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# taz.de -- Neue Regeln auch für Polizeihunde: Stacheln sind out
> Hunde dürfen nicht mehr mit Stachelhalsbändern ausgebildet werden. Das
> gilt auch für Polizeihunde. Doch Niedersachsen wollte eine Ausnahmeregel.
Bild: Nicht das verbotene Halsband, aber modisch fragwürdig
Bremen taz | Gut, um Hunde zu kontrollieren – schlecht, weil sie schmerzen
oder sogar verletzen: Über sogenannte Stachelhalsbänder gehen die Meinungen
weit auseinander. Seit Jahresbeginn gilt bundesweit eine neue
Tierschutz-Hundeverordnung. Demnach ist die Verwendung von Halsbändern mit
nach innen gerichteten, stumpfen Stacheln nun verboten; ebenso andere
schmerzhafte Mittel. Das gilt für alle Hunde – also auch für
[1][Diensthunde der Polizei].
Ein Problem für die Behörde: Anfang Januar berichtete der Tagesspiegel,
dass Berlins Polizeihunde kurzzeitig nicht mehr im Einsatz gewesen seien –
bis man die Verordnung anders ausgelegt hätte. Mehrere Medien machten
darauf aufmerksam, dass Brandenburg die Verordnung bisher ganz ignoriere.
In Hamburg suche man indes nach Hintertüren, lautet dort der Vorwurf der
oppositionellen Links-Fraktion. Und Niedersachsen stellte bereits im
Dezember einen Antrag im Bundesrat – in dem Gremium, welches die Verordnung
im Juni letzten Jahres beschlossen hatte.
Man habe eine Ausnahme erreichen wollen, die „im Einzelfall gezielte und
kurzfristige Reize“ wieder erlaubt, heißt es in dem Antrag. Der Grund:
Diensthunde müssten jederzeit kontrollierbar sein. Denn anders als bei der
privaten Haltung dienten sie dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und dem
der Polizist:innen.
Das heißt: Verbeißt sich ein Hund, darf man seine Aufmerksamkeit eben mit
einem kurzen Schmerz wiederholen. Der Landestierschutzverband lehnt das ab:
Die Halsbänder übten „permanenten Druck“ auf den Hals aus, an dem „die
Luftröhre, zwei große Blutgefäße sowie lebenswichtige Nerven verlaufen“.
## „Regelmäßig Schmerzen und Leid“
Die Deutsche Polizeigewerkschaft Niedersachsen unterstützte das Vorhaben
dagegen. „Diensthunde werden in Hochstresssituationen eingesetzt, wo eine
hundertprozentige Kontrolle garantiert sein muss“, sagt der
Landesvorsitzende Patrick Seegers. Die Sprecherin des niedersächsischen
Innenministeriums, Mareike Fieker, ergänzt, dass Stachelhalsbänder nur in
außergewöhnlichen Einsätzen angelegt würden. „Etwa bei der Verfolgung von
flüchtigen Straftätern.“ Seegers Ansicht nach könne auf die Ausnahmeregel
nur verzichtet werden, wenn andere Mittel gleich gut funktionierten.
Das Zentrale Diensthundwesen des Landes erarbeite aktuell ein
„ganzheitliches Konzept zur Ausbildung von Diensthunden, so Fieker. Unter
anderem Maßgaben für den Ankauf und die Ausbildung sollen darin vorgegeben
werden. Und schon jetzt basiere die Ausbildung „fast ausschließlich“ auf
Belohnungen.
Die Opposition war von dem Vorgehen der Landesregierung wenig begeistert:
In der Ausbildung mit den Halsbändern würde den Hunden „regelmäßig
Schmerzen und Leid zugefügt“, kritisiert Marie Kollenrott, innenpolitische
Sprecherin der Grünen-Fraktion. Die FDP weist auf die Vorteile eines
Belohnungssystems hin. Dazu müsse man allerdings klären, ob mit
Stachelhalsband ausgebildete Hunde umgewöhnt werden könnten, sagt der
innenpolitische Sprecher Marco Genthe.
Das scheint zumindest im großen Stil gar nicht mehr nötig. Nach aktuellen
Einschätzungen werden 15 der 208 niedersächsischen Diensthunde „nicht mehr
einsetzbar sein“, erklärt Fieker. Im Januar war noch von 60 Prozent der
Tiere die Rede. Aus diesem Grund – und weil „eine Mehrheit für die
Initiative nicht absehbar ist“ – ist der Antrag seit wenigen Tagen vom
Tisch. Vergangene Woche sollte sich eigentlich der Innenausschuss des
Bundesrats damit befassen, vertagte den Punkt aber.
## NRW kommt schon lange ohne Stacheln aus
Ob ein weiterer Grund für den Rückzug die viel diskutierte Auslegung der
neuen Verordnung ist? Aus dem [2][Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft] heißt es: „Die Änderung gilt nur für die Ausbildung, die
Erziehung sowie das Training.“ Also explizit nicht für den Einsatz. Doch
diese vermeintliche Lücke zu nutzen, kommt für Niedersachsen nicht infrage:
„Nach hiesiger rechtlicher Bewertung können Mittel, die nicht zur
Konditionierung verwendet werden dürfen, auch in Einsätzen nicht zur
Anwendung kommen“, so die Sprecherin des niedersächsischen
Innenministeriums, Fieker.
Andere Länder setzen das Verbot längst um. Die Polizei in
Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bremen und Rheinland-Pfalz, so teilt es das
Bundesministerium mit, verzichte bereits auf Stachelhalsbänder.
Nordrhein-Westfalen kommt in der Ausbildung sogar schon länger ohne sie aus
– in Bremen tausche man sich mit dem Land aus, hieß es aus dem Innenressort
der Hansestadt. Den Antrag aus Niedersachsen habe man abgelehnt. Auch
Schleswig-Holstein bekennt sich klar zur neuen Regel. Hamburg dagegen sieht
noch „rechtlichen Klarstellungs- und Nachbesserungsbedarf“, so ein Sprecher
der Innenbehörde.
Sofern irgendwann alle Länder Niedersachsens Auslegung folgen, scheint die
Zeit der Stachelhalsbänder endgültig abgelaufen. Doch die Fragen nach der
grundsätzlichen Notwendigkeit von Polizeihunden und dem Umgang mit ihnen
haben durch die Debatte wieder an Fahrt aufgenommen: Grünen-Politikerin
Kollenrott möchte Polizeihunde nicht mehr auf Demos sehen. Der Einsatz habe
„erwiesenermaßen keine deeskalierende Wirkung“, sondern führe zu mehr
Stress auf allen Seiten. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) fordert,
Aufzucht, Ausbildung und Einsatz von Polizeihunden „grundlegend zu
überarbeiten“.
3 Feb 2022
## LINKS
[1] /Ende-Gelaende-kritisiert-Polizei/!5713020
[2] /Regierungswechsel-mit-neuen-Koepfen/!5820150
## AUTOREN
Alina Götz
## TAGS
IG
Polizei
Niedersachsen
Tierschutz
Hunde
Landwirtschaft
Cem Özdemir
Tierschutz
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