Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Putins Feind ist die Nato
> Die Außenpolitik des Westens verlässt sich auf die magische Funktion von
> Worten: etwas zu sagen ersetzt die Notwendigkeit, etwas zu tun.
Bild: Norwegische Soldaten beim Nato-Mannöver „Cold Response 2022“ am Nör…
August 2013. Die [1][Assad-Diktatur in Syrien beschießt die eigene
Bevölkerung mit chemischen Waffen]. Über 2000 Menschen sterben.
US-Präsident Barack Obama hat zuvor einen C-Waffen-Einsatz in Syrien als
„rote Linie“ bezeichnet. Und doch gibt es keine Konsequenzen.
Sechs Monate später überfällt [2][Russland die Ukraine und annektiert die
Krim].
August 2021. [3][Afghanistans Taliban] stoßen auf Kabul vor. Die USA,
vertragliche Schutzmacht der Regierung, ziehen hastig ab und überlassen
ihre Verbündeten sich selbst. Die Taliban übernehmen kampflos die Macht.
Sechs Monate später [4][überfällt Russland die Ukraine] und bombardiert
Kiew.
Zwei Dinge lassen sich daraus schließen: Erstens: Der Westen hält sich
nicht an das, was er sagt. Zweitens: Putin nutzt das aus, um seinen
Ukraine-Komplex zu befriedigen.
## Versprechen blieben unerfüllt
Westliche Außenpolitik trägt gern Werte vor in der Hoffnung, dass dies
Handlungen ersetzt. Man sagt etwas, statt es zu tun. Man schreibt Worten
eine abschreckende, ja magische Funktion zu: die verbale Drohung genügt, um
sie nicht umsetzen zu müssen.
Putin hat das längst durchschaut. Schon 2008 sollten die Ukraine und
Georgien Nato-Mitglieder werden. Deutschland und Frankreich waren dagegen.
Also gab es nur die theoretische Zusage, aber keinen Beitrittsprozess. Vier
Monate später verleibte sich Russland Teile von Georgien ein.
Wäre die Nato-Osterweiterung 2008 vollendet worden, wäre Assad 2013 in die
Schranken gewiesen worden, wäre Kabul 2021 verteidigt worden – die Welt
wäre heute eine friedlichere. Das verbrannte Trümmerfeld namens Mariupol
wird in die Geschichte als Putins Vermächtnis eingehen, aber auch als
Mahnmal für ein westliches Politikverständnis, das nicht begriffen hat, wie
viele Menschenleben es kostet, markige Worte in Nichtstun münden zu lassen.
Der russische Präsident hat aus seinen Ambitionen, die Ukraine zu
zerschlagen, nie einen Hehl gemacht. Aber hier hielt man das für ebenso
leere Rhetorik wie die eigene. Natürlich ist auch Putin ein Meister der
Lüge. Er lügt nur so offen, dass der Westen auch das wieder nicht ernst
nimmt. In den laufenden Friedensgesprächen mit Kiew fordert Moskau eine
neutrale, demilitarisierte Ukraine. Das ist Unsinn.
Ein neutraler Staat kann nicht demilitarisiert sein, er hat ja keine
Verbündeten. Im realen Leben sind neutrale Staaten hochgradig abwehrbereit.
Man blicke auf die Schweiz, auf Finnland, auf Schweden. Auf so eine
Neutralität könnte sich Kiew einlassen: eine starke, wehrhafte Ukraine, die
Russland in Schach hält und dafür die Nato nicht braucht.
## Entweder neutral oder demilitarisiert
Aber das will Russland natürlich nicht. Neutral soll nicht die Ukraine
werden, sondern die Nato. Sie soll stillhalten, während die Ukraine
vernichtet wird. Wenn Russland Neutralität und Demilitarisierung sagt,
meint es nicht die Ukraine, sondern den Westen. In Moskau wird das offen
gesagt. Der Ukrainekrieg ist da der Anfang des großen Feldzugs gegen die
dekadente westliche Liberalität. Es wird diskutiert, dass man in 30
Sekunden Warschau auslöschen könnte und dass es an der Zeit sei, einen
Landkorridor nach Kaliningrad zu schaffen.
Für Putin ist längst die Nato der Kriegsgegner. Ist die Nato bereit, diese
Rolle anzunehmen? Was wäre, wenn russische Raketen in Polen einschlagen
oder russische Soldaten einen Streifen von Litauen okkupieren? Gilt dann
die Nato-Beistandsverpflichtung wirklich ohne Wenn und Aber?
Zweifel sind angebracht. Eine [5][Flugverbotszone über der Ukraine lehnt
die Nato ab], weil sie zum Atomkrieg mit Russland führen könnte. Aber wenn
die Angst vor dem Atomkrieg eine Flugverbotszone verhindert, verhindert sie
im Ernstfall nicht auch den Nato-Beistand an der Ostflanke? Mariupol darf
verrecken, aber für Vilnius riskiert man alles? Wirklich? Das ist noch
unglaubwürdiger als Obamas „rote Linie“ in Syrien oder die
US-Schutzgarantie für Afghanistan.
Wenn Russland mit seinem Krieg auf den Westen zielt, ist die Ukraine der
Ernstfall. Dann kann man nicht für Warschau kämpfen wollen, aber Kiew
allein lassen. Man kann nicht einen Kriegseinsatz gegen Russland in der
Ukraine ausschließen, zu dem man sich im Baltikum verpflichtet. Es ist Zeit
für Ehrlichkeit in der Außenpolitik.
25 Mar 2022
## LINKS
[1] /Krieg-in-Syrien/!5494600
[2] /Einsatz-in-der-Ukraine/!5047359
[3] /Vormarsch-der-afghanischen-Taliban/!5788192
[4] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[5] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/nato-stoltenberg-flugverbot-ukrain…
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Sicherheitspolitik
Nato
Atomwaffen
GNS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Finnland, Schweden und die Allianz: Jetzt in die Nato?
Die skandinavischen Länder debattieren über einen Beitritt. In Finnland
scheint eine Entscheidung schon gefallen zu sein. Schweden agiert
zurückhaltender.
Der Westen und Russland: Regime Change – was sonst?
Die einzige Lösung für Frieden ist ein Regime Change in Russland. Dieser
muss zugleich den Übergang in eine postfossile Weltwirtschaft einleiten.
US-Präsident in Polen: Biden zeigt die Zähne
Der US-Präsident erinnert in Warschau daran, dass die Nato mit
demokratischen Werten verbunden ist. Der Artikel 5 sei ihm „heilige
Verpflichtung“.
Verteidigungsminister Sergei Schoigu: Vom Putin-Liebling zum Sündenbock
Mehr als zwei Wochen lang gab es keine Spur von ihm, nun zeigen Videos den
russischen Minister bei der Arbeit. Das heizt die Spekulationen weiter an.
Unterschriften gegen Aufrüstungspläne: Nieder mit der Hochrüstung
Zehntausende haben einen Appell gegen die Hochrüstungspläne
unterschrieben. Der Krieg sollte nicht innenpolitisch instrumentalisiert
werden.
+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Bidens „heilige Verpflichtung“
Joe Biden gibt sich beim Polen-Besuch als verlässlicher Bündnispartner.
Putin könne nicht an der Macht bleiben. Die Stadt Tschernihiw meldet
katastrophale Zerstörung.
Nato-Sondergipfel in Brüssel: Mehr Waffen für die Ukraine
US-Präsident Biden verspricht eine „signifikante“ Unterstützung. Eine
Entsendung von Truppen schließt das Bündnis weiter aus.
Nato, G7 und EU teffen sich in Brüssel: Das Band soll noch enger werden
Auf drei Gipfeln berät der Westen am Donnerstag Konsequenzen aus dem Krieg.
Doch nicht in allen Fragen gibt es Einigkeit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.