# taz.de -- Einigung über Braunkohletagebau Turów: Polen und Tschechen einig … | |
> Tschechien fürchtete wegen des Tagebaus Turów um seine | |
> Trinkwasserversorgung. Die Regierung in Warschau hofft nun auf Ende des | |
> EuGH-Prozesses. | |
Bild: Dunkle Wolken, düstere Klimabilanz: Braunkohlekraftwerk Turów in Polen | |
Warschau taz | In [1][Polen] ist es eine Sensation: Polen und Tschechien | |
haben sich über den Braunkohletagebau Turów geeinigt. Am Donnerstag | |
unterzeichneten der polnische Premier Mateusz Morawiecki und sein | |
tschechischer Kollege Petr Fiala ein Abkommen zur Beilegung eines Streits, | |
der sich über Monate hingezogen hatte. Tschechien warf Polen vor, ihm mit | |
dem Kohletagebau das Wasser auf der anderen Seite der Grenze abzugraben, | |
Polen machte geltend, dass eine ganze Region von der Kohle lebe und Strom | |
wie Fernwärme vom dazugehörigen Kraftwerk beziehe. | |
Am Ende verklagte Tschechien Polen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) | |
in Luxemburg. Es kam zur vorläufigen Richteranordnung, dass Polen den | |
Tagebau bis zum endgültigen Urteil stoppen müsse. Polen weigerte sich, dies | |
zu tun, was zu einem täglich anfallenden Strafgeld in Höhe von einer halben | |
Million Euro führte. Die rasch auf eine zweistellige Millionensumme | |
wachsende Strafe wollte Polen auch auf keinen Fall zahlen. Die Regierung, | |
die seit 2015 von der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit | |
(PiS) gestellt wird, verhandelte die ganze Zeit mit Tschechien, das | |
allerdings nach Neuwahlen ein neues Kabinett erhielt. Ziel war es, zu einer | |
Einigung zu kommen, sodass die Regierung in Prag die | |
Vertragsverletzungsklage zurückziehen würde. | |
Die Situation wirkte umso dramatischer, als am gleichen Tag, an dem | |
Morawiecki ins Flugzeug nach Prag stieg, der Generalanwalt Priit Pikamäe im | |
EuGH in Luxemburg seinen [2][Schlussantrag] stellte. Seiner Ansicht nach | |
habe Polen „dadurch gegen Unionsrecht verstoßen, dass es die Genehmigung | |
für den Abbau von Braunkohle im Tagebau Turów ohne Durchführung einer | |
Umweltverträglichkeitsprüfung um sechs Jahre verlängert hat“. Damit gibt | |
der Generalanwalt Tschechien recht. Das Land hatte beanstandet, dass es bei | |
einem Weiterbetrieb und einer Ausdehnung des Tagebaus Turów bis nahe an die | |
Grenze Tschechiens zu erheblichen Umweltschäden kommen könnte. Schon in den | |
letzten Jahren war der Grundwasserspiegel gesunken, die Brunnen in | |
Grenznähe ausgetrocknet und Risse in Häuserwänden aufgetaucht. | |
Im Januar 2020 hatte der Direktor für Umweltschutz der Region Wrocław | |
(Breslau) dem Betreiber des Tagebaus die Umweltverträglichkeitsprüfung | |
bestätigt und dem ganzen Verfahren einen „beschleunigten“ Charakter | |
gegeben. Nur zwei Monate später – im März 2020 – verlängerte dann Polens | |
Klimaminister die Betriebserlaubnis für den Tagebau Turów bis 2026. Berufen | |
konnte sich der Minister auf ein 2018 erlassenes Gesetz, das es erlaubte, | |
einen Braunkohleabbau einmalig um sechs Jahre ohne | |
Umweltverträglichkeitsprüfung zu verlängern, wenn dies mit einer | |
„rationellen Bewirtschaftung des Kohlevorkommens und ohne Erweiterung des | |
Umfangs der Genehmigung“ begründet werde. | |
## Muss Polen Strafe zahlen? | |
Tschechien warf Polen vor, dass es schon mit diesem Gesetz von 2008 und | |
dann mit der Genehmigung für den Weiterbetrieb des Tagebaus gleich mehrfach | |
gegen Unionsrecht verstoßen habe. Im September 2020 bat Tschechien die | |
Europäische Kommission in Brüssel um eine Stellungnahme, wollte aber auch | |
mit Polen ins Gespräch kommen und den Streit außergerichtlich beilegen. Als | |
die Kommission Tschechien recht gab, Polen aber nicht bereit war, eine | |
Umweltschutzprüfung durchzuführen oder mit Tschechien eine Begrenzung der | |
Umweltschäden auszuhandeln, zog Tschechien vor Gericht. | |
Im späteren Urteil, das erst in einigen Monaten erwartet wird, müssen sich | |
die Richter nicht dem Gutachten des Generalanwalts anschließen. Sie tun | |
dies aber oft. Nach der Vertragsunterzeichnung in Prag hofft nun allerdings | |
Morawiecki, dass Prag die Klage zurückzieht und der Fall in Luxemburg ad | |
acta gelegt werden kann. Offen ist, ob Polen die dann bereits aufgelaufenen | |
Strafgelder noch an die Kasse der Europäischen Kommission zahlen muss. | |
3 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Polen/!t5008485 | |
[2] https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2022-02/cp220023de… | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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