Gentrifizierungsaspekte sprechen gegen den Standort auf der Galerie. | |
Das müssen Sie konkretisieren. | |
Die Berliner Polizei hat sich auf Wunsch der Politik einzelne Immobilien | |
angeguckt. Es bedeutet immer eine Art der Verdrängung, wenn man sich in | |
Bestandsimmobilien einquartiert. Was die Lage auf der Galerie betrifft, | |
liegt man dort auch ein Stück auf dem Präsentierteller. [2][Es dürfte eine | |
Mammutaufgabe sein, die Wache] zu sichern. Wir können wahrscheinlich die | |
Uhr stellen, wann es dort die ersten Attacken gegen die Polizei gibt. | |
Sie befürchten, dass von unten zum Beispiel Farbbeutel geschmissen werden? | |
Man muss sich nur den Alexanderplatz angucken. Dort haben wir eine ganz | |
andere Klientel als in Kreuzberg, aber selbst da ist die Wache attackiert | |
worden. Neben der Kritik an den örtlichen Gegebenheiten geht es uns aber | |
auch um die Fläche. Wir brauchen eine Wache von mindestens 300 | |
Quadratmetern, und wir brauchen Sanitäranlagen und eigenständige | |
Parkflächen zum Abstellen der Dienstfahrzeuge. Das alles wird ein bisschen | |
schwierig oben auf der Galerie. | |
Gäbe es denn Alternativen? | |
Direkt vorne an der Reichenberger Straße wäre durchaus Platz für einen | |
Neubau, der den Anforderungen entspricht und für Bürgerinnen und Bürger gut | |
zu erreichen ist. Man sollte mal prüfen, ob das nicht grundsätzlich besser | |
wäre. | |
Haben Sie mal gefragt, warum das nicht in Erwägung gezogen wird? | |
Die Polizei selbst hat das schon als Ansatz formuliert, aber es ist nicht | |
Aufgabe unserer GdP, die Gründe zu ermitteln. Es ist aber auch klar, dass | |
der rot-grün-rote Senat schnell eine Wache möchte. Etwas in Berlin neu zu | |
bauen dauert bekanntlich einige Jahre. Das passt aber nicht ins politische | |
Konstrukt. | |
Innensenatorin Spranger hat sich noch nicht zu den Personalvorstellungen | |
für die Kotti-Wache geäußert. Wie groß wäre der Bedarf, um so eine Wache | |
24/7 zu betreiben? | |
Das hängt von den Vorstellungen ab, wie die Wache betrieben werden soll. | |
Man könnte es so machen wie am Alex, wo drei Polizeikräfte rund um die Uhr | |
vor Ort sind. Dafür bräuchte man ungefähr 25 bis 30 Leute, Urlaub und | |
Krankenstand inklusive. Wenn wir am Kotti eine Wache installieren wollen, | |
reden wir aber nicht nur davon, die Wache rund um die Uhr zu besetzen. | |
Sondern? | |
Wir wollen am Kotti keine Wache, wo die Kräfte nur in der Wache sitzen. Wir | |
brauchen dort Leute, die auch rausgehen, Präsenz zeigen und Kriminalität | |
bekämpfen, es gibt dort ja eine ausufernde Drogenkriminalität [3][mit | |
entsprechenden Begleiterscheinungen]. Wir haben ganz klar gesagt: Für die | |
Kotti-Wache braucht man mindestens einen Personalkörper von 65 Leuten. Das | |
wären wohlgemerkt nicht nur Schutzpolizisten, sondern auch | |
Kriminalpolizisten, vor allem auch operative Kräfte. | |
Was möchte die Polizeiführung, was hören Sie da? | |
Was wir gespiegelt bekommen, ist, dass die Berliner Polizei die Wache | |
möglichst klein halten möchte, weil man bekanntermaßen nicht irgendwo | |
Personal übrig hat. Das können wir verstehen, widerspricht unserem | |
Verständnis von einer nachhaltigen Kotti-Wache aber diametral. Also | |
ehrlich, wenn wir die Kotti-Wache nur mit einer reinen Wachbesetzung | |
gestalten, dann können wir uns das auch sparen und vor Ort weiterhin nur | |
mit mobilen Wachen arbeiten. | |
Die Kotti-Wache scheint nun aber das Lieblingsprojekt von Innensenatorin | |
Spranger zu sein. Wie sehen Sie das? | |
Wenn man ehrlich ist, ist das eines der wenigen Projekte, das bisher im | |
Bereich Inneres wirklich fixiert ist. Darüber hinaus bleibt ja fast nur | |
noch der Polizeibeauftragte, den es geben soll. | |
Das ist noch ein Projekt aus der letzten Legislatur. | |
Ja, genau genommen nichts Neues, außer dass man die Stelle eben auch mal | |
besetzen muss (lacht). Aber wenn wir uns die letzte Legislatur anschauen, | |
ist festzustellen, dass der damalige [4][Innensenator Geisel] mit Dingen | |
wie der Einrichtung der Wache auf dem Alexanderplatz und den mobilen Wachen | |
durchaus geliefert hat. Daran wird sich auch Frau Spranger messen lassen | |
müssen, die Fußstapfen sind groß. | |
Im Innenausschuss hieß es, die Kotti-Wache werde eine ganz neue Art von | |
Polizeiwache. | |
Dass man Polizeiarbeit transparenter in dieser Stadt machen möchte, ist | |
mittlerweile parteiübergreifend Konsens, und damit haben wir auch kein | |
Problem. Polizei muss im Jahr 2022 ansprechbar und bürgernah sein. | |
Ein Geben und Nehmen werde auf der Kotti-Wache stattfinden, hat Spranger | |
prophezeit. Was könnte sie denn damit gemeint haben? | |
Es gibt Grenzen, es kann nicht sein, dass dort jeder ein- und ausgeht und | |
auf den Bildschirm der Kollegen sehen kann. Ich glaube aber auch nicht, | |
dass das ein kultureller Treff werden soll. Eher geht es wohl darum, | |
Ansprechpartner zu stellen, auch gerade für die Gewerbetreibenden und | |
Anwohnerinnen und Anwohner. Auch [5][die Wache am Alex wird ja mehr von | |
Touristen frequentiert], als dass da Anzeigenaufnahmen stattfinden: Wo ist | |
der Fernsehturm? Wo finde ich die Galeria Kaufhof? | |
Polizeikräfte würden sich bereits um einen Job auf der geplanten | |
Kotti-Wache reißen – auch das hat die Innensenatorin gesagt. Stimmt das? | |
Sie wird ihre Gründe haben. Bei uns haben die sich noch nicht gemeldet | |
(lacht). Ich kenne bisher nur Leute, die sagen: Auf gar keinen Fall! | |
8 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Polizeiwache-am-Kottbusser-Tor/!5843192 | |
[2] /Polizeiwache-am-Kottbusser-Tor/!5838674 | |
[3] /Neuer-Drogenkonsumraum-in-Berlin/!5841571 | |
[4] /Berlin-Alexanderplatz/!5781394 | |
[5] /Polizeiwache-auf-dem-Alexanderplatz/!5470215 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
## TAGS | |
Innensenatorin Iris Spranger | |
GdP | |
Andreas Geisel | |
Polizei Berlin | |
Kottbusser Tor | |
Drogenkonsum | |
Innensenatorin Iris Spranger | |
Polizei Berlin | |
Kottbusser Tor | |
taz Plan | |
Kottbusser Tor | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte um Polizeiwache in Kreuzberg: Scharfe Kritik von der Basis | |
Innensenatorin Spranger will die Polizeiwache am Kotti unbedingt. Sinnvoll | |
sei das nicht, sagt Norbert Sommerfeld, für den Kiez zuständiger Polizist. | |
Polizeiwache am Kotti: Millionen für die Verbürgerlichung | |
Die Kotti-Wache soll 3,5 Millionen Euro kosten. Vor Ort muss sich | |
Innensenatorin Iris Spranger deutlichen Widerspruch anhören. | |
Drogenkonsum in Berlin: „Ein Kommen und Gehen“ | |
Der neue Druckraum am Kottbusser Tor erfreut sich reger Nachfrage. Allein | |
im April wurden 700 Konsumvorgänge gezählt. | |
Berlins Innensenatorin über den 1. Mai: „Wird für viele ein schöner Tag“ | |
Iris Spranger (SPD) über Gewalt am 1. Mai, warum die Polizeiwache am Kotti | |
kommt und warum Verfehlungen von Polizist*innen nur Einzelfälle sind. | |
Kriminalität in Berlin: Zahl der Straftaten rückläufig | |
Die Polizei registrierte 2021 so wenige Delikte wie nie seit der Wende. Ein | |
Grund sei die Pandemie. Mehr antisemitische Straftaten angezeigt. | |
Polizeiwache am Kottbusser Tor: Alle Cops lieben jetzt den Kotti | |
Die Vereinbarung für die Einrichtung der neuen Polizeiwache am Kottbusser | |
Tor ist unterschrieben. Innensenatorin prophezeit ein „Geben und Nehmen“. | |
Gentrifizierung und Polizeigewalt: Berlin bleibt dreckig | |
Polizeiwache am Kotti, Disney-Architektur am Hermannplatz: die neue | |
Koalition will Berlin aufpolieren. Doch zum Glück gibt es Widerstand. | |
Neuer Drogenkonsumraum in Berlin: Endlich Hilfe für den Kotti | |
Am Kottbusser Tor gibt es seit Montag erstmals einen Drogenkonsumraum. Seit | |
Jahrzehnten klagen Anwohner*innen über Konsum in Treppenhäusern. |