| # taz.de -- Linke-Pleite bei Saarland-Wahl: Ratlosigkeit einer Partei | |
| > Nach ihrem Debakel betreibt die Linke Manöverkritik. Doch auch der | |
| > generelle Trend für die Partei geht nach unten. | |
| Bild: Kater nach Wahlnacht: Die Linken-Chefinnen Janine Wissler und Susanne Hen… | |
| Berlin/ Saarbrücken taz | Es ist ein Tag, an dem nichts mehr schönzureden | |
| ist. „Das ist natürlich ein desaströses Ergebnis“, sagt Janine Wissler in | |
| der Bundespressekonferenz. Es sind nicht viele Journalist:innen | |
| gekommen, um zu hören, was sie, ihre Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow | |
| und die saarländische Spitzenkandidatin Barbara Spaniol zu dem Wahldebakel | |
| an der Saar zu sagen haben. Was nicht nur daran liegt, dass zeitgleich | |
| Friedrich Merz im Konrad-Adenauer-Haus versucht, die CDU-Niederlage zu | |
| erklären, sondern vor allem an dem Abschneiden der Linkspartei an der Saar: | |
| [1][Mit 2,6 Prozent ist sie ausgerechnet in ihrer einstigen Hochburg zu | |
| einer Splitterpartei geschrumpft], nur noch knapp vor der Tierschutzpartei. | |
| Wissler und Hennig-Wellsow machen ebenso wie Spaniol vor allem die | |
| besondere Situation an der Saar, die tiefe Zerstrittenheit des dortigen | |
| Landesverbandes, [2][die im Austritt ihres einstigen Zugpferdes Oskar | |
| Lafontaine zehn Tage vor der Wahl gipfelte], für die Wahlkatastrophe | |
| verantwortlich. Da ist auch etwas dran, es reicht zur Erklärung aber | |
| alleine nicht aus. Denn der generelle Trend geht für die Linkspartei nach | |
| unten. Das Ausmaß der Krise ist wesentlich größer. Sie droht bundesweit in | |
| der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die Parteivorsitzenden wirken ratlos, | |
| wie so viele zurzeit in der zerzausten Partei. | |
| Für die kommenden Landtagswahlen in westdeutschen Bundesländern verheiße | |
| die Saarland-Wahl nichts Gutes für die Linkspartei, analysiert der | |
| Sozialwissenschaftler Horst Kahrs in seiner Wahlauswertung für die | |
| Rosa-Luxemburg-Stiftung. Persönliche Zerstrittenheit und anschließender | |
| Vertrauensverlust hätten zwar für den Absturz aus dem zweistelligen Bereich | |
| eine Rolle gespielt. Doch befinde sich die Partei an der Saar „nun auf dem | |
| gleichen außerparlamentarischen Niveau wie in allen westdeutschen Ländern | |
| außer Hessen, Hamburg und Bremen“, so Kahrs. „Konnte der Verweis auf die | |
| besonderen saarländischen Verhältnisse zwar außerordentliche Erfolge | |
| erklären, so schützt er nicht mehr vor Antworten auf die Frage, welche | |
| Konsequenzen aus den letzten Wahlniederlagen nun gezogen werden sollen.“ | |
| Von der Saarland-Wahl gehe für die Linkspartei „das Zeichen aus, dass | |
| Bedeutungsverlust nochmal Fahrt aufnimmt, und weiteres Abwarten auf | |
| günstige Situationen keine erfolgversprechende Option ist“. | |
| Die Berliner Landeschefin und stellvertretende Bundesvorsitzende Katina | |
| Schubert verweist auf die bundesweite Bedeutung der Personalie Oskar | |
| Lafontaine. Er habe die Linke immer benutzt, um die SPD wieder | |
| sozialdemokratisch zu machen. „Das scheint jetzt in seinen Augen gelungen | |
| zu sein, damit hat die Linke aus seiner Sicht ihre Aufgabe erfüllt“, sagte | |
| Schubert der taz. „Umso wichtiger ist es, Alternativen zu | |
| sozialdemokratischer und grüner Beliebigkeit von Aufrüstung, ein bisschen | |
| Klima, ein bisschen gute Arbeit zu entwickeln und ausstrahlungsfähig zu | |
| machen.“ Jetzt müsse es darum gehen, „die Linke als spannende Alternative | |
| zur Ampel neu aufzustellen“. | |
| Ähnlich sieht es der frühere Bundesvorsitzende Bernd Riexinger. Jenseits | |
| der innerparteilichen Querelen habe es die saarländische Linkspartei „nicht | |
| geschafft, neben einer sich wieder sozialdemokratisch gebenden SPD das | |
| eigene Profil zu schärfen“, sagte Riexinger der taz. Die zentrale Frage | |
| müsse nun sein, „ein konsequent linkes Profil für die Herausforderungen | |
| einer sozialen und ökologischen Transformation in den Vordergrund zu | |
| stellen“. | |
| „Das Entscheidende für unsere Partei ist, dass wir unseren Gründungskonsens | |
| erneuern, dass wir nach vorne schauen“, sagt Wissler am Montag in der | |
| Bundespressekonferenz. Doch wie soll das gelingen? | |
| Als die Linkspartei vor fünfzehn Jahren entstand, waren die | |
| Aufbruchstimmung groß und die Ansprüche hehr. „Gemeinsam wollen wir eine | |
| Partei, wie es sie in Deutschland noch nicht gab – Linke einigend, | |
| demokratisch und sozial, ökologisch, feministisch und antipatriarchal, | |
| offen und plural, streitbar und tolerant, antirassistisch und | |
| antifaschistisch, eine konsequente Friedenspolitik verfolgend“, ist in der | |
| „Programmatische Eckpunkte“ genannten Gründungserklärung zu lesen, auf die | |
| sich die ostdeutsch geprägte PDS und die westdeutsch dominierte WASG Ende | |
| März 2007 auf parallel stattfindenden Parteitagen in den Dortmunder | |
| Westfalenhallen verständigten. | |
| Heute erinnert nur noch wenig daran, was die Linkspartei mal hatte werden | |
| wollen. Ein Hauen und Stechen allerorten, die Umgangsformen untereinander | |
| sind nicht nur im Saarland unterirdisch. Mittlerweile sei sie „längst eine | |
| Mogadishu-Linke, in der unterschiedliche Stammesführer nur noch die eigene | |
| schmale Anhängerschaft bedienen“, twitterte frustriert der ehemalige | |
| Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi am Wahlabend. Er bleibe zwar | |
| „demokratischer Sozialist“, habe sich jedoch „innerlich bereits so stark | |
| von meiner Partei entfremdet, dass mir derzeit der Glaube an dieses Projekt | |
| abhandengekommen ist“. | |
| ## Verheerende Polarisierung innerhalb der Partei | |
| Was De Masi unerwähnt ließ, ist sein eigener Beitrag an dem Fiasko. Mit | |
| seiner äußerst aktiven Beteiligung an der gescheiterten „Sammlungsbewegung | |
| Aufstehen“ Sahra Wagenknechts hat er nicht unentscheidend an der | |
| verheerenden Polarisierung innerhalb der Partei mitgewirkt, aus der sie nun | |
| keinen Ausweg mehr zu finden scheint. Aber auch das ist charakteristisch | |
| für die Linkspartei: Selbstkritik gehört weder bei den einen noch den | |
| anderen zu den Stärken. | |
| Ein Extrembeispiel dafür lieferte am Montag Thomas Lutze, der | |
| hochumstrittene Nochlandesvorsitzende der Saar-Linken, der mit seinen | |
| jahrelangen Machtspielchen maßgeblichen Anteil an dem Desaster im Saarland | |
| hat. Kein Fünkchen Selbstkritik kam Lutze bei seiner | |
| Niederlagenpressekonferenz im Restaurant des saarländischen Landtags über | |
| die Lippen. Nicht eigene Fehler machte er für das „verheerende“ | |
| Wahlergebnis verantwortlich, sondern bloß das „grobe Foul“ Lafontaines, mit | |
| dem er seit zehn Jahren hoffnungslos zerstritten ist. Wenn man hinten mit | |
| einer Viererkette spiele und es würden drei Spieler davon „vom Gegner | |
| bezahlt, dann kannst du nur verlieren“, giftete Lutze. Bereits am Wahlabend | |
| hatte er kräftig ausgeteilt: „Das war ein Komplott einer Clique, die zum | |
| Teil hoch bezahlt wird“, polterte Lutze. „Der Kopf dieser Clique war lange | |
| Zeit auch unser Spitzenkandidat, unser Fraktionsvorsitzender.“ | |
| Die dramatische Niederlage im Saarland zeige, dass die Linkspartei „aktuell | |
| nicht attraktiv“ sei, konstatierte Bundesvorstandsmitglied Maximilian | |
| Becker. Das liege daran, dass sie „einen Berg hausgemachter Probleme vor | |
| sich herträgt“. Dieser Berg müsse schnellstmöglich kleiner werden. „Dazu | |
| braucht es unter anderem ein Update linker Außenpolitik und eine eigene | |
| politische Idee“, sagte Becker. | |
| Noch deutlicher formuliert es die Bundestagsabgeordnete Caren Lay, die | |
| ebenfalls ein „außenpolitisches Update“ fordert: „Die Russlanddebatte hat | |
| uns massiv geschadet“, ist Lay überzeugt. Das spielt an auf eine Erklärung | |
| von Sahra Wagenknecht und sechs weiteren Fraktionsmitgliedern, die den USA | |
| eine „maßgebliche“ Mitverantwortung für Russlands Krieg gegen die Ukraine | |
| geben. Die Linkspartei müsse ihre Haltung zu Russland klar ziehen. „Wir | |
| müssen deutlich machen, dass wir Russlands Krieg weder unterstützen noch | |
| relativieren.“ Lay hofft, dass der Parteitag im Juni einen Prozess zur | |
| Klärung dieser und anderer offener Fragen startet. | |
| 28 Mar 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
| Anna Lehmann | |
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