# taz.de -- IS-Prozess in Hamburg: Dem IS den Sohn zugeführt | |
> Prozess gegen Stefanie A., die ihren minderjährigen Sohn als Rekrut nach | |
> Syrien gebracht haben soll | |
Bild: Die Angeklagte (l.) aus Bad Oldesloe zu Beginn des Prozessauftaktes im Ha… | |
HAMBURG taz | Die Verlesung der Anklageschrift dauert fast eine halbe | |
Stunde. Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft im Hamburger | |
Oberlandesgericht wirft Stefanie A. Mitgliedschaft in einer ausländischen | |
terroristischen Vereinigung in mehreren Fällen und Kriegsverbrechen vor. | |
Weitere Anklagepunkte sind die Verletzung der Fürsorge- und | |
Erziehungspflicht sowie fahrlässige Tötung – und vermutlich sind es diese | |
Punkte, die so viele Journalist:innen haben kommen lassen: Der Anklage | |
zufolge soll die 44-jährige Stefanie A. 2016 mit ihrem damals 13-jährigen | |
Sohn Malik ihrem Ehemann nach Syrien nachgereist sein, um ihren Sohn zu | |
einem IS-Kämpfer ausbilden zu lassen. Zwei Jahre später kam er bei einem | |
Bombenangriff ums Leben. | |
Stefanie H. könnte eine Fußballmutter vom Stadtrand sein: blondes Haar in | |
einem kleinen Dutt, Ponyfransen, eher füllig und in einem grauen | |
Sweatshirt. Es ist ihr nicht anzumerken, was sie denkt, nachdem die | |
Fotografen aus dem Gerichtssaal verschwunden sind und sie den Aktendeckel, | |
der ihr Gesicht verdecken sollte, hat sinken lassen. Was sie hört, sind die | |
Erklärungen der Bundesanwaltschaft zum Wesen der Terrororganisationen | |
Dschund al-Aksa und IS, zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und | |
Terroranschlägen in Europa. Das ist der abstraktere Teil und dann gibt es | |
einen konkreteren, in dem es um Stefanie A. geht und die Geldbeträge, mit | |
denen der IS ihre Haushaltsführung ermöglicht hat, darum, dass sie ihren | |
Sohn „als Rekrut zur Verfügung gestellt hat“. Nach seinem Tod habe sie den | |
älteren Sohn dazu aufgefordert, sich über den Märtyrertod zu freuen und sei | |
dem IS bis zu dessen Aufgabe treu geblieben. | |
Noch ist es viel zu früh für Plädoyers, aber A.s Anwalt gibt eine Erklärung | |
ab, die zeigt, in welche Richtung die Verteidigung gehen soll. Die | |
Beweislage sei klar, sagt Martin Heising, der immer wieder | |
[1][IS-Rückkehrerinnen] verteidigt hat – aber es seien andere Schlüsse | |
daraus zu ziehen. Stefanie A. habe lediglich ihrem verletzten Ehemann | |
nachreisen wollen, der zudem gar kein Kämpfer, sondern Koch gewesen sei. | |
Dass sie angenommen habe, es sei im Syrien des IS „friedlich“, sei | |
„möglicherweise ein bisschen naiv“, aber eben Ausdruck einer langjährigen | |
Partnerschaft, sagt Heising und benutzt damit ein [2][wiederkehrendes Motiv | |
der Rückkehrerinnen-Verteidigung.] | |
Vor allem aber möchte Heising zeigen, dass die Tatsache, dass Stefanie A. | |
nach dem Tod ihres Sohnes von ihm als „schahid“, Märtyrer, gesprochen hat, | |
nicht für eine „hoch ideologisierte Terroristin“ spreche, sondern für eine | |
Mutter, die versuche, ihre Trauer zu verarbeiten. Als Muslima sei es | |
naheliegend, sich damit zu trösten, dass der Tote an einem besseren Ort | |
sei. Zumal der Begriff auch für Verschüttete stehe, denen der Sohn zu | |
helfen versucht habe. Zudem drücke sich in dem, was Stefanie A. gesagt | |
habe, die „Scham eines Menschen“ aus, der sein Kind an einen Ort gebracht | |
hat, an dem es stirbt. | |
14 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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