# taz.de -- Christdemokraten wählen neue Führung: Ein Sanitäter für die CDU | |
> Ex-Sozialsenator Mario Czaja wird am Samstag Generalsekretär der | |
> Bundes-CDU. Er soll die Partei modernisieren. Kann Czaja das? | |
Bild: Mario Czaja, seit 2018 auch Landeschef des Roten Kreuzes, soll mit Friedr… | |
Berlin taz | Am Samstag gegen 12 Uhr soll Mario Czaja an einem Rednerpult | |
im Konrad-Adenauer-Haus stehen, sich als künftiger Generalsekretär beim | |
[1][digitalen Bundesparteitag] der Christdemokraten vorstellen und | |
anschließend gewählt werden. Dass Czaja an diesem Pult in der | |
CDU-Bundeszentrale eine gute Figur machen wird, steht außer Frage. | |
Offen ist, wie es danach weitergeht. Czajas Aufgabe wird sein, mit dem | |
neuen Unions-Vorsitzenden Friedrich Merz die CDU umzukrempeln und auf | |
Bundesebene wieder regierungsfähig zu machen. Kann Czaja das – der Mann, | |
der einerseits als Berliner Sozialsenator mit der Flüchtlingskrise 2015 | |
völlig überfordert war, andererseits seit Jahren erfolgreichster | |
Wahlkämpfer der Stadt ist? | |
Selten, vielleicht nie, fand die Wahl eines CDU-Generalsekretärs so viel | |
öffentliche Beachtung wie diese. Früher fiel es gelegentlich selbst | |
politisch Interessierten schwer, den Namen des aktuellen Amtsinhabers zu | |
nennen. Ausnahmen bildeten allein Reizfiguren wie Heiner Geißler oder jene, | |
deren Namen mit besonderen Slogans verbunden wird, wie bei Peter Hintze mit | |
seiner berüchtigten [2][Rote-Socken-Kampagne.] | |
Und eben Mario Czaja, der 46-Jährige, der seit Langem mit den Attributen | |
gut aussehend, charmant, jovial belegt wird. Dabei ist es zweifelhaft, ob | |
es der CDU hilft, wenn sich die Aufmerksamkeit nicht allein auf den neuen | |
Vorsitzenden Friedrich Merz konzentriert, der am Samstag offiziell von den | |
1.001 Parteitagsdelegierten gewählt wird, nachdem er bei einer | |
Mitgliederbefragung im Dezember weit vorne lag. | |
Der designierte Parteichef aus dem Sauerland hat den Ostler Czaja nicht | |
ausgewählt, weil jener ein ausgewiesener und ansonsten gänzlich | |
unauffälliger Organisationsexperte für das Innenleben einer Partei wäre. | |
„Er hat gezeigt, dass er Kampagne kann“, betonte Merz, als er Czaja im | |
November vorstellte. | |
## Bestes Wahlkreisergebnis | |
Und wie er das kann: Czaja war schon 2016 bei der Berliner | |
Abgeordnetenhauswahl so erfolgreich wie kein anderer Direktkandidat | |
irgendeiner Partei. Er gewann seinen Wahlkreis – das eher bürgerliche, von | |
Einfamilienhäusern geprägte Mahlsdorf-Kaulsdorf – mit 47,4 Prozent. Fast | |
jeder Zweite stimmte also für ihn, wohlgemerkt bei einer Wahl, bei der die | |
CDU insgesamt schlecht aussah. Bei der Bundestagswahl Ende September | |
schaffte es Czaja sogar, im kompletten Bezirk Marzahn-Hellersdorf zu | |
siegen. Dort dominierte zuvor stets die Linkspartei; ihre Abgeordnete und | |
langjährige Landesvorsitzende Petra Pau schien unbezwingbar. | |
Czaja muss also nicht mehr oder weniger tun, als seinen Erfolg auf die | |
gesamte Partei zu übertragen. Er soll sie erfolgreicher bei Jüngeren und | |
Frauen machen und dem Osten mehr Geltung verschaffen. Das ist zugleich der | |
Punkt, den Czajas Kritiker in seinem Berliner Landesverband am meisten | |
betonen: Die Partei, also die CDU, sei in seinem Wahlkampf wenig | |
vorgekommen; es sei eine reine Czaja-Kampagne gewesen. | |
Die Kritik ist nicht neu: Schon vor 20 Jahren sagte ein führender CDUler | |
der taz: „Mir ist nicht bekannt, dass Czaja mal eine klare | |
christdemokratische Position bezogen hat.“ Czaja war bei den Wahlen so | |
erfolgreich, weil er seine Sache allein durchzog. Ohne den | |
CDU-Landesverband, der ihn nicht mal auf seiner Landesliste für die | |
Bundestagswahl absichern wollte und bei dem Czaja noch im Mai einen | |
„riskanten Rechtskurs“ sah. | |
Kann ein – wenn auch erfolgreicher – Einzelkämpfer ein Team, eine Partei | |
führen? | |
Erfolg kann Czaja nur haben, wenn auf Bundesebene passiert, was er im | |
Berliner Landesverband vergeblich einforderte: Näher dran zu sein, den | |
Osten mehr im Blick zu haben und mit der Linkspartei anders umzugehen – | |
oder genauer: mit deren Wählern und ihrer Lebensleistung. Pragmatisch zu | |
sehen, was geht, Kontakte zu etablieren: Das machte ihm in den 90er Jahren | |
schon sein [3][politischer Ziehvater] vor, der damalige | |
CDU-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth. Er bot „Wohnzimmergespräche“ auch mit | |
Wählern des Linkspartei-Vorläufers PDS an und saß dabei schon mit Petra Pau | |
auf einem Sofa. Vom „unideologischen Umgang mit allen demokratischen | |
Parteien vor Ort, die Gestaltungswillen beweisen“, sprach Czaja mal | |
gegenüber der taz. | |
Wie das auf Bundesebene, viel mehr im öffentlichen Fokus als in | |
Marzahn-Hellersdorf, gehen soll, ist offen. Umso mehr, weil diese Haltung | |
am „Unvereinbarkeitsbeschluss“ der CDU rüttelt, der eine Zusammenarbeit mit | |
der Linkspartei genauso verbietet wie mit der AfD. | |
## Missliches Krisenmanagment | |
Czaja selbst kontert Kritik an seinem Wahlkampfstil damit, dass davon nicht | |
nur er, sondern auch die CDU profitierte. So wie er das Bundestagsmandat in | |
Marzahn-Hellersdorf gewann, holten CDU-Kandidaten dort erstmals auch drei | |
der sechs Direktmandate für das Landesparlament, und zugleich wurde die | |
CDU, ebenfalls ein Novum, stärkste Kraft im Bezirksparlament. | |
Doch Czaja hat nicht nur Glanzseiten. Dass er in seiner Zeit als | |
Sozialsenator bis 2016 keine glückliche Figur beim Umgang in der | |
Flüchtlingskrise machte, in vieler Augen scheiterte und mutmaßlich nur | |
knapp einem Rauswurf aus der damaligen rot-schwarzen Landesregierung | |
entging, ist alles andere als ein Bewerbungsplus. Schließlich geht es | |
künftig um die Neuorganisation der CDU. | |
Nun ist aber eine Partei keine Millionenstadt, in der täglich Busse und | |
Züge mit Flüchtlingen in erst kurzfristig bekannter Zahl ankamen. Wobei die | |
zitierten kritischen Parteifreunde bei Czaja nachfolgend keine Demut und | |
Zweifel am eigenen Können auszumachen vermochten. | |
Czaja kann als Generalsekretär Erfolg haben, aber er ist viel mehr auf das | |
Zusammenspiel mit anderen angewiesen als in seinem Heimatbezirk, wo er seit | |
mehr als zwei Jahrzehnten CDU-Chef ist. Worauf der 46-Jährige hoffen kann, | |
ist der Schock in der Partei über die verlorene Bundestagswahl. Worauf er | |
zählen kann, ist seine Beständigkeit in mittlerweile fast 30 Jahren | |
Politik: Wann immer es ruckelte – ob bei einem drohenden Parteiausschluss, | |
einer Titelaffäre oder beim schlechten Flüchtlingsmanagement: Czaja machte | |
weiter – und bekam neue Chancen. | |
„Wenn er keine großen Fehler macht, wird er in der CDU seine Karriere | |
machen“, sagte der taz schon 2002 ein Parteifremder über Czaja. Es war | |
einer, der ihn aus Marzahn gut kannte, Wirtschaftssenator war und selbst | |
oft kämpfen musste: Gregor Gysi. | |
20 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.cdu-parteitag.de/programm | |
[2] https://www.tagesschau.de/inland/btw21/rote-socken-101.html | |
[3] https://www.mario-czaja.de/2018/09/mein-mentor-und-freund-elmar-pieroth-ist… | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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