| # taz.de -- Blockade-Aktionen der Letzten Generation: Das reicht nicht | |
| > Die Letzte Generation stellt eine vorgeblich 12-Jährige bei der | |
| > A100-Blockade nach vorn. Das gibt Aufmerksamkeit, aber eine Strategie ist | |
| > es nicht. | |
| Bild: Aktivist*innen der „Letzten Generation“ bei einer Blockadeaktion auf … | |
| „Aus Verzweiflung und Mut“, schreiben die Klimaaktivist*innen der | |
| Letzten Generation in einer Pressemitteilung am Montag, sitze „heute die | |
| 12-jährige Lilli auf der meistbefahrenen Autobahn Deutschlands, um am Ort | |
| des zivilen Widerstands nicht mehr überhört zu werden“. Ein (angebliches) | |
| Kind auf der A100 und, so die Botschaft, wenn etwas passiert (ist es nicht, | |
| die Polizei räumte am Vormittag die Blockade recht schnell), dann ist die | |
| Politik Schuld! | |
| Die Währung öffentliche Aufmerksamkeit ist eine harte, und sie ist deshalb | |
| auch gar nicht so leicht zu bekommen. Insofern sind die | |
| Klima-Aktivist*innen der Letzten Generation gerade recht erfolgreich mit | |
| ihrer [1][Kampagne für ein Essen-retten-Gesetz]. Die Spitzen der | |
| Ampel-Koalition haben sich geäußert, von zustimmend bis ablehnend | |
| natürlich, und die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte | |
| eine härtere Gangart gegen die Autobahnblockaden an: [2][schneller räumen, | |
| schnellere Gerichtsverfahren]. Und auch die angeblich 12-jährige Lilli | |
| generiert wieder Aufmerksamkeit, wie eben diesen Kommentar. | |
| Aber Aufmerksamkeit ist auch kein Selbstzweck. Insofern ist die Frage, ob | |
| der Druck durch die öffentliche Aufmerksamkeit für die Autobahnaktionen | |
| hoch genug ist, dass der Erpressungsversuch in Richtung Politik Erfolg | |
| haben kann: Wenn ihr uns kein Gesetz versprecht (ja, ein Versprechen würde | |
| den Aktivist*innen erstmal reichen, sagen sie [3][im taz-Interview]), | |
| stören wir weiterhin den Betriebsablauf im morgendlichen Berufsverkehr. | |
| Die Antwort dürfte sein: Nein, dieses Druckmoment reicht nicht. Selbst der | |
| tatsächlich sehr lange durchgehaltene [4][Hungerstreik der Letzten | |
| Generation] im vergangenen Jahr vor dem Kanzleramt hatte letztlich nicht | |
| das erhoffte Gespräch mit den Spitzenkandidat*innen im | |
| Bundestagwahlkampf gebracht ([5][Kanzler Olaf Scholz traf sich erst im | |
| November mit den Ex-Hungerstreikenden]). | |
| Die Aktivist*innen wollen nun als Zwischenziel erreichen, dass unter | |
| anderem die Grünen-Politikerin Renate Künast, die im Ausschuss für | |
| Ernährung und Landwirtschaft sitzt, am Mittwoch zur Übergabe eines Offenen | |
| Briefs vor dem Reichstagsgebäude erscheint. Ansonsten werde man „weitere | |
| Schritte“ ankündigen. | |
| ## Eskalation muss sich steigern lassen | |
| Was bleibt den Aktivist*innen auch anderes übrig? Eskalation muss sich | |
| immer noch steigern lassen, wenn man seinen Willen nicht bekommt, sonst hat | |
| man verloren. Das begreift, im wahrsten Sinne des Wortes, schon jedes | |
| schreiende Kleinkind. | |
| Allerdings schließen die Aktivist*innen bisher zum Beispiel [6][Gewalt | |
| gegen Dinge, also Sabotageakte], aus. Viel Eskalationsspielraum haben sie | |
| also gar nicht mehr. | |
| Vielleicht muss sich die Letzte Generation bald entscheiden: Wollen sie die | |
| radikale Flanke der Klimabewegung sein, und wenn nicht, was wollen sie dann | |
| sein? Denn wenn man das Druckmoment nicht über Radikalität erhöht, dann | |
| muss man – wie die Fridays-Bewegung einst – viele sein. Das sind sie bisher | |
| nicht, bei den Protesten auf den Autobahnen sind in Berlin mal gerade zwei | |
| Handvoll aktiv. | |
| Pressemitteilungen über Kinder, die die A100 blockieren müssen, dürften dem | |
| nicht zuträglich sein, weil sie von vielen als genau das gesehen werden, | |
| was sie sind: ein Haschen um Aufmerksamkeit, das zudem einen schalen | |
| Nachgeschmack hinterlässt, weil eine vermeintlich oder tatsächlich | |
| 12-Jährige dafür benutzt wird, genau diese Aufmerksamkeit zu bekommen. | |
| 14 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
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