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# taz.de -- Putins Krieg als Propagandaschlacht: Freiheitsenergien
> Putins Angriffskrieg ist auch eine Schlacht der Bilder und Weltordnungen.
> Ein uralter patriarchal-fossiler Militarismus gegen junge
> Weltbürgerinnen.
Bild: Am Frauentag gibt es in Russland Blumen, aber sonst herrscht uralter patr…
Kriege sind immer auch Propagandaschlachten um Bilder. In diesem Fall eines
aggressiven Machos an der Spitze eines militarisierten Zentralstaates gegen
einen jungen Präsidenten, der eine neue, eher dezentrale zivile Ordnung zu
verteidigen versucht.
Von allen Staatschefs dieser Welt stellt Putin die ordinärste Form
toxischer Männlichkeit zur Schau. Seit vielen Jahren sucht er mit breitem
Oberkörper und breitem Grinsen zu beweisen, wie omnipotent er ist: als
Judo-Ringer, Reiter, Eishockey-Torjäger, U-Boot-Fahrer, Flugzeugpilot,
Eisbader, Tigerbezwinger. Und als Maskulinist. Seine Sprache trieft
bisweilen vor sexueller Gewalt. Nur zwei Beispiele: Als ein Mikro im Kreml
versehentlich noch angeschaltet war, konnte ein Reporter 2006 Putins
Bemerkung über den israelischen Präsidenten Katzav mithören, der später
wegen Vergewaltigung verurteilt wurde: „Was für ein starker Kerl! Zehn
Frauen hat er vergewaltigt. Wir alle beneiden ihn.“ Als 2008 russische
Panzer kurz vor Georgiens Hauptstadt standen, drohte Putin dem damaligen
Präsidenten Saakaschwili, er werde ihn „an den Eiern aufhängen“.
Putins Zurschaustellung seines wehrhaften Körpers ist für seine Anhänger
die sprichwörtliche Verkörperung des wiedererstarkten russischen Reiches.
Die Ukraine sei schon immer russisch gewesen, verkündete der selbsternannte
Historiker dieser Tage. Er stützt sich dabei auf die verhängnisvolle
[1][Denktradition], eine Nation als Körper ihres „Staatsoberhauptes“ zu
sehen, die „Staatsorgane“ hat, „Haupt und Glieder“ und „Körperschaft…
Und vor allem „Oberhäupter“, die die „politischen“ und „militärisch…
befehligen. Auch die Nazis waren besessen vom Wahnbild der Nation als
„Volkskörper“, durchrauscht von einer „Blutsgemeinschaft“, gefährdet …
jüdische Fremd-Körper und kommunistische „Blutegeln“.
Eine omnipotente Armee kann diesen fiktiven Körper weit über seine
bisherigen Grenzen hinaus ausdehnen – und damit „nationale Demütigung“ u…
„Schmach“ vermeintlich wettmachen. Feministinnen aller Länder haben diese
enge Verflechtung zwischen Militarismus, Nationalismus und sexualisierter
Gewalt mehrfach analysiert: Fremde Territorien werden wie „Bräute“ erobert
und für „Fehlverhalten“ bestraft, was nicht selten mit
Massenvergewaltigungen verbunden ist.
Auch der sich gekränkt fühlende Putin will den fiktiven Körper des
russischen Imperiums ausdehnen. Und bei Wolodimir Selenski geht es ihm
womöglich zusätzlich um eine persönliche Abrechnung. Denn der hatte es
einst als Schauspieler gewagt, sich in einer beliebten TV-Serie über den
Kreml-Herrscher lustig zu machen.
Die jetzigen Bilder aus Moskau und Kiew sprechen für sich: Hier Putin am
überlangen Tisch, mit größtmöglicher Distanz zu seinen Unterlingen. Dort
Selenski, umringt von seinem Team auf Augenhöhe. Hier Putin, der grimmige
Alleinherrscher, der unbedingten Gehorsam verlangt. Dort Selenski, der
selbst im Bunker US-Angebote zum Ausfliegen mit Witz zurückweist: „Ich
brauche Munition und keine Mitfahrgelegenheit!“ Der Verteidiger einer
zivilen Ordnung, der fordert: „Hängt nicht mein Bild an eure Wand, sondern
das eurer Kinder!“
## Crash zweier Weltordnungen
Es geht hier auch um den Crash zweier Weltordnungen, anders als im Kalten
Krieg aber nicht um den Kampf zweier Wirtschaftsordnungen. Der neoliberale
Kapitalismus ist in Russland womöglich noch brutaler als im Westen. Putins
Oligarchen und Staatsbedienstete nähren sich parasitär von uralten
Pflanzenresten und verkaufen diese als fossile Energien. Sie haben einen
fossil-militärischen Komplex aufgebaut, ein zentralistisches Gebilde aus
geheimdienstlich-militärisch-patriarchalischer Repression und obszönen
Mengen gestohlener Reichtümer. Ein Reich, das auch ohne Krieg bald am Ende
wäre: Die Welt steuert im Zeichen der Klimakrise langsam aber sicher auf
dezentrale erneuerbare Energien um. Auf „Freiheitsenergien“, wie Christian
Lindner sagte. „Freiheitsenergie“ treibt auch die kämpfenden Menschen in
der [2][Ukraine] an.
Es ist die alte Weltordnung der Dinosaurier, die zu Ende geht. Deren
verrottete Knochenreste stecken in den [3][fossilen Energien], und fossil
sind auch die Strukturen des russischen Imperiums und aller anderen
autoritären Zentralstaaten. Eine neue Weltbürgerordnung will gerade geboren
werden, vertreten unter anderem durch Selenski. Verkörpert auch durch die
junge Generation, die in der ganzen Welt zu Hause ist, die in Gestalt der
mehrheitlich weiblichen Klimaaktiven von Fridays for Future gegen die
Doppelkrise der Klimakatastrophe und des Artensterbens demonstriert, die
sich in Gestalt russischer und belarussischer Feministinnen gegen die
Machos Putin und Lukaschenko stellt. Diese junge Generation träumt von
einem Klima der Gerechtigkeit. Von einer Welt der Freiheitsenergien
zwischen Menschen, zwischen den Geschlechtern, zwischen Mensch und Natur.
In einem kursierenden Manifest berichten russische Feministinnen davon,
dass „mehr als fünfundvierzig verschiedene feministische Organisationen im
ganzen Land tätig (sind), von Kaliningrad bis Wladiwostok, von Rostow am
Don bis Ulan-Ude und Murmansk.“ Putin führe seinen Krieg im Namen
angeblicher „traditioneller Werte“, analysieren sie. Doch: „Alle, die zu
kritischem Denken fähig sind, verstehen, dass zu diesen `traditionellen
Werten´ die Ungleichheit der Geschlechter, die Ausbeutung der Frauen und
die staatliche Unterdrückung von Menschen gehören, deren Lebensweise,
Selbstverständnis und Handeln solch engen patriarchalischen Normen nicht
entsprechen.“
Die Frauen rufen deshalb zum weltweiten feministischen Widerstand auf: „Wir
sind die Opposition gegen Krieg, Patriarchat, Autoritarismus und
Militarismus. Wir sind die Zukunft, die sich durchsetzen wird.“
Unterstützen wir sie dabei! Auch mit dem Verzicht auf Putins Fossilien,
selbst wenn wir frieren müssen.
10 Mar 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Ute Scheub
## TAGS
Wladimir Putin
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