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# taz.de -- Kampf für Gleichberechtigung: Brust raus!
> Gabrielle Lebreton ist wegen ihres freien Oberkörpers einer Grünanlage
> verwiesen worden. Nun verklagt sie den Berliner Bezirk wegen
> Diskriminierung.
Bild: Gabrielle Lebreton mit gelbem Pullover im Treptower Park
BERLIN taz | Wieso dürfen Männer mit nacktem Oberkörper sonnenbaden, Frauen
aber nicht? Gabrielle Lebreton verklagt den Bezirk Treptow-Köpenick, weil
sie der Plansche im Plänterwald verwiesen wurde, wo sie ohne Badeoberteil
gesessen hatte. Damit hat sie nach taz-Informationen [1][die erste Klage
gegen eine Berliner Behörde nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz
(LADG)] in Gang gebracht. „Ich bin Feministin. Diese Ungleichbehandlung von
Männern und Frauen ärgert mich zutiefst. In München an den Isarwiesen sind
nackte Oberkörper ganz normal.“
Am 20. Juni vergangenen Jahres war [2][Lebreton mit ihrem sechsjährigen
Sohn sowie einem Freund und dessen Tochter in der Plansche], einem
umzäunten Wasserspielplatz mit Liegewiesen, der vom Grünflächenamt des
Bezirks Treptow-Köpenick betrieben wird. Die Erwachsenen saßen auf der
Wiese, beide in Badehose, beide mit freiem Oberkörper. Zwei Mitarbeitende
einer Sicherheitsfirma, die im Auftrag des Bezirks für die Einhaltung der
Nutzungsordnung sorgt, hätten sie, nicht aber ihren Begleiter,
aufgefordert, sich zu bedecken, erzählt Lebreton. „Ich fragte: Warum? Sie
sagten, weil dies kein FKK-Bereich sei. Aber ich bin nicht nackt, sagte
ich. Darauf sie: Als Frau müssen Sie einen BH tragen.“
Sie habe versucht, mit den Mitarbeitenden zu argumentieren, „weil ich das
diskriminierend fand“, aber die Sicherheitsleute riefen die Polizei. Die
sei sehr unfreundlich gewesen, so die gebürtige Französin: „Sie sagten, sie
würden sich auf keine Diskussionen einlassen. Ich müsse einen BH anziehen
oder die Plansche verlassen.“
Die Situation sei sehr angespannt gewesen, ein Polizist habe sie
angeschrien: „Sie haben fünf Minuten, um rauszugehen!“ Ihr Sohn sei
verängstigt gewesen und habe sie gebeten, ein T-Shirt anzuziehen. „Ich habe
ihm erklärt, dass ich das nicht tun werde, weil alle Menschen die gleichen
Rechte haben. Und wenn es Regeln gibt, die ungerecht und diskriminierend
sind, müssen wir uns wehren.“ Eine Dame habe ihr ihre Telefonnummer gegeben
und sich als Zeugin angeboten, dann seien sie gegangen. „Für mich war
gleich klar, dass ich Klage erheben werde, ich wollte das bis zum Ende
gehen.“
## Viel Solidarität in sozialen Medien
Noch am selben Abend habe sie den Vorfall auf Facebook beschrieben und sehr
viel Solidarität erfahren, so Lebreton. Daraus entstand die [3][Gruppe
„Gleiche Brust für alle“], die die Architektin und Leiterin eines
Planungsbüros seither unterstützt und in einer [4][bundesweiten Petition]
fordert, dass die weibliche Brust überall dort gezeigt werden darf, wo es
für die männliche erlaubt ist.
Dass Lebreton aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde, stehe außer
Frage, sagt ihre Rechtsanwältin Leonie Thum. Die Fachanwältin für
Arbeitsrecht ist Expertin auf dem Gebiet: Seit Jahren betreut sie Mandate
vom Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) und ähnlichen Stellen, die
Betroffene im Fall von Diskriminierung beraten und rechtlich begleiten.
„Die Diskriminierung ist eindeutig, weil Frau Lebreton ausdrücklich anders
behandelt wurde als anwesende Männer, die ihre Oberkörper nicht
bekleideten.“
Das Bezirksamt als Betreiber der Plansche ließ allerdings keine Einsicht
erkennen. In seiner [5][Pressemitteilung hieß es am 30. Juni], nachdem
Zeitungen über den Fall berichtet hatten, der Sicherheitsdienst habe eine
Besucherin auf die Richtlinien des Spielplatzes hingewiesen, nach denen FKK
nicht gestattet sei. In einer [6][Stellungnahme zwei Tage später] erklärte
man: „Aus Sicht des Bezirksamtes war der Hinweis des Sicherheitsdienstes
richtig.“ Dennoch wolle man sich für „das entstandene Gefühl der
Diskriminierung und für die mögliche unangemessene Kommunikation des
Sicherheitsdienstes“ bei Frau Lebreton entschuldigen. Eine richtige
Entschuldigung sei dies nicht, findet Lebreton. Auch Thum sagt, mit diesen
Äußerungen habe das Bezirksamt die Diskriminierung untermauert.
Tatsächlich steht in der [7][Nutzungsordnung der Plansche] kein Wort von
FKK, aber unter Punkt 8: „In der Plansche ist von allen Gästen Straßen-
oder Alltagskleidung bzw. handelsübliche Badekleidung, wie z. B. Badehose,
Badeshorts, Bikini, Badeanzug, Burkini zu tragen.“
## Missverständlich formuliert
Die Formulierung „handelsübliche Badekleidung“ sei missverständlich, sagt
Doris Liebscher, Leiterin der LADG-Ombudsstelle in der Justizverwaltung,
die sich mit dem Fall befasst hat. Lebreton hatte sich kurz nach dem
Vorfall an sie gewandt. Liebscher bat daraufhin das Bezirksamt um
Stellungnahme – und kam schließlich zu der Überzeugung, dass Lebreton durch
den Verweis aus der Plansche diskriminiert wurde.
Neben einer Entschuldigung bei Lebreton habe sie dem Bezirk empfohlen, die
Formulierung in der Nutzungsordnung zu ändern. Um die Sache „strukturell zu
verbessern“, habe man sich, so Liebscher, geeinigt, den Text nach
[8][Münchener Vorbild für die Isarwiesen] so zu formulieren: „Badekleidung
muss die primären Geschlechtsorgane bedecken.“ Dann folgt der Zusatz: „Das
gilt für alle Geschlechter.“
Damit wäre der Bezirk stadtweit ganz vorne: Bei den Berliner Bäder
Betrieben ist nämlich in der [9][Hausordnung] ebenfalls von
„handelsüblicher Badekleidung“ die Rede. Allerdings, so Liebscher, habe ein
Bäder-Sprecher gegenüber der Ombudsstelle versichert, dass damit nicht der
Bikini für Frauen oder die Badehose für Männer gemeint sei, sondern
Badekleidung im Unterschied zu Straßenkleidung. „Dennoch“, so Liebscher,
„wäre auch hier eine geschlechtsneutrale Formulierung wünschenswert, die
keinen Spielraum für Diskriminierung lässt.“
Die neue Bezirksstadträtin für Grünflächen, Claudia Leistner (Grüne),
bestätigte der taz, dass „zur Neueröffnung“ der Plansche ab dieser
Badesaison die genannte Formulierung gelten soll.
## Rechtliche Möglichkeiten bei Diskriminierung
Dies sei natürlich schön, findet Lebreton, aber an ihrer Klage halte sie
dennoch fest. „Viele Menschen erleben Diskriminierung, aber kaum jemand
kennt die rechtlichen Möglichkeiten. Ich hoffe, damit dazu beizutragen,
dass es weniger Ungleichbehandlung gibt.“ Anwältin Thum ergänzt: „Nur wenn
das LADG tatsächlich angewendet wird, kann sich etwas ändern und die
derzeit noch sehr theoretische Gesetzgebung in der Praxis Fuß fassen.“
Auch Liebscher sagt: „Die Klage von Frau Lebreton ist nicht unnötig
geworden, weil der Bezirk eingelenkt hat. Sie hat eine Würde- und
Gleichheitsverletzung erlitten und hat ein gesetzliches Recht auf
Entschädigung für diese immaterielle Verletzung.“
5 Apr 2022
## LINKS
[1] /Ein-Jahr-LADG/!5777575
[2] /Oben-Ohne-Demo-in-Berlin/!5784798
[3] https://www.facebook.com/groups/527075325149286
[4] https://www.change.org/p/gleiche-brust-f%C3%BCr-alle
[5] https://www.berlin.de/ba-treptow-koepenick/aktuelles/pressemitteilungen/202…
[6] https://www.berlin.de/ba-treptow-koepenick/aktuelles/pressemitteilungen/202…
[7] https://www.berlin.de/ba-treptow-koepenick/politik-und-verwaltung/aemter/st…
[8] https://stadt.muenchen.de/rathaus/stadtrecht/vorschrift/361.html
[9] https://www.berlinerbaeder.de/service/hausordnung/
## AUTOREN
Susanne Memarnia
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