# taz.de -- Aufnahme von Geflüchteten in Berlin: Seehofers Nein war rechtmäß… | |
> Berlin wollte Flüchtlinge aus Moria aufnehmen, der damalige Innenminister | |
> blockierte. Zurecht, entschied nun das Bundesverwaltungsgericht. | |
Bild: Abflug von 101 anerkannten Geflüchteten aus dem Aufnahmelager Moria nach… | |
Leipzig taz | Der Bund kann Flüchtlings-Aufnahmeprogramme der Länder | |
blockieren, wenn diese eine einheitliche deutsche Asylpolitik gefährden. | |
Das entschied das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag in einem | |
Grundsatzurteil. Eine Klage des rot-grün-rot regierten Landes Berlin gegen | |
den einstigen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wurde abgelehnt. | |
Im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos lebten | |
zeitweise rund 20.000 Menschen unter katastrophalen Bedingungen. Im | |
Frühjahr 2020 beschloss der Bund schließlich die Aufnahme von rund 1.500 | |
Flüchtlingen aus Moria, die auf die Bundesländer verteilt wurden. | |
Berlin übernahm dabei 136 Personen, wollte aber noch mehr tun. Im Juni | |
entwarf Berlin ein Landes-Aufnahmeprogramm für 300 weitere Schutzsuchende | |
aus Moria. Die Länder Bremen und Thüringen waren ebenfalls zur zusätzlichen | |
Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland bereit. | |
Laut Aufenthaltsgesetz ([1][Paragraph 23]) können solche Aufnahmeprogramme | |
von Bundesländern beschlossen werden. Dafür ist das „Einvernehmen mit dem | |
Bundesinnenministerium“ erforderlich. Horst Seehofer aber verweigerte die | |
Zustimmung. Das Land Berlin klagte beim Bundesverwaltungsgericht in | |
Leipzig. Der Vorwurf: Seehofer habe seine Kompetenzen überschritten. | |
## Faeser bleibt bei Seehofers strenger Linie | |
Viele hatten damit gerechnet, dass sich Seehofers Nachfolgerin Nancy Faeser | |
(SPD) mit dem Land Berlin einigt und der Prozess ausfällt. Doch Faeser zog | |
Seehofers Linie durch und schickte sogar den ultra-konservativen | |
78-jährigen Asylrechtler Kay Heilbronner zur mündlichen Verhandlung nach | |
Leipzig. | |
Heilbronner argumentierte bei der Verhandlung, dass der Bund die Kontrolle | |
über die deutsche Asylpolitik behalten müsse. Es sei gefährlich, wenn | |
Bundesländer wie Berlin durch humanitäre Aufnahmeprogramme „Signale | |
setzen“, dass es sich lohnt, nach Griechenland zu fliehen. Solche | |
„Pull-Faktoren“ wolle der Bund verhindern. | |
Das Bundesverwaltungsgericht gab dem Innenministerium nun Recht. Seehofer | |
durfte die Zustimmung zum Berliner Programm verweigern. Grundsätzlich | |
bezwecke das Gesetz, dass der Bund für eine „kohärente und einheitliche“ | |
Vertretung der deutschen Asylpolitik nach außen sorge, betonte der | |
Vorsitzende Richter Uwe Berlit, der an diesem Tag seine letzte Verhandlung | |
vor der Pensionierung leitete. Zwar müsse der Bund auch die Interessen der | |
Bundesländer berücksichtigen, aber wenn alle Länder mit eigenen | |
Aufnahme-Programmen in der Asylpolitik „mitspielen“, sei das geeignet, die | |
deutsche Position zu schwächen, argumentierte Richter Berlit. | |
## Die Geflüchteten wären bevorzugt worden, meint das Gericht | |
Im konkreten Fall habe Seehofer zurecht die Zustimmung abgelehnt, so das | |
Gericht, weil Berlin die Moria-Flüchtlinge ohne konkrete Prüfung des | |
Schutzbedarfs mit einer dreijährigen Aufenthaltserlaubnis ausstatten | |
wollte. Damit wären sie gegenüber anderen Flüchtlingen, die ein | |
„ergebnisoffenes“ Asylverfahren durchlaufen müssen, bevorzugt gewesen. | |
Die Anwältin des Landes Berlin, Roya Sangi, kommentierte das Urteil | |
lapidar: „Es gibt keine Gleichbehandlung im Schlamm“. Ihr Kollege Ulrich | |
Karpenstein forderte die aktuelle Innenministerin Faeser auf, nach Klärung | |
der Rechtslage nun doch dem Berliner Aufnahmeprogramm zuzustimmen. | |
Schließlich habe die SPD Seehofer immer kritisiert. Berlin jedenfalls stehe | |
trotz Ukraine-Krise zu seinem damaligen Plan. | |
15 Mar 2022 | |
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[1] https://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__23.html | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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