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# taz.de -- Berliner Mauerpark: Im Gewühl auf der Suche nach Vinyl
> Der Flohmarkt am Berliner Mauerpark ist zu einem Jahrmarkt geworden. Fans
> von alten Schallplatten kommt das teuer zu stehen.
Bild: Beim Prüfen der Ware auf dem Flohmarkt am Mauerpark
Mit Flohmarkt hat Berlins größter, wöchentlich stattfindender Flohmarkt am
Mauerpark nur noch am Rande zu tun. Zwischen Fressbuden, Nippesständen und
fliegenden Klamottenhändlern muss man die paar Anbieter von klassischem
Flohmarkt-Gebrauchtem förmlich suchen.
Aus einem Floh- ist ein Jahrmarkt geworden. Und der wiederum Teil von
etwas, das man vielleicht sonntäglichen Mauerparkrummel nennen könnte.
Begibt man sich an einem sonnigen Sonntag wie dem letzten auch nur in die
Nähe des [1][Parks, den einst die Berliner Mauer durchzogen hat], wird man
von Menschenmassen schier niedergetrampelt, die scheinbar alle nichts
Besseres zu tun haben, als auf dem extrem schmucklosen Areal, das aussieht
wie ein völlig abgenutzter Fußballplatz in der Kreisliga, so etwas wie
Wochenenderholung zu suchen. Familien grillen, es wird gekickt, an jeder
Ecke plärren Straßenmusiker und das längst berühmte Freiluftkaraoke findet
auch noch statt.
Der Flohmarkt hier ist also nur noch klitzekleiner Teil eines wöchentlichen
Events, dessen Kulisse ein ganzer Stadtteil ist. In den anliegenden Cafés
ist ebenfalls die Hölle los, vor einer Eisdiele bildet sich eine endlose
Schlange. Wir stapfen selbst ums Eck zu einem Laden, in dem es angeblich
die besten Zimtschnecken der ganzen Stadt geben soll. Auch hier warten viel
zu viele Leute auf Einlass. Aber die Zimtschnecke ist wirklich gut.
Dass man als Flohmarktgänger in diesem ganzen Gewusel das als
vernachlässigt betrachten muss, wegen dem man eigentlich hier ist, liegt
dann auf der Hand. An Schnäppchen, die man bei irgendwelchen Studenten
macht, die gerade ihren Haushalt auflösen, muss hier niemand mehr glauben.
Ernüchterung stellt sich auch ein, wenn man bei den Schallplattenhändlern
herumwühlt. Schwer zu sagen, ob sie hier in Prenzlauer Berg, wo nicht
gerade die ärmsten Berliner und Berlinerinnen leben und man auf Touristen
mit locker sitzenden Geldbeuteln hofft, besonders teuer sind. Aber selbst
für Mauerpark-Flohmarkt-Verhältnisse haben die Preise im Vergleich zur
letzten Saison nochmals ordentlich angezogen. 25 Euro für irgendeine alte
Platte von The Cure! Das hat eigentlich mal nicht mehr als 15 Euro
gekostet. Runtergehandelt vielleicht 13,50 Euro!
Vielleicht liegts an der Inflation, daran, dass ja auch die Butter im
Supermarkt und der Döner am Imbiss teurer geworden sind. Vielleicht bildet
sich der neue hohe Ölpreis dank Putins Krieg jetzt schon in altem Vinyl ab.
Noch wahrscheinlicher aber ist, dass [2][der allgemein grassierende
Schallplattenboom], der zu immer höheren Preisen bei der Neuware führt,
jetzt auch bei den Flohmarktplatten ankommt. Platten, so lange sie nicht
von Heintje oder Peter Alexander stammen, steigen einfach im Wert.
Keine guten Aussichten also für [3][Flohmarktgänger mit einer Passion für
Vinyl]. Die Saison geht jetzt erst richtig wieder los – auch auf den
Flohmärkten, die sich anders als der am Mauerpark noch als solche
verstehen. Doch ich befürchte ein wenig, dass meine Plattentasche in diesem
Jahr ziemlich leer bleiben muss.
26 Mar 2022
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## AUTOREN
Andreas Hartmann
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