# taz.de -- FDP kritisiert Plan für Fleisch-Abgabe: Tierwohlcent wird unwahrsc… | |
> Die FDP bemängelt den Vorschlag, mehr Tierschutz durch eine staatliche | |
> Abgabe auf Fleisch zu bezahlen. Die Regierungspartei setzt auf private | |
> Fonds. | |
Bild: Sieht schöner aus, ist aber teurer: Freilandhaltung von Schweinen | |
BERLIN taz | Die von vielen Bauern gewünschte staatliche Tierwohl-Abgabe | |
auf Fleisch wird zunehmend unwahrscheinlich. „Wir Liberale stehen einer | |
Abgabe oder Steuer auf Fleisch für mehr Tierschutz in der | |
[1][Landwirtschaft] sehr skeptisch gegenüber“, sagte die für das Thema | |
zuständige Vizevorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Carina Konrad, | |
der taz. Ihre Partei, die sich im Wahlkampf mehrfach gegen Steuererhöhungen | |
ausgesprochen hat, verfügt in der Ampelkoalition über ein Vetorecht. | |
„Schon heute bestehen landwirtschaftliche Einkommen teilweise zu mehr als | |
der Hälfte aus staatlichen Zuschüssen. Wir wollen ja aber gerade mehr | |
Unabhängigkeit erreichen“, begründete Konrad ihre Ablehnung. „Deshalb sind | |
wir grundsätzlich darauf aus, dass die Marktteilnehmer selbst | |
privatwirtschaftliche Lösungen finden. Das kann ein Vertragssystem sein, | |
das kann ein Fonds sein, den es schon so ähnlich über die Initiative | |
Tierwohl gibt.“ | |
Über diese Firma bezahlen Lidl, Edeka und andere Handelskonzerne Landwirte | |
dafür, dass sie ihre Schweine, Hähnchen und Puten artgerechter halten, | |
meist mit etwas mehr Platz im Stall, selten mit Auslauf im Freien. | |
„Vielleicht müssen wir solche Ansätze weiterdenken: für alle Tierarten, f�… | |
Zeiträume, die die Planbarkeit für die notwendigen Investitionen | |
verbessern“, so Konrad. | |
## Agrarminister offen für Vorschläge | |
Damit widerspricht die FDP-Politikerin der Kommission unter dem ehemaligen | |
CDU-Bundesagrarminister Jochen [2][Borchert] zum Umbau der Tierhaltung. Das | |
überparteiliche Gremium hatte eine staatliche Abgabe oder Steuer empfohlen, | |
um die ihrer Schätzung nach jährlich benötigten 3,6 Milliarden Euro | |
einzunehmen. Sowohl der Deutsche Bauernverband als auch die ökologisch | |
orientierte [3][Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft] (AbL) | |
unterstützen das. Der neue Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hat sich | |
offen gezeigt für die Vorschläge, sich aber noch nicht klar positioniert, | |
wie er die Bauern beim Umbau der Tierhaltung finanziell unterstützen will. | |
Auch [4][die SPD] hat sich noch nicht festgelegt. | |
Von der taz nach der Tierwohlabgabe gefragt, antwortete FDP-Politikerin | |
Konrad zwar, noch blieben alle Optionen. Doch die Rheinland-Pfälzerin | |
nannte vor allem Argumente gegen diese Lösung: „Mit einer Tierwohlabgabe, | |
die pauschal und langfristig die Produktion unterstützt, unabhängig von der | |
Nachfrage, würden wir eine Art Tierhaltungs-Direktzahlung schaffen“, sagte | |
sie in Anspielung auf die wichtigste Art Agrarsubventionen. Diese ist | |
umstritten, weil sie vor allem pro Hektar gezahlt wird, weitgehend | |
unabhängig davon, wie umweltfreundlich das Land bewirtschaftet wird. „Wir | |
laufen Gefahr, Fehlanreize zu schaffen und Landwirten falsche | |
Versprechungen zu machen. Dann haben wir keine Butterberge, sondern | |
Fleischberge“, warnte Konrad. | |
## Kennzeichnung für Tierhaltung | |
Der Koalitionsvertrag sieht nur ein „durch Marktteilnehmer getragenes | |
finanzielles System“ vor, „ohne den Handel bürokratisch zu belasten“. Sc… | |
diese Formulierung dürfte eine Abgabe unwahrscheinlich machen, die wohl | |
jeder abrechnen müsste, der mit Fleisch handelt. | |
Auch Rufen nach staatlichen Anreizen, aus Klimaschutzgründen weniger Tiere | |
zu halten, erteilte die FDP-Politikerin eine Absage. „Wir erleben gerade, | |
dass die Tierzahlen sinken und viele Betriebe durch die schwierige | |
Situation, hervorgerufen durch die Schweinepest und wegbrechende | |
Exportmärkte, aufgeben müssen. Wir brauchen daher gar keine staatlichen | |
Reduktionsmaßnahmen mehr.“ | |
Festlegen will sich Konrad nur auf ein staatliches, verbindliches | |
Tierhaltungskennzeichen, das etwa auf Fleischetiketten zeigt, wie das Vieh | |
gehalten worden ist. Die Kennzeichnung solle zunächst auf nationaler Ebene | |
eingeführt werden „und perspektivisch EU-weit“ gelten. Dann könnten | |
Verbraucher Produkte mit weniger Tierschutz leichter meiden. Özdemir will | |
die Kennzeichnung bereits dieses Jahr einführen. | |
## Keine pauschalen Prämien, sondern gezielte Honorierung | |
Der AbL-Vorsitzende Martin Schulz kritisierte, es sei „sehr | |
unwahrscheinlich“, dass über private Lösungen genügend Geld für den Umbau | |
der Tierhaltung eingenommen werden könne. Die Initiative Tierwohl habe nur | |
[5][130 Millionen Euro] pro Jahr gezahlt, nötig seien 4 Milliarden Euro. | |
„Privatwirtschaftliche Komponenten müssen unbedingt Teil der Lösung sein, | |
aber alleine damit wird es sehr schwierig“, teilte Bernhard Krüsken, | |
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, der taz mit. „Es müssten | |
alle Marktbeteiligten mitziehen“. Die Initiative Tierwohl erfasst bislang | |
nur den Lebensmitteleinzelhandel, der lediglich [6][ein Drittel des | |
Schweinefleisches] aus Deutschland verkauft. Die Gastronomie etwa und | |
Verarbeiter wie Wursthersteller sind nicht beteiligt. | |
Ein Sprecher von Agrarminister Özdemir schrieb der taz, die Behörde prüfe | |
diverse Finanzierungsmodelle. „Pauschale Prämien wie Direktzahlungen sind | |
jedoch nicht geplant, stattdessen sollen Maßnahmen für eine bessere | |
Tierhaltung gezielt honoriert werden.“ | |
31 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Landwirtschaft/!t5007831 | |
[2] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Nutztiere/200211-empfehl… | |
[3] /Bauernfuehrer-ueber-Reform-der-Tierhaltung/!5828632 | |
[4] /SPD-Politikerin-ueber-Tierschutzplaene/!5823633 | |
[5] https://initiative-tierwohl.de/faq/?kategorie=fuer-verbraucher | |
[6] https://www.schweine.net/news/impulse-fuer-absatz-von-deutschem-schweinefle… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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