Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Klimaschutz an Schulen: Pausendienst für das Klima
> In Prenzlauer Berg hat eine Schule eine Klimavereinbarung mit dem
> Berliner Senat ausgearbeitet. Die Kinder trennen Müll und hoffen auf
> Nachahmer.
Bild: Ein eigenes Beet sensibilisiert für den Klimawandel, an der Klimabilanz …
Berlin taz | Große Pause: Für die Sechstklässler:innen der Schule am
Senefelderplatz im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg bedeutet das diese
Woche Müll sammeln auf dem Pausenhof. Nicht als Strafe, sondern weil
Vertreter:innen des Schüler:innenparlaments vor zwei Wochen vor
den Augen von Berlins sozialdemokratischer Bildungssenatorin Astrid-Sabine
Busse recht [1][feierlich eine von allen Schüler:innen ausgearbeitete
Klimavereinbarung unterschrieben] haben. In dieser verpflichten sie sich
auch zum regelmäßigen Müllsammeln auf dem Hof. Beim Hausmeister holen sie
sich rote Plastikeimer und Holzzangen und machen sich auffallend motiviert
an die Arbeit. Nächste Woche ist dann eine andere Klassenstufe dran.
Die Grundschule ist eine der ersten Schulen, die eine solche
Klimavereinbarung abgeschlossen hat. „Der Vorschlag kam im September
letzten Jahres von der damaligen Bildungssenatorin Sandra Scheeres. Sie hat
uns angeschrieben und gefragt, ob wir nicht eine Klimavereinbarung
erarbeiten wollten“, erzählt die stellvertretende Schulleiterin Josephine
Pollack, die das Projekt das letzte Schulhalbjahr über betreut hat. Sie
habe die Idee den Schüler:innen vorgeschlagen und diese hätten großes
Interesse gezeigt. Es gab Anregungen und Material, zum Beispiel eine von
Klimawissenschaftler:innen erarbeitete Mustervorlage für die
Klimavereinbarung.
Die Endfassung „Gutes Klima, Zukunft prima“ hätten die Kinder aber letzten
Endes in vielen Stunden des Ideensammelns, Zusammentragens und
untereinander Abstimmens eigenständig erstellt, erzählt Pollack. Als
Höhepunkt des Projekts habe das Schüler:innenparlament an der
Klimazukunftskonferenz im vergangenen Dezember teilgenommen, die seit 2019
jährlich im Zeiss-Großplanetarium im Prenzlauer Berg stattfindet. Hier
erhielten sie in wissenschaftlichen Vorträgen und Workshops den nötigen
Input zur Umsetzung von Klimaschutz an ihrer Schule. Die Senatsverwaltung
für Bildung, Jugend und Familie organisiert die Konferenz mit dem Ziel,
Klimabildung für möglichst viele Schulen zu fördern.
Neben der Schule am Senefelderplatz haben auch noch das
Immanuel-Kant-Gymnasium in Lichtenberg und die Schule am Bienenwaldring in
Neukölln, ein Förderzentrum mit sonderpädagogischem Schwerpunkt, eine
Klimavereinbarung unterschrieben. Dass eine Grundschule so viel
Begeisterung und Initiative für das Thema zeigt, bewegte Senatorin Busse
schließlich dazu, Patin der Schule zu werden und bei der Unterzeichnung
dabei zu sein. Wenn es nach ihr ginge, soll die Schule eine Blaupause für
Klimapädagogik in ganz Berlin, oder besser noch, ganz Deutschland werden.
Ein realistischer Wunsch?
## Projekte für Klimaschutz an deutschen Schulen
Tatsächlich ist Berlin bislang das einzige Bundesland, in dem Schulen
eigene Klimavereinbarungen aufstellen. Dennoch: Klimaschutz ist
mittlerweile bundesweit ein fester Bestandteil in den Lehrplänen.
Klimabildung soll dabei fächerübergreifend angegangen werden. In
Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen ist
beispielsweise „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ fest im Bildungsplan
des jeweiligen Landes verankert.
In Hamburg haben manche Schulen sogenannte Klimaräte. Der Klimarat eines
Gymnasiums im Hamburger Stadtteil Altona hat „Klima-Challenges“ gestartet,
um Menschen zu mehr nachhaltigem Handeln im Alltag zu motivieren, und sich
Herausforderungen überlegt, wie zum Beispiel: Schaffst du es, eine Woche
lang in der Mittagspause ohne Plastikverpackungen auszukommen?
Die Grundschule in Prenzlauer Berg hat wohl die perfekten Startbedingungen,
was Klimathemen angeht: Viele der rund 400 Schüler:innen seien schon vom
Elternhaus aus für das Thema sensibilisiert, sagt Pollack. „Einige waren
schon mit ihren Eltern auf Fridays-for-Future-Demos und wissen gut
Bescheid. Viele Eltern kaufen im Biomarkt ein und konsumieren bewusst
weniger Fleisch.“ Dennoch sei es der Schule wichtig, ärmere Familien nicht
zu benachteiligen und auch denjenigen kein schlechtes Gewissen zu machen,
die zu Hause nicht so viel Wert auf Klimaschutz legen oder legen können,
betont die Lehrerin.
Auf dem Berliner Lehrplan steht das Thema ohnehin sehr stark im Fokus: „In
jedem Schulfach kann man was für das Klima lernen“, sagt Senatorin Busse
bei ihrer Ansprache an die Kinder. Das zeigt sich auch an der Schule am
Senefelderplatz: Josephine Pollack erzählt von ihrem Kunstunterricht, in
dem die Kinder Eisbären malen sollten und bei der Suche nach Vorlagen auf
Fotos von abgemagerten Eisbären in freier Wildbahn gestoßen sind. Dadurch
sei das Thema Klimakrise automatisch in den Unterricht eingeflossen. Oft
komme aber der Bezug zur Klimakrise von den Kindern selbst, erzählt sie
weiter. Als sie sich für den Sportunterricht überlegen sollten, wie sie
sich das perfekte Olympiastadion vorstellten, erwähnten sie erneuerbare
Energien und nachhaltige Bauweisen.
## Für eine frühe Sensibilisierung für den Klimawandel
Der Schwerpunkt liegt somit sehr stark auf dem pädagogischen Aspekt, um die
Schüler:innen früh über die Klimakrise aufzuklären. Für andere
Unterrichtsthemen, wie etwa die Demokratiebildung, lautet die Devise
ebenfalls „je früher, desto besser“, bekräftigt die Forschungseinrichtung
Deutsches Jugendinstitut. Eine möglichst frühe Sensibilisierung sei
wichtig, da die Entwicklung eines Werte- und Normensystems bereits mit der
Geburt beginne. Analog dazu soll ein frühes Bewusstsein für den Klimawandel
eine langfristige Auswirkung auf das Handeln der Kinder und somit auf das
Klima haben.
Mehr Pflanzen im Klassenzimmer und der Energiedienst, der dafür sorgen
soll, dass das Licht in den Räumen nicht unnötig brennt, verändern
insgesamt wohl eher wenig. Das sei auch nicht der Anspruch der Schule, sagt
Pollack. Viele Menschen hätten sehr hohe Erwartungen, dass eine solche
Initiative eine Klimabilanz weitreichend verbessere. Aber: „Für uns hat die
Tatsache, dass die Vereinbarung aus der Schüler:innenschaft entwickelt
wurde, einen enormen Wert. Wenn andere darauf aufmerksam werden und sich
unser Vorhaben in anderen Schulen multipliziert, haben wir im Kleinen etwas
Größeres geschafft“, sagt sie.
Auch Schulleiterin Simone Schumann betont bei der Unterzeichnung, dass beim
Klima „die kleinen Dinge wichtig“ seien. Damit setzt sie den Fokus ihrer
Schule bei Klimaschutz auf Eigenverantwortung. So auch bei der konsequenten
Mülltrennung – neben dem Energiedienst sowie dem gemeinsamen Müllsammeln
einer der wichtigsten Punkte der Klimavereinbarung.
Die Schule hat zwei Tonnen anschaffen lassen: eine blaue für Papier und
eine gelbe für Plastikmüll. In jeder Klasse sorgt der zuständige
Klassendienst nicht nur dafür, dass der jeweilige Müll in den richtigen
Eimern landet, sondern bringt diese am Ende des Tages zu den Tonnen, um die
Mülltrennung zu gewährleisten. Eigentlich seien die Reinigungskräfte dafür
zuständig, diese werden aber von großen Reinigungsunternehmen geschickt,
würden dann meist alles in eine Tonne werfen und niemand könne das
kontrollieren. Nun übernehmen die Schüler:innen diese Verantwortung.
## Auch die Klimabilanz könnte sich verbessern
Diese Maßnahme könnte am Ende die größte Wirkung für die Klimabilanz
entfalten. Denn laut dem von Greenpeace und dem Institut für Energie- und
Umweltforschung Heidelberg entwickelten CO2-Schulrechner spart schon jede
Tonne verwertbares Plastik oder Papier, das nicht im Restmüll landet, 350
Kilogramm CO2 ein – das entspricht etwa einer 2.000 Kilometer langen
Autofahrt.
Und so scheint bei den Schüler:innen bislang auch noch kein
Ohnmachtsempfinden angesichts der drohenden Klimakatastrophe eingetreten zu
sein. Im Gegenteil: Bei der Unterzeichnung reißen sich die Kinder geradezu
um den Ökodienst. Für die Klassenfahrt im Sommer ist unter anderem auch
eine Müllsammelaktion am Ostseestrand geplant.
Patin Astrid-Sabine Busse betonte gegenüber den Schüler:innen, wie
besonders das Projekt sei, da jede Schule die Möglichkeit bekomme, ihre
individuellen Entscheidungen zu treffen. Die Klimavereinbarungen an den
Berliner Schulen sind zudem unabhängig von [2][Auszeichnungen, die es
deutschlandweit für Schulen gibt, die besonders umweltverträgliche Konzepte
ausgearbeitet haben]. Projekte wie „Thüringer Nachhaltigkeitsschule –
Umweltschule in Europa“, „Klimaschule“ oder „Schulen der Zukunft“ bie…
Preisgelder und Unterstützung vom Land für die Umsetzung von Klimaschutz an
Schulen.
Um eine solche Auszeichnung möchte sich Schulleiterin Simone Schumann aber
erst einmal nicht bewerben. In ihrem Projekt geht es vor allem darum, dass
die Kinder selbst in demokratischen Prozessen innerhalb von Klassen- und
Schulrat die für sie wichtigen Kriterien ausgearbeitet haben und diese
jetzt umsetzen. Um von den Lehrer:innen aufgesetzte Regeln zum
Klimaschutz soll es hingegen nicht gehen.
## Auf Nachahmer:innen hoffen, Eigenverantwortung üben
Einen Kiosk, um als Schule ein Zeichen gegen Verpackungsmüll oder
klimaschädliche Lebensmittel zu setzen, hat die Schule am Senefelderplatz
nicht. Dafür gibt es ein Beet auf dem Schulhof und zumindest einige
motivierte Schüler:innen, die dafür sorgen wollen, dass das Pausenbrot in
wiederverwendbare Bienenwachstücher eingepackt wird statt in Alufolie.
Wie das genau durchgesetzt werden kann, ist nicht ganz klar – vor allem an
Schulen mit weniger klimasensibilisierten Schüler:innen. Ziel ist, dass
möglichst alle Berliner Schulen eine Klimavereinbarung abschließen, sagt
Martin Klesmann, Sprecher für Bildung des Berliner Senats.
Währenddessen setzen die engagierten Grundschüler:innen am
Senefelderplatz ihr kleines Zeichen für das Klima. Im Schatten der
Klimakrise sammeln, trennen und vermeiden sie Müll und hoffen auf
Nachahmer:innen.
17 Mar 2022
## LINKS
[1] /Archiv-Suche/!5838927&s=jim+anton&SuchRahmen=Print/
[2] /Umweltschutz-an-Schulen-in-Deutschland/!5704361
## AUTOREN
Ruth Lang Fuentes
## TAGS
Schule
Senatsverwaltung für Bildung
Berlin Prenzlauer Berg
Schwerpunkt Klimawandel
Nachhaltigkeit
Schwerpunkt Fridays For Future
Bildung
Klima
CO2-Emissionen
Schwerpunkt Fridays For Future
Alternatives Wohnen
Schule
Schule
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klimaschutz an Schulen: Die Saat geht langsam auf
Tausende Schulen thematisieren und praktizieren heute bereits Klimaschutz.
Manchen Aktivist:innen geht das aber noch nicht weit genug.
Klimaziele ins Grundgesetz: Hilft die Klimabremse?
Sollten klimapolitische Ziele ins Grundgesetz? Und ist es überhaupt
wirksam, wenn der Politik kurzfristiger Entscheidungsspielraum genommen
wird?
Lehrer-Verein für mehr Umweltbildung: Lernen, die Welt zu verändern
Die „Teachers for Future“ wollen Schüler:innen dabei unterstützen, die
Probleme unserer Zeit zu lösen. Schulen müssten sich dafür radikal wandeln.
Grüne Studierendenwohnheime: Nachhaltig wohnen
In Rosenheim entsteht das wohl nachhaltigste Studierendenwohnheim
Deutschlands – nur soll es nicht so heißen. Ein Besuch.
Prognose zum Lehrkräftemangel: Noch weniger Lehrkräfte als gedacht
Eine Studie kritisiert die Planung der Kultusministerien: 2030 würden nicht
wie gedacht nur 14.000 Lehrer*innen fehlen, sondern 81.000.
Umweltschutz an Schulen in Deutschland: Eine Honigsemmel vom Imker
Auch dank Fridays For Future sind Umweltschulen sehr beliebt. Bei den
Labels für nachhaltige Bildungsstätten gibt es aber große Unterschiede.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.