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# taz.de -- Verteidigungsminister Sergei Schoigu: Vom Putin-Liebling zum Sünde…
> Mehr als zwei Wochen lang gab es keine Spur von ihm, nun zeigen Videos
> den russischen Minister bei der Arbeit. Das heizt die Spekulationen
> weiter an.
Bild: Verteidigungsminister Schoigu (rechts) bei einem früheren Treffen mit Pr…
Moskau taz | Ein schwarzes T-Shirt, darauf in weiß gedruckt die Gesichter
des russischen Außenministers Sergej Lawrow und des Verteidigungsministers
Sergei Schoigu – der eine mit Brille, der andere mit Militärschirmmütze.
Sie schauen entschlossen, ziehen die Lippen nach unten. „Wer nicht mit
Lawrow reden will, muss mit Schoigu reden“, steht darunter. Das
patriotische Stück ist in Russland für umgerechnet knapp zehn Euro an
Marktständen oder in Läden für Militaria zu haben.
Der Spruch findet sich seit [1][Moskaus Syrieneinsatz] nicht nur auf
Klamotten, er wird auch gern im russischen Außenministerium verwendet. Nach
dem Motto: Wer nicht hören will, muss fühlen. Das russische Militär ist
längst zur Erweiterung der russischen Diplomatie geworden.
Wie gnadenlos die Zusammenarbeit ist, zeigt der russische Angriff auf die
Ukraine. An der Spitze der „militärischen Spezialoperation“, wie der Kreml
den Angriff auf das Nachbarland offiziell bezeichnet: Sergei Schoigu,
Putins derzeit wichtigster Mann. Seit dem 11. März fehlte jede Spur von
ihm. Deshalb rätselte die Welt: Ist er bei Putin in Ungnade gefallen? Oder
gar krank?
Nun hat sich Schoigu nach zwei Wochen Schweigen zu Wort gemeldet. In
[2][einer kurzen Videosequenz], veröffentlicht durch sein Ministerium,
spricht er bei einer Sitzung über Budgetfragen und Waffenlieferungen. Ein
am Donnerstag ausgestrahltes Video zeigte den Minister bei einem Treffen
mit Präsident Wladimir Putin. Gesprochen hatte er aber nicht. Doch diese
demonstrativen Aufzeichnungen, wie der Verteidigungsminister angeblich
seiner Arbeit nachgeht, sorgen für weitere Spekulationen.
## Schoigus Erfolg in der Ukraine bleibt aus
Schoigu war es, der die früher belächelten, ärmlichen Streitkräfte zum
modernen und effizienten Apparat umgebaut hat. Er war es, der für die
[3][Eroberung der ukrainischen Halbinsel Krim] zuständig war und auch für
die Intervention in Syrien ein Jahr später. Er verhalf dem Militär in der
russischen Gesellschaft zu Ansehen und soll dem russischen Präsidenten
derzeit den gewünschten Erfolg in der Ukraine liefern. Das aber klappt
nicht.
Der Minister hatte stets wiederholt, die „Spezialoperation“ werde bis zum
„Erreichen der gesetzten Ziele“ weitergeführt. Diese Ziele hatte Putin,
bevor die russischen Panzer die Grenze zur Ukraine überschritten hatten, in
einer hasserfüllten Rede so formuliert: „Entmilitarisierung und
Entnazifizierung“ der Ukraine, zudem wolle er „jeden, der für die blutigen
Verbrechen an der friedlichen Bevölkerung im Land verantwortlich“ sei, vor
Gericht bringen. Ohne eine Kapitulation der Ukraine ließen sich solche
Ziele kaum erreichen.
Schoigu, so wie alle Vertreter der russischen Regierung, werden nicht müde,
zu wiederholen: „Die russische Armee besetzt kein ukrainisches Territorium
und ergreift alle Maßnahmen, um das Leben und die Sicherheit von Zivilisten
zu schützen.“ Es ist Russlands verdrehte Realität, die der Kreml der
eigenen Bevölkerung und der Welt weismachen will.
## Einer, der zupacken kann
Schoigu stammt aus Tuwa, einer ärmlichen Region an der Grenze zur Mongolei.
Seine Vorfahren waren Nomaden, die Familie seiner Mutter soll aus der
Ukraine stammen. Als Fünfjähriger soll er in der Region Luhansk getauft
worden sein, erzählte er vor einigen Jahren russischen Medien. Es muss eine
Untergrundkirche gewesen sein, denn die offene Ausübung des Glaubens war zu
Sowjetzeiten verboten.
Sein Vater war ein hoher Beamter in der örtlichen Abteilung der
Kommunistischen Partei. Schoigu studierte Bauingenieurwesen in Krasnojarsk
in Sibirien und kam kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach Moskau.
Der heute 66-Jährige stellte sich auf die Seite von Boris Jelzin, des
ersten Präsidenten Russlands.
Zunächst noch freiwilliger Helfer bei Noteinsätzen, wurde er Anfang der
1990er Jahre schnell zum umtriebigen Problemlöser in Katastrophenfällen –
und schließlich zum Minister für Katastrophenschutz. Bis dahin hatten die
Menschen in Russland kaum einen Beamten gesehen, der bei Überschwemmungen
oder Bombenanschlägen zupackt. Die Zugewandtheit zu den Menschen machte ihn
in der Bevölkerung beliebt.
Als der General, der keinen Wehrdienst absolviert hatte, 2012 schließlich
zum Verteidigungsminister wurde, freuten sich auch viele Militärangehörige:
Endlich einer, der ohne viel Worte zu verlieren für Reformen sorgte. Zu
dieser Zeit hatte sich auch in der Sicherheitshierarchie des Kremls ein
Wandel vollzogen: War die Armee früher kaum in die Politik eingebunden und
Geheimdiensten untergeordnet, aus dessen Reihen auch Putin stammt, so
stärkte Putin nach und nach die Rolle seines Militärs, stattete es mit
neuen Technologien aus, machte aus einer rückständigen Truppe eine
hochgerüstete Schlagkraft.
Der wortkarge Schoigu gilt als Vertrauter Putins, regelmäßig streifen die
beiden in ihrem Urlaub durch die Taiga, russische Staatsmedien stets an
ihrer Seite. Ihre Bilder zeigen Putin und Schoigu in gleichen
Leder-Fell-Jacken im Geländewagen, Putin und Schoigu beim Kräutersammeln
für den Tee, Putin und Schoigu beim Brotessen. Doch durch die bereits jetzt
[4][verlustreiche Schlacht um die Ukraine] könnte Putins Liebling zu Putins
Sündenbock werden.
27 Mar 2022
## LINKS
[1] /Putins-Armee-probte-in-Syrien/!5836793
[2] https://t.me/rian_ru/155772
[3] /Nationalistische-Feier-in-Moskau/!5842594
[4] /Krieg-in-der-Ukraine/!5841159
## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
Russland
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