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# taz.de -- Corona-Impfpflicht in Österreich: Mit Kaiserschmarrn und Peitsche
> Vor der Abstimmung über eine Corona-Impfpflicht hat Wien ein
> Belohnungspaket beschlossen. Eine Mehrheit für die Maßnahme galt als
> sicher.
Bild: Impfzentrum in Wien: Wer sich in Österreich impfen lässt, kann bald auc…
Wien taz | In Österreich herrscht ab 1. Februar Impfpflicht gegen Covid-19.
Das hat der Nationalrat am Donnerstagabend mit großer Mehrheit bei
namentlicher Abstimmung beschlossen. Sie gilt für alle über 18-Jährigen mit
Wohnsitz in Österreich. Ausgenommen sind Schwangere und Menschen, die eine
medizinisch begründete Unverträglichkeit nachweisen können. Wer sich dem
Stich beharrlich verweigert, kann bis zu viermal jährlich mit einer
Verwaltungsstrafe belegt werden. Nach dem Vatikan ist Österreich damit das
erste Land in Europa, das eine allgemeine Impfpflicht verhängt.
Das schon im vergangenen November angekündigte Gesetz zählt zu den am
meisten umstrittenen Vorhaben der jüngeren Geschichte. Während der
Begutachtung wurden über 100.000 Stellungnahmen von Institutionen und
Privatpersonen abgegeben, die meisten davon negativ. Man habe viele der
Kritiken und Anregungen in den finalen Entwurf eingearbeitet, beteuerte
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) vor einigen Tagen.
Vom Projekt selbst und dem vorgesehenen Inkrafttreten am 1. Februar wolle
man aber nicht abrücken. Einwände waren nicht nur von notorischen
Impfgegnern, Esoterikern und Anhängern von Verschwörungsmythen gekommen.
Auch renommierte Virologen hatten zu einer Verschiebung geraten. Denn für
die Omikronwelle, die dem Land fast täglich neue Rekordwerte bei den
Neuinfektionen beschert, komme die verpflichtende Impfung zu spät.
Hilfreich wäre derzeit nur die sogenannte Booster-Impfung, die hohen Schutz
vor Ansteckung und schwerem Verlauf garantiere. Die 7-Tage-Inzidenz, wurde
von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) zuletzt mit
1.438,9 bemessen, das ist mehr als doppelt soviel wie in Deutschland.
Fachleute hatten geraten, die Impfpflicht erst im Frühjahr einzuführen,
damit sie vor einer möglichen neuen Corona-Welle im kommenden Herbst ihre
Wirkung entfalten könne. Außerdem seien die Behörden noch gar nicht
gerüstet. Denn vor April sei die Verwaltung der Elektronischen
Gesundheitsakte (ELGA) gar nicht in der Lage, die Meldedaten [1][mit den
Impfdaten zu verknüpfen]. Erst dann können amtswegig Strafbescheide
ausgestellt werden. Bis dahin muss die Polizei die Einhaltung des Gesetzes
überprüfen. Und in der ersten Phase sollen Sanktionen überhaupt ausbleiben,
so die finale Fassung des Gesetzes. Dennoch rechnen Gerichte mit einer
Lawine von Einsprüchen gegen Strafbescheide und forderten eine
entsprechende Aufstockung des Personals.
Juristinnen und Juristen gehen weitgehend davon aus, dass das Gesetz vor
dem Verfassungsgerichtshof halten wird. Der Eingriff in die Grundrechte
durch die Impfpflicht sei angesichts der Bedrohung der Volksgesundheit
durch das Virus verhältnismäßig. Bedenken gibt es vor allem dadurch, dass
die Omikron-Variante auch Geimpfte nicht verschont, der Nutzen der Impfung
also relativiert wird. Trotzdem war schon Tage vor der Abstimmung im
Parlament klar, dass das Gesetz mit einer großen Mehrheit angenommen würde.
Geschlossen dagegen war nur die rechte FPÖ, die jedes Wochenende zu den
Domonstrationen der Impfgegner aufruft. Parteichef Herbert Kickl sieht die
Regierung auf dem Weg zur „Diktatur“ und zieht in seinen polemischen
Ansprachen grenzwertige Vergleiche mit dem Nazi-Regime. Kaum weniger
aggressiv fielen die Redebeiträge der FPÖ-Mandatare bei der Debatte aus.
„Schämen Sie sich!“, replizierte Grünen-Fraktionschefin Sigrid Maurer. Das
Verhalten der Freiheitlichen sei „absolut zynisch“, deren Politik schuld an
der niedrigen Impfquote: „Die Impfung ist auch ein Siegeszug der
Wissenschaft gegen die Leugnung von Fakten und Empirie.“
Die größte Oppositionspartei wird von einer gelernten Epidemiologin
geleitet. [2][SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner] sieht die Impfpflicht als
„ultima ratio“ angesichts des Versagens der Regierung, die Impfquote durch
gelindere Mittel zu erreichen. Mit ähnlichen Argumenten stimmte die
Mehrheit der liberalen Neos für das Gesetz.
In letzter Minute aufgegriffen wurde der Vorschlag, parallel zur
gesetzlichen Verpflichtung neue Anreize zu schaffen. So wird es eine
Impflotterie geben, bei der jede oder jeder zehnte Geimpfte einen
Warengutschein bekommen soll. Wer dreimal geimpft ist, bekommt also dreimal
die Chance auf einen Gewinn. Belohnt werden sollen auch Gemeinden, die ab
80 und 90 Prozent Durchimpfung jeweils höhere Förderungen für kommunale
Projekte bekommen.
20 Jan 2022
## LINKS
[1] /Diskussion-um-Impfregister/!5824225
[2] /Sozialdemokraten-in-Oesterreich/!5788648
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Wien
Österreich
Impfung
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