# taz.de -- Film „Alle reden übers Wetter“: Ein böser Mensch | |
> In ihrem Spielfilmdebüt vermisst Annika Pinske die innerdeutsche Grenze | |
> am Beispiel der Hochschule. Der Film läuft im Panorama der Berlinale. | |
Bild: Sandra Hüller, Anne Schäfer und Judith Hofmann in „Alle reden übers … | |
Clara macht Eindruck. Die Philosophiedoktorandin in Berlin tritt | |
selbstbewusst, manchmal forsch auf, scheint genau zu wissen, wo sie steht, | |
wo sie hinwill. Ihre Professorin unterstützt sie, alles sieht nach idealen | |
Bedingungen für die Nachwuchswissenschaftlerin aus. Gemeinsam macht man | |
sich über die beflissene „ewige Assistentin“ am Lehrstuhl lustig. | |
Bei einer Feier unter Professorenkollegen reagiert Clara auf die Frage nach | |
ihrer ostdeutschen Herkunft und ihrem Vater etwas einsilbig, sagt etwas von | |
„Diplomat“. Zu den bildungsbürgerlichen Westbiografien um sie herum scheint | |
die ehemalige DDR nicht recht zu passen. Dass ihre Biografie noch weniger | |
betriebsüblich ist, erfährt das Publikum von Annika Pinskes Spielfilmdebüt | |
„Alle reden übers Wetter“ wenig später, als Clara zum Geburtstag ihrer | |
Mutter ins ländliche Mecklenburg-Vorpommern fährt. | |
Clara promoviert über Intersubjektivität und Familie bei Hegel. Worin eine | |
doppelte Ironie besteht. Ihre eigene Subjektivität muss sie an der | |
Universität weitgehend ausstreichen, um nicht unangenehm aufzufallen. Was | |
sie dabei an „symbolischer“ Subjektivität als Forscherin hinzugewinnt, geht | |
so auf Kosten ihrer übrigen Subjektivität im Sinn von Herkunft und Umfeld. | |
Und zu Hause bei Claras Mutter zeigt sich, dass es dort mit der | |
Intersubjektivität auch nicht weit her ist. Auf persönliche Fragen reagiert | |
die Mutter mit Allgemeinplätzen, an Claras Innenleben zeigt sie kaum | |
Interesse. Anne Schäfer spielt Clara wunderbar beweglich zwischen abgebrüht | |
und fassungslos. | |
## Gastauftritt von Sandra Hüller | |
Mit ihrer in klar gerahmten, ruhigen Einstellungen gefilmten | |
Abschlussarbeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) | |
vermisst Annika Pinske am Beispiel der Universität einerseits die Reste der | |
innerdeutschen Grenze. Andererseits seziert sie fast lustvoll die feudalen | |
Strukturen des Hochschulbetriebs, in dem die Dinge oft auf eisige Weise | |
unausgesprochen bleiben. | |
Hier ist es [1][Sandra Hüller in einem kurzen Auftritt] als Gastdozentin, | |
die gegenüber Claras Professorin all die Dinge formulieren darf, die | |
karrierewillige Mitarbeiter des Mittelbaus mit großer Wahrscheinlichkeit | |
eher stumm in sich hineinfressen. Welcher Professor kriegt schon jeden Tag | |
die Worte „Sie sind ein böser Mensch“ zu hören? | |
14 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Schauspielerin-Sandra-Hueller-im-Gespraech/!5684635 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
## TAGS | |
Neuer Deutscher Film | |
Schwerpunkt Ostdeutschland | |
Schwerpunkt Berlinale | |
Spielfilm | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Cannes | |
taz Plan | |
Schwerpunkt Berlinale | |
Schwerpunkt Berlinale | |
Schwerpunkt Berlinale | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Cannes-Gewinner „Anatomie eines Falls“: Das trügerische Wesen der Wahrheit | |
Der Film „Anatomie eines Falls“ von Justine Triet ist ein gekonnt | |
verworrener Thriller. In Cannes wurde er mit der Goldenen Palme | |
ausgezeichnet. | |
Spielfilm „Anatomie d’une chute“: In die Wahrheit hineinfallen | |
Sandra Hüller begeistert im Spielfilm „Anatomie d’une chute“ der | |
französischen Regisseurin Justine Triet als Schriftstellerin unter | |
Mordverdacht. | |
Kinoempfehlungen für Berlin: Filme mit Haptik | |
Die Internationalen Stummfilmtage Bonn sind zu Gast in Potsdam. Und „An | |
Impossible Project“ erzählt von der Rettung der letzten Polaroid-Fabrik. | |
Dresen-Film über den Fall Kurnaz: Laut und verletzlich | |
Der Fall Murat Kurnaz inspirierte Andreas Dresen zu seiner neuen | |
Tragikomödie. „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ läuft im | |
Berlinale-Wettbewerb. | |
„Rimini“ im Wettbewerb der Berlinale: Amore Mio | |
Der Regisseur Ulrich Seidl reist in seinem jüngsten Film an die Adria. | |
„Rimini“ begleitet einen abgehalfterten Schlagerstar. | |
Berlinale würdigt Isabelle Huppert: Die Undurchschaubare | |
Schauspielerin Isabelle Huppert erhält bei der Berlinale den Ehrenbären für | |
ihr Lebenswerk. Sie hat das introvertierte Spiel zu ihrer Marke gemacht. |