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# taz.de -- Widerstand gegen Kunsthalle Berlin: Deals ohne Sinn für Kreativit�…
> In der Hauptstadt wächst der Unmut über die Kunsthalle Berlin.
> Tatsächlich fragt sich, was wichtiger ist: Kunstförderung oder
> Standortmarketing.
Bild: Spendables Berliner Politik: Schau zu Bernar Venet im ehemaligen Flughafe…
Der Widerstand gegen die neue „Kunsthalle Berlin – Flughafen Tempelhof“
wächst. Es hat sich eine breite Front (nicht nur) von Berliner
Künstler/innen gebildet. Auf der anderen Seite steht die „Stiftung für
Kunst und Kultur e. V.“ mit dessen Vorsitzenden Walter Smerling. Der
Verein, der sich Stiftung nennt, zeigt unter dem Namen „Kunsthalle“ in zwei
Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin seit Ende Januar eine
Ausstellung mit Arbeiten des französischen Künstlers Bernar Venet. Zu sehen
sind vor allem riesenhafte Stahlknäuel, für die Venet seit Jahrzehnten
bekannt ist.
Zur Eröffnung von Venets Schau kursierte bereits ein [1][Boykottaufruf auf
Instagram,] initiiert von Berliner Künstlerinnen, davon zwei aus dem
Vorstand des „berufsverbands bildender künstler*innen berlin“ (BBK). Der
Berliner BBK als Verein beließ es ansonsten bei einer Reihe von
Pressemitteilungen mit scharfer Kritik an der neuen Kunsthalle, ihrem
Namen, ihrem Betreiber und ihren Ermöglichern aus Wirtschaft und Politik.
Es gibt derzeit auch für die Kritiker/innen eine etwas unübersichtliche
Lage, da nicht völlig klar ist, wo im Für und Wider zur Kunsthalle die
Politik oder vielleicht genauer: wo bestimmte Politiker einzuordnen sind.
Offenbar war es so, dass der damalige Regierende Bürgermeister Michael
Müller (SPD) Walter Smerling zwei Hangars im ehemaligen Flughafen zur
Nutzung angeboten hat. So lautet jedenfalls die Erzählung von Smerling.
Michael Müller, inzwischen Bundestagsabgeordneter, zieht es vor, Anfragen
der taz zu einer Stellungnahme über seine Rolle bei der Ansiedlung der
Kunsthalle in Tempelhof unbeantwortet zu lassen.
Fakt ist: Smerling bekommt für seine Kunsthalle durch Beschluss der
seinerzeitigen Regierungskoalition unter Michael Müller Mietfreiheit
zugebilligt. Zunächst war der Eindruck erweckt worden, Smerlings Kunsthalle
würde ausschließlich mit privatem Kapital betrieben. Sponsor ist der auch
in Berlin sehr aktive Immobilienentwickler Christoph Gröner. Erst nach
einem Artikel in der FAZ musste der aktuelle Berliner Finanzsenator Daniel
Wesener (Grüne) erklären, dass im Herbst letzten Jahres verschiedene
Senatsverwaltungen zugestimmt hatten, Smerling für seine Kunsthalle auch
eine 50-prozentigen Übernahme der monatlich anfallenden Betriebskosten
zuzusichern – bis zu einer Höhe von 50.000 Euro.
## Betriebskosten und Subventionen
Smerling beteuert nun in einem Gespräch mit der taz, die Betriebskosten
hätten bei der von seinem Verein im letzten Jahr bereits in den Hangars
gezeigte Ausstellung „Diversity United“ „weit unter 20.000 Euro“ gelege…
Die damalige Schau zur Lage der Kunst in Europa mit rund 90 Künstler/innen
aus 34 Ländern gastiert inzwischen in Moskau und soll auch noch in Paris
gezeigt werden.
Die maximal zugebilligte Übernahme von 50.000 Euro monatlich für die
Betriebskosten über zwei Jahre würde eine Subvention von 1,2 Millionen
durch das Land Berlin bedeuten. Das dient nun wiederum den
Kunsthallenkritikern zur Dramatisierung des Skandals. Hier werde eine
Kunsthalle gefördert, die nur dazu diene, „das Ansehen und den privaten
Reichtum all derer zu steigern, die mit ihr verbunden sind“, heißt es im
Boykottaufruf. Und das, während doch kommunale Kunstinstitutionen wie die
lokale Künstlerszene in prekären Verhältnissen existieren. Setzt der
Kunsthallen-Deal in Tempelhof also die falschen politischen Prioritäten?
Um diesem Vorwurf zu begegnen, wird es für Smerling nicht reichen, dass er
versichert, er wolle niemanden etwas wegnehmen, sondern nur die Kunstwelt
von Berlin bereichern. Die Wahl des Namens „Kunsthalle“ wird bei vielen
Künstlern in Berlin auch deshalb als Etikettenschwindel angesehen, weil sie
Eindruck erweckt, Smerlings Kunsthalle stünde in der Tradition einer
öffentlichen Einrichtung, wie es sie bis 1994 als „Staatliche Kunsthalle“
in Berlin schon einmal gegeben hat. Smerling räumt nun ein, der Name sei
ein „Fehler“ gewesen, und er sei bereit, ihn zu ändern. Selbst auf den
hälftigen Erlass der Betriebskosten möchte er inzwischen am liebsten
verzichten.
## Nur ein Symptom
Derweil feuern die Kritiker weitere Salven ab. Ein offener Brief dreier
prominenter Kunstprofessor:innen (Jörg Heiser, Hito Steyerl und
Clemens von Wedemeyer) und die „Koalition der Freien Szene“ in Berlin
fordert Aufklärung über den intransparenten Deal mit Smerling. Auch
Kultursenator Klaus Lederer (Linke) gerät inzwischen in die Schusslinie,
hatte er doch dem Deal im letzten Herbst zugestimmt, so dass ihm jetzt nur
noch bleibt, den Namen Kunsthalle als „Guerilla-Marketing“ anzuprangern, um
gegenüber der Berliner Kunstszene nicht ganz als Verräter dazustehen.
Doch die Kritik zielt längst nicht mehr allein auf Namen oder Personen: Die
Kunsthalle sei „nur ein Symptom“, meint der Berliner BBK. Am Freitag lud er
daher zu einer Podiumsdiskussion über die Kunsthalle. Motto: „Was ist hier
eigentlich los?“ Und hier weitete sich der Horizont der Diskussion, unter
Beteiligung vieler Akteure aus selbstverwalteten Projekträumen,
Künstlerinitiativen und Urbanistik-Expert/innen. Der Kunsthallendeal
erscheint nur als Teil einer Stadtentwicklungsstrategie, in der Räume neu
„überschrieben“ werden, wo also Verfügungsgewalt über Stadtflächen an
private Entwickler abgetreten wird und Zivilgesellschaft oder
Eigeninitiative von Kreativen und Künstlern vonseiten der Politik kaum eine
Chance gegeben wird.
Die Berliner Politik habe keine Vision, meinte etwa Daniela Brahm. Die
landeseigenen GmbHs wie die Tempelhof Projekt GmbH, die den ehemaligen
Flughafen auf Geheiß des Landes Berlin gerade für Kulturschaffende und die
Kreativbranche ertüchtigen soll, seien unfähig, sich auf Experimente mit
genau denen einzulassen, um die es doch angeblich gehen soll. Brahm, selbst
Künstlerin, repräsentiert das Modell „Ex-Rotaprint“, einen
selbstorganisierten Kreativ-Standort im Wedding, dem es gelungen ist,
mittels zweier Stiftungen und rechtlich flankiert durch Erbbaurecht und
Gemeinnützigkeit die Renditelogik der Immobilienwirtschaft zu unterlaufen.
## Berlins Standortmarketing
Das Modell Ex-Rotaprint ist allerdings eine seltene Ausnahme. Politiker wie
Ex-Bürgermeister Müller haben offenbar weder Sinn für
Selbstverwaltungsprojekte noch einen Draht zu Künstlern, dafür umso
besseren Kontakt zu Kreisen wie Smerling und Sponsor Gröner. Folge: Die
Politik nach Müller-Art vertreibt Künstler aus gentrifizierten
Stadtquartieren, Künstler, deren kreative Energie zugleich als Werbemittel
dazu dient, Berlins Standortmarketing aufzuhübschen.
Dem Podium am Freitag ging es deshalb um eine Kritik an Strukturen. Die
Umsetzung von stadtentwicklungspolitischen Vorgaben durch landeseigene
GmbHs (statt durch die kommunale Verwaltung) diene vor allem dem Zweck,
sich damit einer parlamentarischen Kontrolle zu entziehen. Den
Aufsichtsräten dieser GmbHs falle daher eine wichtige Rolle zu. Diese
Aufsichtsräte, da war man sich einig auf dem Podium, müssten mit den
„richtigen Leuten“ besetzt werden, etwa auch mit Vertretern der
Künstlerschaft und nicht nur mit den Staatssekretären aus der Politik.
Transparenz und Bürgerbeteiligung blieben sonst auf der Strecke. Der von
Müller beabsichtigten [2][Bebauung des Tempelhofer Flugfeldes] konnte auch
nur durch einen Volksentscheid begegnet werden. Die Skandalisierung von
Sperlings Kunsthalle könnte jetzt also dazu beitragen, politische
Strategien neu zu befragen. Etwa: Dienen Kunstevents eigentlich nur noch
dazu, Standorte aufzuwerten, um sie immobilientechnisch besser vermarkten
zu können?
21 Feb 2022
## LINKS
[1] /Debatte-um-Kunsthalle-in-Tempelhof/!5833147
[2] /Bebauung-des-Tempelhofer-Feldes/!5726690
## AUTOREN
Ronald Berg
## TAGS
Kunstbetrieb
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