# taz.de -- Corona und die Berliner Restaurants: Sie werden müder, sie werden … | |
> Seit Anfang Mai 2020 begleitet die taz Gastronom*innen durch die | |
> Pandemie. Wie geht es ihnen angesichts steigender Inzidenzen? | |
Bild: Der Blick nach vorn, irgendwie: Mengling Tang in ihrem Restaurant | |
„Wir gehen durch die Hölle“, sagt Arzu Bulut, eine der beiden | |
Geschäftsführerinnen der beiden Restaurants Osmans Töchter in | |
Charlottenburg und Prenzlauer Berg. In den nun fast zwei Jahren, in denen | |
die taz [1][drei Berliner Restaurants durch die Pandemie begleitet] (siehe | |
Kasten), mussten Bulut und Lale Yanik ihre glamourösen Restaurants für | |
raffinierte, moderne und liebevoll zubereitete türkische Küche in der | |
Wielandstraße und in der Pappelallee immer wieder schließen und öffnen. Sie | |
mussten Anträge auf Überbrückungsgelder und Kredite stellen. | |
Die 49-jährige Gastronomin erzählt: Sie haben mit einem Lieferdienst | |
zusammengearbeitet. Das Liefern wieder sein lassen. Einen professionellen | |
Online-Versand von Meze versucht aufzuziehen, für den sie sogar von einer | |
Gründer-Show auf Vox eingeladen wurden. | |
Sie haben die Tische in ihren Restaurants wegen der coronabedingten | |
Abstandsregeln auseinandergerückt, weniger Reservierungen angenommen, | |
Tische nach draußen gestellt, [2][wieder mehr Reservierungen angenommen]. | |
Sie haben Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit geschickt, sich gefreut, | |
wenn sie nach den beiden Lockdowns [3][in den darauf folgenden Sommern] | |
wieder öffnen durften. Doch dann schlug der Personalmangel in den Berliner | |
Restaurants zu. | |
Arzu Bulut und Lale Yanik haben Monate durchgearbeitet, sie sind müde. Und | |
nun, berichtet die Gastronomin, stecken sie nach zwei Jahren Pandemie | |
aufgrund der neuen Inzidenzzahlen und der 2G-Plus-Regel seit Mitte Januar | |
schon wieder knietief in der Flaute. | |
## Ihre Stimme wird klein | |
Einige Berliner Bars und Restaurants wie das Café Einstein und das Rotbart | |
haben davor bereits kapituliert und erst mal bis Ende des Monats | |
dichtgemacht. „Lale und ich hatten in der letzten Zeit gar nicht mehr das | |
Gefühl zu leben“, sagt Bulut, die sonst sehr schwungvoll wirkt, mit | |
ziemlich kleiner Stimme. | |
„Wir sind ein Restaurant und keine Arztpraxis“, seufzt sie. „Wenn man eine | |
Gaststätte betreibt, weil man Lust darauf hat, und [4][plötzlich ist alles | |
nur noch ein Überlebenskampf], dann muss man neu überlegen.“ Und | |
schließlich berichtet sie, dass sie sich seit einiger Zeit den Kopf darüber | |
zerbrechen, ob sie nicht eines ihrer beiden Restaurants schließen sollen. | |
„Die Restaurants laufen den Umständen entsprechend“, sagt sie. „Aber wir | |
können einfach nicht mehr.“ | |
„Das spiegelt die Stimmung bei den Berliner Gastronominnen und Gastronomen | |
leider ganz gut“, bestätigt Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des | |
Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Berlin. Zwar gebe es | |
derzeit nur Zahlen für die Berliner Hotels, die 2021 nur knapp sechzig | |
Prozent des Jahresumsatzes von 2019 erzielen konnten, doch gehe er davon | |
aus, dass dies auch gut auf die Situation der Gastronomie übertragbar sei. | |
## Das Ende ist noch nicht erreicht | |
„Berlin hat bereits zehn Prozent seiner Hotels verloren“, so Lengfelder. Er | |
befürchtet, „dass auch zehn Prozent der Berliner Gaststätten pleite seien, | |
wenn nicht noch mehr. Das Ende der Fahnenstange ist längst nicht erreicht.“ | |
Man müsse annehmen, dass viele die Zeit mit ihren Reserven überbrückt | |
haben, die nun langsam aufgebraucht seien. | |
Auch auf das Personalproblem kommt Lengfelder zu sprechen. Das sei „nach | |
wie vor dramatisch“, sagt er. Jobs in der Gastronomie sind in Berlin | |
traditionell schlecht bezahlt, so dass man sich – wie im letzten Lockdown | |
geschehen – in der Kurzarbeit und ohne Trinkgelder die Berliner Mieten kaum | |
mehr leisten kann. „Viele haben sich in den letzten zwei Jahren andere Jobs | |
gesucht“, weiß Lengfelder. | |
Tatsächlich haben bis zur Pandemie in den Berliner Hotels und Gaststätten | |
um die 92.000 Menschen gearbeitet. Inzwischen sind es nur noch 80.000. | |
Hinzu kommen die Probleme mit den Auflagen: Viele Betriebe hätten bislang | |
nicht einmal die Überbrückungshilfen für den letzten Winter erhalten. Da | |
wirkt es wie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, wenn nun die | |
Gäste seit Mitte des Monats geimpft, genesen und getestet sein müssen, um | |
überhaupt ein Restaurant betreten zu dürfen. | |
## Zunehmend genervt | |
Die Stimmung, findet auch Mengling Tang, hat sich seit Mitte Januar | |
verschärft. Die eigentlich sonst so humorvolle Inhaberin des gehobenen | |
chinesischen Restaurants Peking Ente in einem der DDR-Wohnblöcke aus den | |
1980er Jahren in der Voßstraße wirkt in den zwei Jahren, in denen sie der | |
taz berichtet, zunehmend genervt. „Ich bekomme immer öfter Ärger mit | |
Gästen, die über die Regeln meckern und Ausnahmen wollen – und wenn ich | |
dann auf die Kontrollen des Ordnungsamts hinweise, werde ich beschimpft“, | |
erzählt sie. Sie berichtet von [5][vielen Schwierigkeiten, auf die sie | |
niemand vorbereitet hat]. | |
Schwierigkeiten wie diese: Wer sich beispielsweise mit Johnson & Johnson | |
hat impfen lassen, gilt neuerdings nach einer Auffrischungsimpfung in | |
einigen Bundesländern wie auch Berlin als geboostert. | |
Kinder unter sechs Jahren brauchen gar nichts nachweisen, Schulkinder | |
sollen ihren Schulausweis zeigen: Aber was ist mit den Siebenjährigen, die | |
noch nicht eingeschult sind? | |
## Die Zukunft ist ungewiss | |
Was soll Tang den Gästen aus dem Ausland sagen, deren QR-Code nicht lesbar | |
ist, und was jenen, die zweimal genesen und zweimal geimpft sind und sich | |
deshalb nicht mehr testen lassen wollen? | |
Die 47-jährige Tang ist eine so resolute wie fröhliche Frau, die herzlichen | |
Kontakt zu ihren Stammgästen pflegt. Während des Telefonats mit der taz | |
klappern im Hintergrund die Töpfe in ihrem Restaurant, das die Eltern nach | |
der Flucht aus China 1999 eröffnen konnten und das sie nun weiterführt. | |
Beim Lockdown hat sie so viele ihrer Gäste wie möglich selbst mit ihrem | |
chinesischen Essen beliefert – einem Essen übrigens, mit dem nur wenige | |
chinesische Restaurants in dieser Stadt konkurrieren können. | |
Obwohl sie sich von der deutschen Politik sehr aufgefangen fühlt, wirkt sie | |
nach zwei Jahren verzagter. „Ich weiß wirklich nicht, wie wir in einem | |
halben Jahr dastehen“, sagt sie. | |
Und dabei klingt ihre Stimme so klein wie die ihrer Kollegin Arzu Bulut von | |
Osmans Töchter in Prenzlauer Berg. | |
27 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Gastronomie-und-Corona/!5679847 | |
[2] /Restaurants-in-Berlin-oeffnen-heute-wieder/!5683299 | |
[3] /Gastronomie-wieder-geoeffnet/!5696788 | |
[4] /Corona-und-die-Berliner-Restaurants/!5727325 | |
[5] /Gastronomie-oeffnet-in-Berlin/!5773699 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
## TAGS | |
Pandemie | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Gastronomie | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
China | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Restaurant | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Adventskalender (13): Kiezsommer à la Italia | |
Restaurantbetreiber*innen werden 2024 die Gebühren für die | |
Außengastronomie erlassen. Damit unterstützt der Senat die gebeutelte | |
Branche. | |
China-Restaurants in Berlin: Die Gaststätte als Ausstiegsmodell | |
China-Restaurants sind besser als ihre Ruf und haben eine lange Tradition. | |
Außerdem macht es Spaß, dort Kellner*innen in Gespräche zu verwickeln. | |
Nachrichten in der Coronakrise: FDP fordert Öffnungsdebatte | |
Laut RKI liegt die Zahl der Neuinfektionen bei 190.000. Kliniken vermelden | |
eine steigende Auslastung. Dennoch gibt es Rufe nach Öffnungsperspektiven. | |
Corona und die Berliner Restaurants: Schon wieder brotlos | |
Im Mai traf die taz GastronomInnen in ihren leeren Restaurants, im Juni | |
wieder bei gutem Betrieb. Wie läuft es bei ihnen jetzt? | |
Gastronomie wieder geöffnet: Der ganz normale Trubel!? | |
Anfang Mai traf die taz drei Gastronomen in ihren leeren Restaurants. Mitte | |
Mai sprachen wir sie dann kurz vor der Wiedereröffnung. Wie läuft es nun? | |
Restaurants in Berlin öffnen heute wieder: Voller Vorfreude, voller Zweifel | |
Vor zehn Tagen trafen wir drei Gastronomen in ihren leeren Restaurants. Nun | |
dürfen sie wieder öffnen – aber unter welchen Umständen? Drei Protokolle. |