# taz.de -- Oberammergauer Passionsspiele: Jesus Christ! | |
> Am 14. Mai sollen in Oberammergau endlich die Passionsspiele Premiere | |
> feiern – und eine halbe Million Zuschauer in das Dorf locken. Und Corona? | |
OBERAMMERGAU taz | Christian Stückl steht in der Mitte des Kleinen Theaters | |
von Oberammergau, bebend, in einer Pose fast biblischen Zorns. „Ihr denkt, | |
er sei von Gott geschlagen“, ruft er in den Saal, „von ihm getroffen und | |
gebeugt? Nein. Er wurde geschlagen wegen unserer Verbrechen, wegen unserer | |
Sünden zermalmt.“ | |
Christian Stückl ist in diesem Moment nicht Christian Stückl, der Regisseur | |
und Spielleiter [1][der Oberammergauer Passionsspiele], sondern schlüpft in | |
die Rolle des Apostels Johannes, der gerade Zeuge wird, wie Jesus auf dem | |
Weg zur Kreuzigung zusammenbricht. Stückl führt dem Johannes-Darsteller | |
vor, wie er die kurze Szene ausdrucksvoller gestalten kann, in der sich | |
Johannes über die billigen Phrasen eines Weggefährten ärgert – von wegen | |
Gottes Fügung und so. „Da muss i spür’n, dass di des aufregt.“ | |
Auf dem Probenplan stehen an diesem Tag Mitte Februar die Szenen „Kreuzweg“ | |
und „Kreuzigung“. Die Mitwirkenden sitzen um Stückl herum. Sie tragen Jeans | |
und Kapuzenpullis, Holzfällerhemden und Daunenjacken. Die rund 2.000 | |
Kostüme hängen drüben im Passionstheater. Mit Ausnahme des rotsamtenen | |
Bühnenvorhangs strahlt der Saal wenig Theateratmosphäre aus. Keine | |
Requisiten, kein Bühnenbild. Die Schauspieler haben ihre Stühle im | |
Zuschauerraum im Halbkreis aufgestellt, manche gehen in dem kopierten | |
Textheftchen noch einmal still ihre Einsätze durch. Das Ganze sieht | |
zunächst mehr nach Bibelstunde als nach Theaterprobe aus. Doch die Stimmung | |
ist gut. Alle freuen sich, dass es endlich wieder vorangeht. | |
„Wir müssten die Szenen eigentlich draußen proben. Da ist so viel | |
Bildliches drin“, sagt Stückl zu seiner Truppe. Draußen, das hieße auf der | |
großen Freilichtbühne des Passionstheaters. „Ob wir das bis zur Premiere | |
hinkriegen? Jetzt lesma’s noch mal durch. Der Robert fängt an.“ | |
Natürlich laufen die Proben nicht so wie sonst alle zehn Jahre, wenn wieder | |
Passionsspiele in dem oberbayerischen Dorf anstehen. Immer wieder fehlen | |
Darsteller, weil sie sich mit Corona infiziert haben. Auch heute. Man ruft | |
sich gegenseitig zu, was man weiß: „Der hat Corona.“ Oder: „Ich glaub’… | |
seine Schwester ist positiv.“ Ein römischer Soldat hatte schon den dritten | |
Impfdurchbruch. Auch dass jede Rolle doppelt besetzt ist, hilft nicht | |
immer: Letzte Woche waren beide Judasse an Covid erkrankt. | |
Wer trotzdem kommt, muss sich beim Betreten des Saals einem Schnelltest | |
unterziehen. Stückl probt zudem in kleineren Gruppen als sonst üblich. | |
Waren früher 70 bis 80 Leute bei einer Probe, sind es jetzt zehn bis | |
zwanzig. Der zweite Spielleiter, Abdullah Karaca, spricht die Rollen der | |
Abwesenden ein. | |
Seit dem 6. Januar laufen die Proben, fast jeden Abend zwischen 19 und 22 | |
Uhr. Für die Hauptdarsteller, die in vielen Szenen auftreten, eine | |
anstrengende Zeit. Schließlich sind es ausschließlich Laien, die tagsüber | |
meist einem Beruf nachgehen. | |
## Spielleiter mit 24 Jahren | |
„Nun stehe ich in deinen Toren, Jerusalem“, liest eine der beiden Marien. | |
„Friede sei in deinen Mauern. Um meines Sohnes willen, will ich dir Frieden | |
wünschen.“ Stückl unterbricht. „Wenn du einer Stadt um deines Sohnes will… | |
Frieden wünschst, was bedeutet das eigentlich?“ Maria zögert. Stückl hilft | |
ihr: „Dann sagt du ja eigentlich: Ich hoffe, dass hier alles friedlich | |
bleibt. Du versuchst, dir das Positive einzureden. Noch kannst du dir | |
überhaupt nicht vorstellen, dass dein Sohn stirbt.“ | |
Der Versuch, sich das Positive einzureden, das | |
Sich-nicht-vorstellen-Können, dass dies hier am Ende wieder nichts werden | |
könnte – das kennzeichnet auch die gegenwärtige Probenstimmung. Natürlich | |
kann niemand eine Garantie dafür geben, dass den Oberammergauern nicht | |
wieder dasselbe blüht wie vor zwei Jahren. [2][2020 waren die | |
Passionsspiele das erste bayerische Großereignis, das der Pandemie zum | |
Opfer fiel.] In weiser Voraussicht hat man es damals nicht um ein, sondern | |
gleich um zwei Jahre verschoben. | |
Aber reicht das? Was, wenn die nächste Virusvariante den Veranstaltern | |
wieder einen Strich durch die Rechnung macht? Die Leipziger Buchmesse wurde | |
abgesagt, auch die Passionsspiele in Perlesreut im Bayerischen Wald finden | |
dieses Jahr wegen Corona nicht statt. Wohlgemerkt: Perlesreut! Die dortigen | |
Spiele sind überregional so wenig bekannt wie der Ort selbst, können | |
allenfalls als Miniaturausgabe von Oberammergau durchgehen. Hundert | |
Darsteller stehen dort auf der Bühne; in Oberammergau sind es rund 2.500. | |
Darsteller, nicht Zuschauer! | |
Über fast vier Jahrhunderte prägen die Spiele nun schon das Dorf, sind der | |
Taktgeber des Lebens hier. Sie sind identitätsstiftend und Motor der | |
Wirtschaft: „Unsere ganze Dorfstruktur ist so, dass wir alle zehn Jahre das | |
große Geschäft machen“, hat Stückl kurz vor der Probe in seinem Büro auf | |
der Rückseite des Festspielgebäudes erzählt. „Und dann ist wieder zehn | |
Jahre Pause.“ So hängt beispielsweise auch der Fortbestand des örtlichen | |
Schwimmbads letztlich vom Erfolg der Spiele ab. | |
Stückl, 60, tiefhängende Hose, darüber schlabbert das Hemd, alles in | |
Schwarz, gehört zu den bekanntesten Theatermachern in Deutschland. Er hat | |
an den Münchner Kammerspielen gearbeitet, den „Jedermann“ in Salzburg | |
inszeniert, seit 2002 ist er Intendant des [3][Münchner Volkstheaters]. | |
2006 hat er die Eröffnungsfeier der Fußballweltmeisterschaft inszeniert. Er | |
versteht sich auf große Spektakel. | |
Und er ist durch und durch Oberammergauer, von klein auf bei den | |
Passionsspielen dabei. Mit 16 steht für ihn fest: Eines Tages will er | |
Spielleiter werden. Mit 24 ist er es bereits. Inzwischen gibt es in der | |
Geschichte der Passionsspiele nur einen, der sie öfter leitete. | |
## „Da kann der Söder nicht mehr zurück“ | |
Drüben in der Dorfkirche von Oberammergau steht am rechten Altar das Kreuz, | |
an dem das Gelübde abgelegt worden sein soll, auf das sich die | |
Passionsspiele bis heute berufen. Es war 1633, mitten im Dreißigjährigen | |
Krieg, und die Pest wütete gerade in der Gegend. Man werde alle zehn Jahre | |
die Passionsgeschichte zur Aufführung bringen, wenn Gott das Dorf von der | |
Pest befreie, lautete der Schwur. Seither hat es, so die Überlieferung, | |
keinen einzigen Pesttoten mehr in Oberammergau gegeben. | |
Ohne Seuche gäbe es also die Spiele nicht. Aber wird es sie jetzt mit ihr | |
geben? | |
„Auf jeden Fall“, sagt Stückl, vor sich einen Cappuccino. Spätestens nach | |
den jüngsten Lockerungsübungen des bayerischen Ministerpräsidenten will | |
sich der Spielleiter von diesem Glauben nicht mehr abbringen lassen. „Da | |
kann der Söder nicht mehr zurück. Ich weiß nicht, ob die Spiele jetzt | |
genauso stattfinden, wie sie 2020 geplant waren, oder ob wir bloß 75 | |
Prozent reinlassen dürfen. Aber stattfinden werden sie.“ | |
Auch Jesus-Darsteller Frederik Mayet ist voller Zuversicht. Der 41-Jährige | |
kommt gerade ins Büro. Die glatten, dunkelblonden Haare sind schulterlang. | |
Jesus? Das passt. Mayets Äußeres ähnelt so mancher klassischen | |
Messias-Darstellung. Er ist aber auch Stückls Pressesprecher – im Münchner | |
Volkstheater ebenso wie bei den Passionsspielen. „Das wird ein super Sommer | |
werden“, sagt Mayet. „Das Passionsspiel kommt jetzt genau richtig. Dass man | |
endlich wieder zusammenkommt. Dass die Leute ins Theater gehen. Das sind so | |
Sachen, die in den letzten zwei Jahren bei fast allen viel zu kurz gekommen | |
sind.“ | |
## Die Jungen fehlen | |
Auch im Probenraum denken viele so. Sophie Schuster, eine der beiden | |
Darstellerinnen der Maria Magdalena, kann sich noch gut erinnern, wie ihr | |
die Absage vor zwei Jahren den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Aber | |
jetzt ist sie guter Dinge: „Stand heute, habe ich ein gutes Gefühl. Ich bin | |
jetzt echt motiviert und freu’ mich.“ | |
Der Herr wird’s schon richten. | |
Nur was mit den rund 120.000 Karten passiert, die man auf den | |
amerikanischen Markt geworfen hat, ist noch nicht absehbar. Amerikaner | |
lieben das Jesus-Spektakel am Fuße des Kofel, gut ein Viertel des Publikums | |
reist traditionell aus den USA an. Den Rückmeldungen zufolge scheinen | |
aktuell viele den Flug nach Europa zu scheuen – nicht wegen der Pandemie, | |
sondern wegen des Krieges in der Ukraine. | |
Damit könnte man umgehen. Zum einen genügen schon 65 Prozent Auslastung für | |
den Break-even, zum anderen kamen auch im Jahr 2010 hunderttausend Karten | |
aus den USA zurück, damals infolge der Finanzkrise. Für diese Karten fanden | |
sich dann Käufer aus Deutschland. | |
Nicht dass das alles leicht wäre. Die Jungen zum Beispiel – die fehlen. | |
Rund 40 Leute aus der Besetzung von 2020 seien inzwischen abgesprungen, | |
erzählt Stückl, überwiegend junge. Die Hauptdarsteller sind zwar noch | |
dabei, aber in der zweiten, dritten Reihe lichtet es sich. Zwei der drei | |
Brüder Jesu, vier Apostel, fünf römische Soldaten, fünf Tempelwachen und, | |
und, und … „Gerade die Studenten, die jetzt im dritten, vierten Jahr sind, | |
haben gesagt, sie können nicht noch mal ein Freisemester nehmen.“ | |
Jetzt, drei Monate vor der Premiere, fehlen noch immer Mitwirkende. Während | |
sich die Darstellertruppe am Eingang des Kleinen Theaters noch Stäbchen in | |
die Nase schiebt, läuft Stückl im Saal auf und ab, das Mobiltelefon am Ohr. | |
Gerade hat er einen jungen Oberammergauer angerufen, er selbst kennt ihn | |
nur vom Sehen. Trotzdem hält er sich nicht mit langer Vorrede auf: „Wie | |
hast denn Zeit vor der Passion? I tat di gern zum Apostel machen.“ Das | |
Angebot kommt plötzlich, der Angerufene bittet um Bedenkzeit. | |
## Die Zuagroasten müssen 20 Jahre warten | |
Bei den Älteren gibt es keine Motivationsprobleme. Infektionsrisiko hin | |
oder her, auch wenn sie mit Hunderten gleichzeitig auf der Bühne stehen | |
müssen – sie wollen dabei sein. „Meine Mutter wird 80“, erzählt Stückl, | |
„und sie will unbedingt mitspielen. Mein Vater auch.“ Die älteste | |
Mitwirkende ist 98 Jahre alt. | |
Es ist das geltende Spielrecht, das die Besetzung mitunter schwierig macht | |
und Stückl deswegen schon lange ein Dorn im Auge ist. Die Pandemie | |
verstärkt dessen Auswirkungen. Mitmachen darf, wer in Oberammergau geboren | |
ist oder seit mindestens 20 Jahren hier lebt. Da schon lange fast alle | |
Oberammergauer in der Klinik im nahen Garmisch-Partenkirchen geboren | |
werden, gilt mittlerweile auch der Ersteintrag am Standesamt. Und Kinder | |
sind ebenfalls von der Regel ausgenommen. | |
„20 Jahre – das ist einfach zu viel“, sagt Christian Stückl. „So lange… | |
warten, kann man von keinem verlangen.“ Frederik Mayets Frau etwa stammt | |
aus Uffing, einer Nachbargemeinde. Da sie noch keine 20 Jahre in | |
Oberammergau lebt, darf sie anders als ihr Mann und die beiden Söhne nicht | |
auf die Bühne. Schon schade, findet ihr Mann. Gerade solange die Kinder | |
klein seien, sei das doch etwas, was man gern als Familie gemeinsam erleben | |
würde. | |
Spielleiter Stückl plädiert daher für ein neues System, eine Art | |
Auswahlverfahren. Das Spielrecht sei im übrigen keine jahrhundertealte | |
Tradition, wie viele dächten. Eingeführt habe man es erst für die | |
Passionsspiele 1960 – damit man die Flüchtlinge und Vertriebenen nicht | |
mitspielen lassen musste, die sich nach dem Krieg hier niederließen. | |
Die Geschichte der Oberammergauer Passionsspiele, das ist auch eine | |
Geschichte von der Weltoffenheit und der Engstirnigkeit eines kleinen | |
bayerischen Dorfes. Dass dabei Ersteres immer mehr an Gewicht gewinnt, hat | |
viel mit Stückl zu tun. Anfangs haben sie ihm noch einen Aufpasser an die | |
Seite gestellt. Doch spätestens seit seinen zweiten Spielen, im Jahr 2000, | |
ließ er sich nicht mehr vorschreiben, wie er zu inszenieren hat. | |
## Der Pfarrer faselte was von unerlöster Musik | |
Stückl kann sich noch gut erinnern, wie das im Dorf ankam, als er zum | |
ersten Mal einen Protestanten eine Hauptrolle übernehmen ließ. Im Jahr 2000 | |
war das. Damals lud ihn der katholische Pfarrer zum Kaffee ins Pfarrhaus. | |
Er legte eine Schallplatte auf und fragte: „Kennst du das?“ | |
Stückl wusste, es war der „Elias“ von Mendelssohn, dann legte der Pfarrer | |
noch ein Stück von Bach und eine Messe von Mozart auf. Schließlich sagte | |
er: „Dann analysier' mir doch bitte die Komponisten: Welcher gefällt dir am | |
besten?“ Als Stückl sich für Bach entschied, belehrte ihn der Geistliche: | |
„Hier beginnt dein Problem. Wenn du ein guter katholischer Christ wärst, | |
würdest du hören, dass der Jude Mendelssohn eine unerlöste Musik schrieb, | |
der Protestant Bach mit seiner Hinwendung zur Mathematik sich der Erlösung | |
verweigerte und nur der Katholik Mozart erlöste Musik komponierte.“ | |
Wenn Stückl jetzt einen Protestanten zum Hauptdarsteller mache, fuhr der | |
Pfarrer fort, arbeite er am Niedergang der Passionsspiele. „Da bin ich | |
empört aufgestanden“, erinnert sich Stückl, er sei in den Gemeinderat | |
gegangen und habe gesagt: „Wir haben Religionsfreiheit. Ich fordere, dass | |
der Passus gestrichen wird, wonach ein Darsteller überhaupt einer | |
Konfession angehören muss.“ Eigentlich habe ihn der Zwischenfall mit dem | |
Pfarrer angestachelt. Heute spielen auch muslimische Oberammergauer mit. | |
Stückl mit seinen – für Oberammergau – modernen Ideen ist nicht nur belie… | |
im Dorf. Aber natürlich ist er ein Erfolgsgarant, und natürlich wissen sie, | |
dass sie so einen unter den gut 5.000 Einwohnern nicht so schnell wieder | |
finden. | |
Noch eine Sache, die nicht allen gefiel: Stückl stieg in einen intensiven | |
Austausch mit Vertretern des Judentums ein, um gemeinsam an dem | |
Passionsspieltext zu arbeiten, der starke antisemitische Züge trug. Ein | |
entsprechendes Ansinnen von prominenten Oberammergau-Besuchern jüdischer | |
Abstammung wie Leonard Bernstein oder Billy Wilder war in den Fünfzigern | |
noch brüsk zurückgewiesen worden. Dank Stückl ist der Dialog nun | |
selbstverständlich. Erst vor ein paar Tagen hat er sich wieder mit | |
Vertretern jüdischer Organisationen aus den USA in einer dreistündigen | |
Videokonferenz getroffen. | |
„Ich werde mich vor der Kirche nicht mehr rechtfertigen für das, was ich | |
mache“, sagt Stückl. Natürlich werde es immer eine Verbindung zwischen den | |
Spielen und der Kirche geben, aber die Zeiten, in denen Pfarrer und | |
Bischöfe künstlerisch mitentscheiden durften, seien vorbei. „Das | |
Passionsspiel war früher Propagandamittel der Kirche, das ist es nicht | |
mehr.“ | |
## Unter den Hauptdarstellern ist kein einziger Kirchgänger | |
Katholisch sein ist nicht leicht in diesen Tagen. Das Erzbistum München und | |
Freising, in dessen Gebiet Oberammergau liegt, steht angesichts des | |
Missbrauchsskandals ausgesprochen schlecht da, auch im Dorf fallen die | |
Menschen vom Glauben ab, der vielleicht gar kein rechter war. Die 42. | |
Passionsspiele seien die ersten, in denen von den Hauptdarstellern | |
niemand mehr in die Kirche gehe, sagt Stückl. | |
Aber in den Passionsspielen möchte Stückl den Niedergang der Kirche nicht | |
thematisieren. Wobei – einen Satz gäbe es da schon, der für Jesus’ | |
Verhältnisse recht drastisch ausfällt: „Wer diesen Kindern etwas antut, dem | |
sollte man einen Mühlstein um den Hals hängen und ihn im Meer ertränken.“ | |
Diesen einen Satz sollte man vielleicht noch reintun, findet Stückl. | |
Er will sich zunächst darauf konzentrieren, die Figur des Gottessohnes in | |
seiner Inszenierung noch klarer herauszuarbeiten. An Aktualität lassen | |
dessen Worte ohnehin nichts zu wünschen übrig. Dem Freund der Zöllner und | |
Huren spürt Stückl nach, diesem Mann, „der sich immer an den Grenzen der | |
Gesellschaft umanandtreibt“. | |
Darsteller Mayet ergänzt: „Das ist das, worum es bei Jesus geht: Wie man | |
mit den Armen umgeht, mit den Flüchtlingen, mit denen, die nix zum Fressen | |
haben.“ Das Kamel, das eher durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher | |
in den Himmel komme – topaktuell. „Das sind Sätze, die sind einfach gut.“ | |
Oder auch: „Tu ab den Namen Gottes vom Krieg, heilig ist kein Krieg, heilig | |
ist nur das Leben.“ | |
Die Seuche will Stückl auf keinen Fall in seiner Inszenierung | |
thematisieren. „Ich kann's nicht mehr hören. Wir haben jetzt zwei Jahre | |
über nichts anderes geredet.“ Das Thema begegnet ihm ohnehin auf Schritt | |
und Tritt. Stückls Büro ist ebenerdig, mit einer großen Glasfront zur | |
Straße hin. Der Spielleiter zeigt hinaus. Dort kommen sie montags vorbei. | |
Direkt vor seiner Nase, und zeigen ihm, was sie von seinen Tests und | |
2G-Regeln halten. Rund 50 Leute dürften es sein. Jeden Montag. Sie nennen | |
es Spaziergänge. | |
16 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.passionsspiele-oberammergau.de | |
[2] /Oberammergau-ohne-Passionsspiele/!5684076 | |
[3] https://www.muenchner-volkstheater.de/ | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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