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# taz.de -- Gehwegparker-Streit wird neu verhandelt: „Ausstrahlung für ganz …
> Ein Gericht hat Bremen verpflichtet, gegen Gehwegparker vorzugehen. Die
> Stadt geht in Revision, um ein noch weiter reichendes Urteil zu
> erzwingen.
Bild: Alles illegal, aber bisher geduldet: Parkende Autos in der Bremer Neustadt
Bremen taz | Das Bremer Verkehrsressort legt Revision gegen ein Urteil des
Verwaltungsgerichts ein: Das Gericht hatte die Behörde nach einer Klage von
Anwohner*innen verpflichtet, in Zukunft strenger gegen das Falschparken
vorzugehen. Der ADFC zeigt sich von der Revision „irritiert“. Und auch auf
Twitter regen sich Fans der Verkehrswende über die sture Stadt auf.
Doch die Pressemitteilung der Senatskanzlei lässt auch einen ganz anderen
Schluss zu: In Revision gehe man, weil das Urteil „eine Bedeutung für die
gesamte Stadt“ habe, steht dort. „Kommt das Oberverwaltungsgericht zu dem
gleichen Ergebnis, hat dies natürlich erst recht Auswirkungen auf Bremen“,
wird die grüne Mobilitätssenatorin Maike Schaefer zitiert. „Zudem wäre eine
Ausstrahlung für ganz Deutschland gegeben, was für die Verkehrswende, für
die Barrierefreiheit und auch für die Rettungssicherheit von hoher
Bedeutung ist.“
## Verkehrsbehörde muss individuelle Rechte schützen
Geklagt hatten Anwohner*innen aus drei Straßen gegen die
Verkehrsbehörde, weil vor ihrer Haustür das ganze Jahr über beidseitig auf
den Gehwegen geparkt werde; das ist verboten. Die Stadt aber, so die Klage,
gehe nicht dagegen vor. Vor einer guten Woche [1][hatte das
Verwaltungsgericht ein Urteil veröffentlicht,] nach dem die Verkehrsbehörde
tatsächlich eine Verantwortung für die Zustände hat – und geeignete
Maßnahmen gegen das Gehwegparken ergreifen muss.
Das Urteil von Ende Februar betritt juristisches Neuland: Die
Straßenverkehrsordnung wird oft so interpretiert, dass sie nur die
Interessen der Allgemeinheit schützt – Einzelne haben damit keine
Möglichkeit, ihre Einhaltung einzuklagen. Jetzt aber hat das Gericht für
die Anwohner*innen ein individuelle Recht festgestellt, den Gehweg vor
ihrem Haus zu benutzen.
Schon dass das [2][Gericht die Klage im November zugelassen] hatte, war
eine Überraschung: Eigentlich ist für die Ordnung des Verkehrs das
Ordnungsamt und damit die Innenbehörde zuständig. Denen aber kann man keine
Vorschriften dazu machen, welche Ordnungswidrigkeiten sie verfolgen und
welche nicht. Dass ersatzweise gegen die Verkehrsbehörde geklagt werden
durfte, begründete das Gericht damit, dass die Kläger sonst
„rechtsschutzlos“ seien.
## Urteil einer höheren Instanz bedeutet mehr
Das Urteil des Verwaltungsgerichts bezieht sich nur auf die drei Straßen,
in denen die Kläger*innen wohnen. Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts
in nächster Instanz wäre faktisch für Städte in ganz Deutschland bindend –
für die Verkehrswende ein großer Schritt. Die Kläger*innen ahnten beim
Prozess in erster Instanz schon, dass ihre Klage schulbildend sein könnte:
„Wenn nötig und möglich, ziehen wir damit bis vors Verfassungsgericht“,
hatte Kläger Hubertus Baumeister der taz gesagt. „Das Problem gibt es ja
nicht nur in Bremen.“
Mit dem Urteil einer höheren Instanz im Hintergrund könnte sich das grün
geführte Ressort auch die Hände binden lassen und sich so Argumente
verschaffen, um trotz Gegenwindes zu handeln: Man ist ja schließlich
verpflichtet worden.
Denn Gegenwind und den Wunsch, das jetzige Urteil des Verwaltungsgerichts
nicht ganz so ernst zu nehmen gibt es: Der [3][Weser Kurier fordert
„Augenmaß“] bei der Umsetzung des Urteils, ebenso die Handelskammer. Die
Bürgerinitiative „Mobilitätsfrieden für alle Autofahrer, Fußgänger und
Radfahrer“ beschwert sich über „verschwundene Parkplätze“ – und meint
damit, dass ordnungswidriges Verhalten in Bewohnerparkgebieten jetzt
geahndet wird.
## Innenressort will Falschparker gewähren lassen
Befürworter*innen der Laissez-faire-Parkpolitik sitzen auch in der
eigenen Regierung beim Koalitionspartner: Für das SPD-geführte
Innenressort, das eigentlich für die Einhaltung der Verkehrsregeln
zuständig wäre, geht „das Urteil des Bremer Verwaltungsgerichtes an der
Realität vorbei“. Das widerrechtliche Abstellen von privaten Autos im
öffentlichen Raum will die Innenbehörde auch in Zukunft nicht mit Knöllchen
bestrafen.
Nur dort, wo Falschparken zu „gefährlichen Situationen führen kann“, wolle
man handeln, „anstatt sämtliche Autos in Straßen, in denen aufgesetzt
geparkt wird, stur abzuzetteln“, schreibt Sprecherin Rose Gerdts-Schiffler
auf Anfrage. „Würde man die Entscheidung konsequent weiterdenken, würden
wohl rund 50 Prozent der Autobesitzer:innen in Bremen keinen
Parkplatz mehr für ihr Fahrzeug finden.“
Die Gegner*innen von Parkkontrollen fordern deshalb Zeit – und den Bau
sogenannter Quartiersgaragen. Ob die tatsächlich helfen würden? Die großen
Parkhäuser der Brepark bieten allesamt auch Plätze für
Dauerparker*innen an. Voll belegt sind die aber bei Weitem nicht.
Anders als die illegalen Plätze auf den Bürgersteigen kosten sie Geld.
3 Mar 2022
## LINKS
[1] /Bremer-Gerichsturteil-zum-Gehwegparken/!5833805
[2] /Klage-gegen-aufgesetztes-Parken/!5810929
[3] https://www.weser-kurier.de/bremen/kommentar-bremer-verkehrspolitik-braucht…
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
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Deutsche Umwelthilfe
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