# taz.de -- Thomas Müller und Menschenrechte: Erwünschte Phrasen | |
> Thomas Müller hat sich differenziert zu Katar geäußert und kassiert einen | |
> Shitstorm. Das sagt mehr über Deutschland als über ihn. | |
Bild: Normalerweise Liebling der Deutschen, nun „Schwafelhans“: Thomas Mül… | |
Am Samstagabend gegen Israel hatten sich die Gemüter schon wieder | |
abgekühlt. Denn Robert Habeck ist ja nicht der einzige Deutsche, der | |
aktuell ein Katar-Problem hat. Über Thomas Müller ergoss sich [1][in den | |
letzten Tagen ein Twitter-Shitstorm], angezettelt etwa von 11 | |
Freunde-Zampano Philipp Köster. Der DFB wollte diese Woche dabei alles | |
richtiger machen. Er ließ seine Spieler von Amnesty International und Human | |
Rights Watch zu Katar briefen – über Sklaven sprechen [2][statt Sklaven | |
verleugnen] ist die neue Devise. | |
Müller [3][sprach dann am Donnerstag] von „Menschenrechtsverletzungen, die | |
in jedem Land auftreten. Auch in Deutschland gibt es | |
Menschenrechtsverletzungen.“ In Katar seien sie aber eklatanter, weil viele | |
Dinge, „die wir mittlerweile als normal ansehen“, wie Frauenrechte oder | |
Arbeitsrecht, „anders umgesetzt“ würden. Es sei nicht so einfach zu sagen: | |
„Jetzt macht das mal so, wie wir das gerne wollen.“ Er wünsche sich | |
trotzdem, dass der DFB und die Fifa die Menschenrechtslage in Katar | |
verbessern, das Team werde aber „das Sportliche an erste Stelle“ setzen. | |
Ein durchaus differenziertes und gar nicht mal schlechtes Statement. Doch | |
ergoss sich der Hohn über Müller. Er solle doch mal benennen, wo die | |
deutsche Regierung Menschenrechtsverletzungen anordne. Wer eigentlich auf | |
die blöde Idee gekommen sei, Fußballer zu Politik zu befragen. Er | |
relativiere Frauenrechte. Der ganze Kübel bürgerlich-moralischer Empörung. | |
Da hatte jemand gewagt, von der Leitlinie der Verurteilung abzuweichen. Und | |
offen eingeräumt, dass er lieber Fußball spielt. | |
## Deutschland verletzt Menschenrechte | |
Nun lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wie viel Müller von linker | |
Kritik versteht (vermutlich wenig), und ob er bloß relativierte. Aber | |
natürlich liegt er richtig, Deutschland verletzt Menschenrechte. Täglich. | |
[4][Massive Emissionen], die maßgeblich zu Vertreibung, Flucht und Tod | |
beitragen, eine [5][rassistische und tödliche Abschottungspolitik] und | |
[6][Lager in Libyen], ein [7][extremer Reichtum], der das Recht auf ein | |
würdiges Leben der anderen verletzt. | |
Auch liegt Müller richtig damit, es sei schwer, einen Staat von außen | |
umzukrempeln. Aber die deutsche Öffentlichkeit verträgt Differenziertheit | |
nicht gut. Und nun springt eine Klientel für Frauenrechte in die Bresche, | |
deren Kernmagazin 11 Freunde seit Jahrzehnten den Männerfußball abfeiert. | |
Wessen blöde Idee es übrigens gewesen ist, Fußballer zu Politik zu | |
befragen? Nun, die Spieler sollten sich doch endlich mal politisch, ehrlich | |
und ohne Phrasen äußern. Letztlich will man von Fußballern nur Phrasen | |
hören. Andere, erwünschte Phrasen. | |
27 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.watson.de/sport/fu%C3%9Fball/132073196-thomas-mueller-kassiert-… | |
[2] /Kolumne-Kulturbeutel/!5054527 | |
[3] https://www.stern.de/sport/fussball/thomas-mueller--bei-menschenrechten-in-… | |
[4] /Analyse-zu-CO2-Emissionen-seit-1850/!5807527 | |
[5] /Meinungsumfrage-zu-Migrationspolitik/!5779674 | |
[6] /Bericht-zu-Folter-in-Libyen/!5787039 | |
[7] /Studie-zu-Verteilung-von-Vermoegen/!5695974 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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