# taz.de -- WDR kürzt bei Musiksendungen: Cosmo ohne „Soundcheck“ | |
> Die WDR-Welle Cosmo verschiebt ihr interkulturelles Programm ins | |
> Digitale. Mitarbeiter*innen kritisieren die interne Kommunikation. | |
Bild: Cosmo-Musikchef Francis Gay mit Reporter Keno Mescher und Rapperin Hayiti… | |
Nur noch wenige setzen sich [1][gezielt vors Radio] und hören die eine | |
spezielle Sendung. Den meisten reichte es, ihre eigenen wunderschönen | |
Playlists bei Streamingdiensten zu hören oder sich einen Podcast für ihren | |
Bedarf zu suchen. Insofern verwundert es nicht, dass auch das | |
interkulturelle Hörprogramm Cosmo, bei dem der WDR federführend ist, einen | |
Schritt zur Digitalisierung wagen möchte und dafür im linearen Radio kürzt. | |
Seit dem ersten Januar läuft hier ein neues Programm. | |
Das Budget soll zur Hälfte ins Radio und zur Hälfte ins Internet fließen. | |
Neue [2][Podcasts] sind geplant und die journalistischen Formate sollen in | |
sozialen Netzwerken erweitert werden. Aber für [3][Musiknerds] fällt | |
dadurch ein tägliches Format weg: Der „Soundcheck“. Bis zum Jahreswechsel | |
lief er unter der Woche abends live bei Cosmo. | |
Früher als Funkhaus Europa bekannt, bietet Cosmo bis heute ein weltoffenes | |
Programm. Die Journalist*innen betrachten Themen aus einer speziellen | |
migrantischen Perspektive, abseits der Mehrheitsgesellschaft in | |
Deutschland; mit dem „Cosmo-Dreh“, wie man intern sagt. Am späten Abend und | |
online laufen Sendungen in verschiedenen Sprachen, bei denen sich nach | |
Deutschland Eingewanderte informieren können. | |
Prägend ist aber vor allem die Musik, die im deutschen Radio selten ist: | |
Wenig Mainstream, [4][andere Sprachen und andere Beats]. Wie der Slogan | |
schon verspricht: „Der Sound der Welt“. Den ordnete bisher das Magazin | |
„Soundcheck“ ein. Zwei volle Stunden, in denen es um Musik ging, wo sie | |
herkam, wie sie beeinflusst wurde und warum sie sich wie entwickelte. | |
## Harter Schlag für Fans | |
Stattdessen läuft nun nachmittags ein popkulturelles Magazin und abends | |
spielt Cosmo eigene Podcasts ab. Neun Moderator*innen arbeiten ab März | |
in neuen Rollen. Zwei haben sich dazu entschieden, bei Cosmo aufzuhören. | |
Für Fans der Sendung ein harter Schlag. Sie hörten, wie sich die | |
Moderator*innen nacheinander verabschiedeten – manche hörbar unter | |
Tränen. Der Sender [5][informierte öffentlich erst nach der Reform] | |
darüber, was sich konkret ändert. | |
Programmchefin Schiwa Schlei formuliert es anders: Der „Soundcheck“ sei | |
nicht gestrichen, sondern die Inhalte in das erweitere Nachmittagsprogramm | |
über Popkultur eingefügt worden. Darin gehe es etwa um Literatur, Serien | |
und Kunst. „All das macht allerdings nur 30 Prozent der Sendung aus – denn | |
weiterhin prägt ja vor allem die Musik, die wir spielen, das Programm“, | |
erläutert Schlei auf taz-Anfrage. Zudem läuft von 12 bis 14 Uhr eine | |
Playlist – ohne Moderation, nur die prägende Cosmo-Musik. | |
Aber das sei kein Ersatz, heißt es aus der Redaktion. Es gehe ja nicht nur | |
um die Musik an sich, sondern auch um den Kontext. Wer sich für Musik | |
interessiere, könne nun nicht mehr gezielt einschalten oder im Internet | |
nachhören, um sich darüber zu informieren. Einige Mitglieder der Redaktion | |
sprachen mit der taz. Aber keine*r wollte mit Namen in der Zeitung | |
erscheinen – zu groß seien die Sorgen vor beruflichen Konsequenzen. | |
## Digitalisierungsoffensive | |
Digitalisierung sei gut und wichtig, aber sie seien nicht zufrieden mit der | |
Reform und bemängelten gegenüber der taz fehlende Transparenz. Obwohl der | |
Prozess über zwei Jahre ging, sei kaum etwas nach außen kommuniziert worden | |
– und zum Teil sogar Falsches intern. | |
Dabei sei die Kommunikation immens wichtig. Immerhin gehe es um Gelder des | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ein Team mit weniger Ressourcen könne | |
nicht die gleichen Inhalte liefern. Außerdem sei nicht klar, wie der | |
Musikjournalismus im Digitalen aussehen werde. | |
Überraschenderweise postete Cosmo dieses Jahr auf den gängigen | |
Social-Media-Plattformen noch keinen Beitrag, der sich mit Musik | |
beschäftigt. Selbst als der bekannte belgische Musiker Stromae mit einem | |
überraschenden Video viral ging, reagierte Cosmo nicht darauf. | |
Schiwa Schlei erklärt das gegenüber der taz mit der „schweren | |
Rechtesituation“ bei musikjournalistischen Formaten und sozialen | |
Netzwerken. Aber Cosmo stehe am Anfang der Digitalisierungsoffensive, so | |
Schlei, und der Prozess brauche Zeit. | |
20 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Digitalisierung-im-Rundfunk/!5823731 | |
[2] /Oeffentlich-rechtlicher-Podcast/!5624795 | |
[3] https://www.radioforen.de/threads/cosmo-das-europaeische-jugendradio.44838/… | |
[4] /Auftakt-Talkreihe-On-Music-HKW-Berlin/!5665911 | |
[5] https://presse.wdr.de/plounge/radio/cosmo/2022/01/20220110_cosmo_goes_digit… | |
## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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