# taz.de -- Die Krise an der Tanke: Die Ärmsten der Armen und das Auto | |
> Die Preise für Benzin steigen, und gleich ist der Ärger auf den Straßen | |
> groß. Da muss der Autofahrer doch „mit letztem Tropfen zum Protest“. | |
Bild: Solange die Karre eben fährt | |
HAMBURG taz | Am meisten soll es wieder die „Ärmsten der Armen“ treffen. Es | |
geht um die [1][steigenden Spritpreise]. Ich weiß nicht genau, wer mit „die | |
Ärmsten der Armen“ gemeint ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass | |
zumindest die „Ärmsten der Armen“ kein Auto besitzen. Es ist schon im | |
Unterhalt teuer und deshalb habe ich, zum Beispiel, auch keins. | |
Ich hatte mal eines, das ist mehr als fünfundzwanzig Jahre her, ich kam vom | |
Land. In Hamburg aber komme ich sehr gut ohne Auto zurecht. Ich kenne | |
natürlich das Todesargument mit der Familie! | |
Als Familie kann man in den Köpfen mancher Menschen ohne Auto quasi gar | |
nicht überleben. Man denke nur an die ganzen Verabredungen, Geburtstage, | |
Ausflüge, Urlaube. | |
Ich habe so gelebt, mit zwei Kindern, ohne Auto. Ja, wie hat sie das nur | |
gemacht? | |
## Sechs Stunden Autokorso | |
Am Samstag gab es in Hamburg eine Demonstration. Über sechs Stunden hupte | |
ein Autokorso von Neuallermöhe nach Wedel. Leute aus der Tuning-Szene | |
sollen dabei gewesen sein, aber auch der eine oder andere Spediteur oder | |
Landwirt. | |
Mal abgesehen davon, dass es verboten sein sollte, in einem Auto zu | |
demonstrieren, auf seinem warmen Arsch, während man die Luft verpestet und | |
alle anderen Menschen damit gesundheitlich schädigt, ist es schon | |
erstaunlich, was für Autos da unterwegs waren. Autos, die so viel Geld | |
kosten, dass mir ganz warm wird bei dem Gedanken, es jemals auf meinem | |
Konto haben zu können. | |
„Mit letztem Tropfen zum Protest.“ „Stoppt die Tankabzocke!“ „Stoppt … | |
Wahnsinn!“ Auf einem Pappschild, das sich ein Demonstrant auf die | |
Heckscheibe geklebt hatte, stand „Wir sind nicht die Melk-Kühe der Nation“. | |
Wer ist „die Nation“, und wie kommt sie an das Geld, das bei diesem | |
„Melken“ herauskommen soll? | |
Ich habe vom [2][Autoverkehr bisher nichts als Lärm] und schlechte Luft | |
gehabt. Wenn ich nun, als Teil der Nation, den Autofahrer ein wenig melken | |
könnte, dann wäre ich gerne dabei. Ich fürchte nur, für mich fällt dabei | |
wenig ab. | |
Meines Wissens sind Aral, Shell und Jet nicht Staatseigentum. Soll der | |
Staat denen die Preise diktieren? Was soll das werden, Sozialismus? Im | |
Sozialismus, Freunde, und ich spreche da aus Erfahrung, würdet ihr solche | |
Autos gar nicht fahren. Da würden solche Autos nicht einmal existieren. | |
Autofahren ist kein Grundrecht, und hohe Benzinpreise verletzen nicht die | |
Würde des Menschen. | |
Es geht um die Energiesteuer. Wer bezahlt schon gern für den Schaden, den | |
er selbst in der Welt anrichtet? Kostenlos will jeder seinen Müll auf der | |
Kippe im Wald abladen, wie man das in meiner Kindheit noch tat. Aber damit | |
ist es, seitdem es die europäische Energiesteuerrichtlinie gibt, nun mal | |
vorbei. Autofahren hinterlässt unsichtbaren Müll (Stickstoffdioxid, | |
Feinstaub oder Kohlenmonoxid), das kostet zu Recht. | |
Aber ich habe einen guten Vorschlag: Schreibt einen Brief an Putin, | |
vielleicht sieht er ein, dass das Autofahren für euch sehr wichtig ist, und | |
ändert seine Absichten. Wahrscheinlich stabilisieren sich dann die Ölpreise | |
und die Steuern werden dann auch weniger. | |
Steuern werden übrigens auch für euch ausgegeben, für die Straßen, auf | |
denen ihr fahrt, für die Schulen, die ihr besuchen durftet, und für den | |
neuen Verteidigungshaushalt. So ist das eben. Krieg ist Scheiße und wird | |
für uns alle teuer werden. Aber wir sind (noch) nicht im Krieg. Wir können | |
noch immer mit unseren Freunden auf der Treppe sitzen, ein Glas in der | |
Hand, und vom Sommer träumen. In diesem Sinne: Check your privilege! | |
17 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Seddig | |
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