# taz.de -- Neuer Ostbeauftragter Carsten Schneider: „Wir brauchen Klassenbew… | |
> Die Menschen müssen für ihre Interessen kämpfen, sagt der Ostbeauftragte | |
> Carsten Schneider. Er setzt auf Gewerkschaften und will mit Impfgegnern | |
> reden. | |
Bild: Carsten Schneider in seinem Büro im Kanzleramt | |
taz: Herr Schneider, Sie sind jetzt Ostbeauftragter der Bundesregierung. | |
Was ist ein Ostdeutscher? | |
Carsten Schneider: Das sind ganz grundsätzlich diejenigen, die im Osten | |
geboren sind. Aber meine Kinder sehen sich zum Beispiel nicht so, mein | |
Bruder schon, der ist 1991 geboren. Ich glaube, die Zeit nach 1989 ist für | |
das Herausbilden eines ostdeutschen Bewusstseins entscheidender als die | |
vierzig Jahre DDR. Das gemeinsame Erleben von Unsicherheit, Entwertung, | |
Arbeitslosigkeit, auch Angst, das macht diese Prägung aus. | |
Kann man Ostdeutscher werden? | |
Man kann Empathie und einen Blick für Ostdeutschland entwickeln und ein | |
echtes Verständnis. Aber wenn man die neunziger Jahre nicht selbst erlebt | |
hat, ist das – glaube ich – nicht so recht drin. | |
Sehen Sie es als ein Problem der Repräsentation an, wenn Westdeutsche | |
Mandate in Ostdeutschland bekommen? Der Kanzler ist zum Beispiel auch über | |
ein Direktmandat in Potsdam in den Bundestag eingezogen. | |
Nein, am Ende entscheiden die Wähler. Wenn wir als Partei nur einen | |
Wahlkreis in Brandenburg gewonnen hätten, wäre das anders gelagert. Aber | |
wir haben dort fast alle Wahlkreise mit neuen Kandidaten besetzt, oft junge | |
Leute, das sind fast alles Brandenburger Gewächse. In Thüringen, wo ich | |
herkomme, sind vier von fünf SPD-Abgeordneten aus dem Osten. Früher war | |
dieses Defizit größer, heute ist es doch eher eine Ausnahme. Es gibt | |
übrigens auch Ossis, die im Westen gewählt werden, das sind aber noch nicht | |
so viele. | |
Sie sind als Ostbeauftragter jetzt nicht mehr dem Wirtschaftsministerium | |
zugeordnet, sondern dem Kanzleramt, in dem wir hier gerade sitzen. Was | |
verändert das? | |
Im Kern nutze ich die geliehene Autorität des Bundeskanzlers. Er sitzt eine | |
Etage über mir und er will, dass das hier etwas wird. Deshalb hat er mich | |
zu sich geholt. Entscheidungen werden ja nicht erst im Bundeskabinett | |
getroffen, sondern werden vorbereitet. Und alle, die an für den Osten | |
wichtigen Entscheidungen beteiligt sind, kommen mit ihren Informationen und | |
Ideen zu Forschungsvorhaben oder Infrastrukturprojekten hierher ins | |
Bundeskanzleramt. Und da kann ich Einfluss nehmen, so kann ich vor die | |
Welle kommen. Ich bin viele Jahre im Bundestag und weiß in etwa, wann wo | |
welche Entscheidung getroffen wird. | |
Wie sieht das praktisch aus? | |
Im Kanzleramt gibt es Spiegelreferate für die einzelnen Fachressorts. Die | |
wissen, wann welche Entscheidung vorbereitet wird. Und dann kann man | |
moderierend das Gespräch suchen und lenken. | |
In den Spiegelreferaten finden viele Gespräche gleichzeitig statt. Wie | |
wollen Sie diese als Einzelperson lenken? | |
Ich baue gerade einen eigenen Arbeitsstab auf. | |
Wie groß wird der sein? | |
Wenn wir voll arbeitsfähig sind, werden es wahrscheinlich vierzig Leute | |
sein. Für die Aufteilung sind die Investitionsressorts entscheidend wie | |
Wirtschaft, Verkehr, Bildung und Forschung, aber auch Arbeit und Soziales. | |
Wenn Sie sich auf die wesentlichen Punkte konzentrieren, geht das auch mit | |
wenigen Leuten. | |
An welchen Punkten werden Sie in vier Jahren festmachen, ob Sie erfolgreich | |
waren? Wenn Sie mehr Geld in Richtung Ostdeutschland geschleust haben? | |
Wenn wir die Chancen der Transformation nutzen und weitere Unternehmen | |
erfolgreich im Osten ansiedeln können. Wir brauchen neben Tesla noch | |
weitere Kernindustrien. Im Verkehrsbereich brauchen wir vor allem eine | |
schnelle Eisenbahnanbindung nach Osteuropa, nach Polen ist sie furchtbar | |
schlecht, ausgebaut kann man dazu gar nicht sagen. Die 2020er Jahre werden | |
Jahre der Veränderung sein, besonders im Energiebereich wird kein Stein auf | |
dem anderen bleiben. Das kann man lethargisch hinnehmen oder versuchen, | |
vorn dran zu sein. Ich bin dafür, die Chancen zu ergreifen, vor allem wenn | |
die Claims noch nicht abgesteckt sind, wie Ende der Achtziger in der BRD. | |
Das Gebiet der ehemaligen DDR wurde ökonomisch damals ja eher als | |
erweiterter Absatzmarkt betrachtet und es kam zu einem Nachbau West. | |
Kennen Sie die Serie „Warten auf ’n Bus“, in der zwei Langzeitarbeitslose | |
in Brandenburg auf den Bus warten? | |
Nein. | |
In einer Folge steigt einer der beiden tatsächlich mal in den Bus und fährt | |
zum Job-Interview zu Tesla. Er wird nicht genommen, weil er nicht die | |
passende Qualifikation hat. Macht man Menschen mit solchen Jobs nicht | |
Hoffnungen, die dann gar nicht erfüllt werden können? | |
Ich kenne viele Langzeitarbeitslose, die einen neuen Job und damit auch | |
ihren Stolz wiedergefunden haben. Beispielsweise bei Zalando in Erfurt. In | |
solchen großen Unternehmen kann man auch als Ungelernter einen Job finden. | |
Das Unternehmen bemüht sich um seine Beschäftigten, mehr als gemeinhin | |
angenommen, auch wenn nicht alles glänzt. Vielleicht wirst du nicht der | |
Mechatroniker bei Tesla, sondern arbeitest erst mal im Lager. Aber du bist | |
wieder drin im Arbeitsleben und damit erfährst du auch wieder | |
gesellschaftliche Wertschätzung. Die DDR war eine Arbeitsgesellschaft. | |
Deswegen waren die 90er und 2000er Jahre mit Massenarbeitslosigkeit auch so | |
demütigend für viele. | |
Nun hat es in Ostdeutschland viele große Versprechungen mit | |
Großansiedlungen und Zukunftstechnologien gegeben. Chipfabrik und | |
Luftschiffbau in Brandenburg, Solarenergie in Sachsen, Windradbau in | |
Sachsen-Anhalt. Vieles davon ist gescheitert. | |
Also wenn ich mir den Aktienkurs und die Marktkapitalisierung im Vergleich | |
zu den deutschen Autobauern ansehe, würde ich sagen: Tesla ist die Zukunft. | |
Außerdem haben wir den Vorteil, dass die Globalisierung an ihr Ende | |
gekommen ist. Die Fabriken für Halbleiter, Solar und andere | |
Hochtechnologien werden wieder dezentral gebaut, sicher auch in | |
Deutschland. | |
Wie zeitgemäß ist das Warten auf den einen großen Investor, der ganze | |
Gegenden retten soll und von dem man sich zugleich sehr abhängig macht? | |
Wäre es nicht besser, auf kleinere Unternehmen zu setzen? | |
Wenn ein großer Investor kommt, lehne ich doch nicht ab. Der Osten hat | |
etwas, womit er wuchern kann, das andere nicht haben, und das ist Fläche. | |
Natürlich brauchen wir die kleinen und mittleren Unternehmen, nur wegen | |
denen steht Thüringen so gut da. Das Problem ist dort aber, dass sie oft | |
keine Tarifverträge haben und kaum Betriebsräte. Für höhere Löhne brauchen | |
wir eine bessere Tarifbindung, und das geht nur mit starken Gewerkschaften. | |
Ich unterstütze die Beschäftigten bei Forderungen nach fairer Bezahlung. | |
Durch den Eintritt in eine Gewerkschaft können sie dazu auch einen Beitrag | |
leisten. | |
Tesla baut immer noch ohne umweltrechtliche Genehmigung, und Konzernchef | |
Elon Musk hat nur gelacht, als ihn eine Reporterin auf den Wassermangel | |
ansprach, den seine Fabrik verursachen wird. Das Unternehmen erschwert die | |
Gründung eines Betriebsrats. Müsste die SPD, die in Brandenburg regiert, da | |
nicht mal selbstbewusster auftreten? | |
Wir haben die strengsten Umweltvorschriften weltweit, und Wasserprobleme | |
gibt es bei allen Fabriken, die neu gebaut werden. Dass die Amerikaner die | |
deutsche Kultur der Mitbestimmung nicht kennen, ist auch hinreichend | |
bekannt. Man muss die Regeln durchsetzen und den Betriebsrat eben auch. Ich | |
werde mich auch grundsätzlich vor die Werkstore stellen, auch bei Amazon, | |
und für die Interessen der Arbeitnehmer kämpfen. Die müssen aber bereit | |
sein, auch selbst in die Gewerkschaft einzutreten und für Tariflöhne zu | |
streiten. | |
Es gab in Ostdeutschland in den vergangenen Jahren einige erfolgreiche | |
Streiks, bei Teigwaren Riesa, beim Stahlwerk in Unterwellenborn, bei | |
Eberspächer in Hermsdorf und bei Dagro Automotive in Gera. Ändert sich die | |
ablehnende Haltung vieler Ostdeutscher gegenüber Gewerkschaften? | |
Ich hoffe sehr, dass diese Erfolge die Leute darin bestärken, ihre | |
Arbeitskraft nicht nur auf den Markt zu tragen, sondern dafür auch einen | |
Preis zu verlangen. Die Jahrzehnte des Kleinmachens aus der berechtigten | |
Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, kenne ich aus persönlichen | |
Erfahrungen. Ich wollte als Auszubildender in der Bank eine | |
Auszubildendenvertretung gründen, aber niemand hat sich getraut, | |
mitzumachen. Wir brauchen eine Renaissance des Klassenbewusstseins in | |
Ostdeutschland. Die Menschen müssen wieder lernen, für ihre Interessen zu | |
kämpfen. | |
Ist Ostdeutschland auch auf Zuwanderung angewiesen? | |
Ja klar, die Zahlen sind eindeutig. Wir brauchen zwingend Zuwanderung, | |
sonst haben wir keine Zukunft. Dafür braucht es das notwendige Bewusstsein | |
in der Bevölkerung. Der Osten muss Fremde willkommen heißen – und damit | |
meine ich nicht nur Ausländer, sondern auch Fremde aus anderen | |
Bundesländern. Sonst wird es elementare Grundbedürfnisse wie Krankenhäuser | |
oder die Kneipe im Ort nicht geben. Die größte Wachstumsbremse in | |
Ostdeutschland ist nicht wie früher oft das fehlende Kapital, sondern die | |
fehlenden Mitarbeiter. | |
Wie vertreten Sie solche Aussagen in den Teilen Ostdeutschlands, in denen | |
es starke rechtsextreme Strukturen und deren Unterstützer gibt? | |
Wenn Sie ein überzeugendes Argument haben – und mein Argument ist | |
überzeugend –, dann müssen Sie dafür kämpfen. Wenn ich einen Betrieb | |
besuche, dann sage ich: Euch fehlen die Arbeitskräfte. Wenn ihr die nicht | |
bekommt, weil ihr sie nicht wollt, dann macht ihr zu. Und so kriegen Sie | |
die aufgeschlossen. Und wenn ich die habe, schließe ich mir die nächsten | |
auf. Diese Diskussion muss man natürlich auch gesellschaftlich führen, da | |
darf man nicht den Kopf einziehen. | |
Für wie gefährlich halten Sie Rassismus und Rechtsextremismus in | |
Ostdeutschland? | |
Der Kampf gegen Rassismus war für mich immer eine entscheidende politische | |
Frage. Rostock-Lichtenhagen hat mich politisiert, das war für mich der | |
Punkt, an dem ich gesagt habe: Das kann so nicht weitergehen. Die DDR war | |
eine sehr homogene Gesellschaft, viele kannten gar keinen Menschen mit | |
dunkler Hautfarbe. Es verändert sich, an manchen Orten nur langsam, aber | |
nur durch Erfahrung wird aus einer homogenen Gesellschaft eine, die keine | |
Angst mehr hat. In den neunziger Jahren hatten Sie in Erfurt als Pole ein | |
Problem. Heute ist das anders. | |
Die Demonstrationen der Impfgegner werden in Ostdeutschland oft von | |
Rechtsextremen organisiert. Die Polizei lässt sie an vielen Orten gewähren. | |
Ist das ein Kontrollverlust des Staates? | |
Natürlich könnte man so eine Demonstration als Polizei auch komplett | |
unterdrücken. Die Frage ist: Wäre das klug? Nach meiner Kenntnis werden | |
diese Demonstrationen zum Teil angeleitet von Leuten aus der rechtsextremen | |
Szene. Aber der ganz überwiegende Teil, der mitläuft, sind normale Bürger. | |
Und wenn wir die alle von Berlin aus als Nazis bezeichnen, dann werden die | |
irgendwann das sagen: Ja, okay, wenn ihr das meint, dann sind wir das auch. | |
Deswegen muss man da mit Fingerspitzengefühl vorgehen. | |
Viele Versuche von Michael Kretschmer, das Gespräch zu suchen, wirken im | |
Ergebnis nicht sehr überzeugend. | |
Michael Kretschmer und auch andere haben nicht aufgegeben, das Gespräch zu | |
suchen. Wer aus einer extremistischen Ecke kommt, will nicht reden, sondern | |
provozieren. Aber ich kann nicht alle Demonstrierenden aufgeben, sondern | |
muss mich um alle, die noch zu Gesprächen bereit sind, bemühen. Wir haben | |
schließlich auch Fehler gemacht als Politikerinnen und Politiker. Und das | |
Begrenzen der Versammlungsfreiheit empfinde auch ich als eine sehr starke | |
Einschränkung von Grundrechten. Demonstrationsfreiheit ist für Ostdeutsche | |
ein besonderes Symbol. | |
Unser Eindruck ist, dass Politiker in Ostdeutschland seit den neunziger | |
Jahren sehr oft rechtsextremem Protest zuhören und die Polizei diesem | |
besonders leicht nachgibt. Sehen Sie da nicht eine Linie von | |
Rostock-Lichtenhagen über die rassistische Gewalt gegen Geflüchtete 2015 | |
bis zu den Impfgegner:innen-Demos heute? | |
Nein. Ich habe zum Beispiel Medizinstudenten in Dresden getroffen, die | |
gegen die Impfgegner demonstriert haben. Die Studenten haben übrigens die | |
Arbeit der Polizei gelobt, weil die so umsichtig waren. Und sie sind auch | |
mit einigen von der anderen Seite ins Gespräch gekommen. Sie machen sich | |
Gedanken um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das hat mich sehr | |
beeindruckt. Einen von ihnen habe ich deshalb gefragt, ob er auch für | |
weitere Gespräche zur Verfügung stehen würde. | |
Wie soll das aussehen? | |
Ich bin ja ein Kleingarten-Fan, weil sich da sozial und politisch alles | |
mischt. Und da würde ich gern mit den Leuten reden, die gegenüber dem Staat | |
misstrauisch sind und auch Ihnen gegenüber, den Medien. Sie werden ja auch | |
als Teil des Staates gesehen. Man kriegt das nur aufgebrochen mit | |
persönlicher Zuwendung, das ist meine Erfahrung. Jetzt können Sie sagen: | |
Das ist zu wenig, aber irgendwo muss man ja anfangen. | |
Wie gehen Sie als Politiker mit dem Zwiespalt um, dass, wenn man Rechten | |
zuhört, es immer auch ermutigend wirkt für die Mitläufer? Aha, denen wird | |
zugehört, die sind laut. | |
Ich höre keinen Rechten zu. Also wenn jemand für mich erkennbar als Neonazi | |
auftritt, dann ist bei mir Rio. | |
Man erkennt doch nicht immer an der Kleidung, ob jemand rechtsextremes | |
Gedankengut hat oder verbreitet. | |
Früher in den Neunzigern war das schon an den Äußerlichkeiten leichter zu | |
erkennen. Wer rechtsextremes oder populistisches Gedankengut verbreitet, | |
ist für mich kein Gesprächspartner. Mir ist es aber grundsätzlich wichtig, | |
den normalen Menschen zu vermitteln, dass im Stadtrat, im Landtag und im | |
Bundestag ihre ganz normalen Mitbürger sitzen, die man ansprechen kann und | |
nicht irgendwie welche von da oben. Ich mache nichts anderes seit 23 | |
Jahren. | |
Wo hört das Zuhören konkret auf? Wenn Demonstranten vor dem Haus von | |
Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping stehen, offenbar nicht. Wenn | |
sie sich über Telegram verabreden, Michael Kretschmer zu töten, auch nicht. | |
Wenn Normen und Gesetze überschritten werden, muss der Staat durchgreifen. | |
Vor dem Haus von Politikerinnen oder Politikern taucht man nicht auf, ob | |
mit Fackeln oder ohne. Bei Familie und Privatleben ist für mich Schluss. | |
Das gilt aber für rechts wie links. | |
Mit den Coronaprotesten haben Rechtsextreme mehr Menschen für ihre | |
Botschaften erreicht, es sind neue Netzwerke entstanden. Wahrscheinlich | |
wird diese rechte Graswurzelbewegung bei Themen wie Spritpreiserhöhung oder | |
Klimawandel wieder aktiv werden. | |
Ich sehe diese Gefahr ebenfalls, und deswegen bin ich auch so vorsichtig | |
bei der Kommunikation. Wir können es uns nicht leisten, alle Leute, die da | |
mitlaufen, abzustempeln. Der Osten ist der Battleground für die Demokratie | |
in Deutschland. Hier entscheidet sich, ob es uns gelingt, das zu | |
verteidigen. Im Westen gab es in den letzten Jahrzehnten eine stabile | |
Demokratie und ein übersichtliches Parteiensystem und alles war gut. Aber | |
ich habe einfach erlebt, wie ein Staat, wie eine Gesellschaft implodieren | |
kann. Problematisch ist auch, wenn sich alle demokratischen Kräfte gegen | |
die AfD zusammenschließen müssen, vor oder nach Wahlen. Dann verblassen die | |
Unterschiede zwischen den anderen Parteien und die Rechtsextremen stehen | |
scheinbar als einzige Alternative da. Dann kann das irgendwann kippen. | |
Wie sähe eine linke Gegenstrategie aus? Eine andere Erzählung? | |
Die SPD hat Stimmen gewonnen, auch von der AfD, weil sie die Frage von | |
Respekt, sozialer Sicherheit und ordentlicher Bezahlung in den Mittelpunkt | |
gerückt hat. Wir haben Fragen thematisiert, die existenziell sind für ganz | |
normale Leute. Bessere Löhne, sichere Renten, bezahlbare Wohnungen. Das | |
verbinden wir mit Aufklärung und Minderheitenschutz. Aber man darf die | |
kulturellen Fragen nicht in den Mittelpunkt stellen. Das ist für die | |
arbeitende Mitte zu weit weg. | |
Also soziale Sicherheit groß schreiben und das, was Sie Minderheitenschutz | |
nennen, so nebenher mitnehmen? | |
Eine zentrale Sache kommt noch hinzu: Wir brauchen ein stärkeres | |
Bewusstsein der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für ihre eigene | |
Leistung. Wir müssen sie besser bezahlen und sie auch darin unterstützen, | |
kapitalistische Großkonflikte zu suchen und für die eigenen Interessen | |
darin zu streiten. | |
Also lautet die Gegenerzählung Klassenbewusstsein? | |
Ja. Es macht mich wahnsinnig, dass es kein Klassenbewusstsein gibt bei den | |
meisten Leuten. Die regen sich auf über Gendersternchen, und währenddessen | |
wandern Milliarden von unten nach oben. Die SPD hat gezeigt, dass die | |
sozialen Themen bei ihr gut aufgehoben sind. Deswegen glaube ich auch, dass | |
die SPD die AfD im Zaum halten kann. | |
10 Feb 2022 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
Katrin Gottschalk | |
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