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# taz.de -- Olaf Scholz zu Besuch in Moskau: Zeichen der Entspannung?
> Die Lage an der russisch-ukrainischen Grenze sei nicht aussichtslos,
> sagte Kanzler Scholz am Dienstag im Kreml. Auch Putin möchte „keinen
> Krieg“.
Bild: Diplomatie mit Abstand: Scholz zum ersten Mal zu Besuch in Moskau
Moskau taz | Aus Kiew über Berlin nach Moskau: Bundeskanzler Olaf Scholz
war zu einer schwerwiegenden Mission aufgebrochen. Reden, vermitteln,
Frieden erhalten in Europa, während Russland an seiner Grenze zur Ukraine
Zehntausende Soldaten samt schwerem militärischem Gerät positioniert hat.
Moskau empfängt den 63-Jährigen mit viel Sonnenschein. Und einer Vorsicht,
weil der Neue im Kanzleramt noch fremd ist.
Der nächste Besucher aus Europa, der herausfinden will, was der Kreml
vorhat mit seinen Truppen. Die Türen dafür, da wird Moskau gar nicht müde,
es zu betonen, sie stünden stets weit offen – für einen „Dialog auf
Augenhöhe“. „Die diplomatischen Möglichkeiten sind bei Weitem nicht
ausgeschöpft“, sagt Scholz bei der Pressekonferenz nach knapp drei Stunden
Gespräch. Er greift damit die Aussage des russischen Außenministers Sergei
Lawrow bei seinem Treffen mit Putin am Tag zuvor auf.
Russland will gehört werden, will wertgeschätzt werden in der Welt – und
reagiert aggressiv, weil es nicht genug Respekt bekommt von seinen
„westlichen Partnern“. Sich diesen Respekt verschaffen, indem die russische
Führung Angst schürt, ist eine alte sowjetische Formel. Die Truppen stünden
schließlich auf eigenem Territorium, es fänden Übungen statt, Russland
bedrohe niemanden, es sei der Westen, der in eine „Massenpsychose“ verfalle
und „Hysterie“ verbreite. Ein Narrativ, das sich in Russland seit Monaten
hält. „Informationsterrorismus“, nennt es Lawrow.
Scholz macht eine müde Figur neben Putin. Er verweist nochmals darauf, dass
der Westen den Truppenaufmarsch an der russisch-ukrainischen Grenze als
Bedrohung sehe und besorgt sei. Einen vernünftigen Grund für diese
Aufstellung sehe er nicht. Putin spricht derweil von „Völkermord“ im
Donbass. „Wir wollen keinen Krieg und sind ebenso besorgt wie Sie“, meint
er und betont die „Schlüsselpunkte“ der von Russland geforderten
Sicherheitsgarantien. Scholz nennt die Lage „nicht aussichtslos“.
Während Putin seinen Gast aus Deutschland an einen mindestens sechs Meter
langen Tisch im Kreml bat, wie bereits den [1][französischen Präsidenten
Emmanuel Macron] einige Tage zuvor, traf sich Lawrow in seinem Gästehaus im
Zentrum Moskaus derweil mit seinem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau,
der in seiner Funktion als OSZE-Vorsitzender zur selben Zeit wie Scholz in
Moskau war. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte Lawrow einen
bemerkenswerten Satz: „Wenn sie ernsthaft bedrängt werden, geben sie
positive Antworten darauf, was sie lange Zeit abgelehnt haben.“ „Sie“, das
sind die Amerikaner, die Europäer, das ist der Westen.
Russland beharrt auf Ende der Osterweiterung
Lawrows Satz ist das Eingeständnis der russischen Eskalationspolitik, um
den Westen an den Verhandlungstisch zu zwingen und für die russischen
Belange so viel herauszuholen wie nur möglich. Moskau wusste von Anfang an,
dass die Sicherheitsgarantien, die es den USA und der Nato abpressen will,
in dieser Form unvereinbar sind mit den Grundsätzen der Politik der offenen
Türen der Nato. Dennoch beharrt Russland darauf, dass die Nato ihre
[2][Osterweiterung] stoppt, die Waffen zurückzieht und letztlich die Lage
wieder wie im Jahr 1997 herstellt.
Die Sicherheit eines Landes dürfe die Sicherheit eines anderen Landes nicht
beschädigen, sagt Lawrow immer wieder und betont, sollte die Ukraine in die
Nato aufgenommen werden, sei die Sicherheit Russlands eben dahin. Für Kiew
aber, das sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski beim Besuch
von Scholz einen Tag zuvor, sei der Nato-Beitritt ein ferner Traum. In der
ukrainischen Verfassung sei dieser zwar fest verankert, doch über den
Beitritt entscheide nicht die Ukraine, so Selenski in Kiew.
Derweil übt sich Moskau in einer Art Entspannungspolitik. Nach Angaben des
russischen Verteidigungsministeriums sind die Soldaten im Westen und Süden
des Landes in ihre Heimatgarnisonen zurückbeordert worden. Die Übungen
seien vorbei, mit dem Verladen der Militärtechnik sei begonnen worden,
sagte ein Sprecher am Dienstag. Um wie viele Soldaten es sich handelt,
erklärte er nicht. „Russland wird nach Plan handeln“, sagt Putin später im
Katharinensaal des Kremls. Wie dieser Plan aussieht, konnte ihm auch Scholz
nicht entlocken.
Putin wird entscheiden
Einige Stunden vor dem gemeinsamen Auftritt des Kanzlers und des
Präsidenten hat die russische Staatsduma für eine Vorlage gestimmt, die
abtrünnigen Separatistengebiete Donezk und Luhansk anzuerkennen. Das
ukrainische Außenministerium verwies im Vorfeld darauf, dass eine
Anerkennung gegen die Minsker Vereinbarungen spreche. Der Kreml teilte mit,
die Entscheidung der Duma spiegele den Willen der Mehrheit des russischen
Volkes wider. Putin werde entscheiden.
Die Anerkennung würde Moskau, ähnlich wie auf der Krim, die Möglichkeit
verschaffen, doch in der Ukraine einzugreifen mit der Begründung, man rette
das eigene Volk. Im Donbass verteilt Russland seit Jahren russische Pässe.
„Die Geschichte ist noch nicht zu Ende“, sagte bereits Lawrow bei seinem
Treffen mit Rau.
15 Feb 2022
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## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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