| # taz.de -- Lithiumabbau im sächsischen Zinnwald: Zukunft unter Tage | |
| > Rentabilitätsfragen bremsen die Akku-Selbstversorgung bei der | |
| > Elektromobilität. Dabei könnte der Abbau des Trendmetalls längst begonnen | |
| > haben. | |
| Bild: Der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sieht sich unter T… | |
| Dresden taz | Erstaunliche zehn Jahre liegen erste Absichtserklärungen | |
| zurück, im alten Bergbaugebiet Zinnwald auf dem Kamm des Erzgebirges das | |
| Trendmetall Lithium abzubauen. Die [1][taz spekulierte damals] auch über | |
| ein neues „Berggeschrey“, jenem mit den ersten Silberfunden bei Freiberg | |
| 1168 beginnenden Boom, der Sachsens wirtschaftlichen Aufstieg begründete. | |
| Trotz gestiegener Nachfrage nach dem für Akkumulatoren wichtigen | |
| Leichtmetall ist die Euphorie inzwischen der Nüchternheit gewichen. Im | |
| Oktober 2021 prognostizierte die in Freiberg ansässige Deutsche Lithium | |
| GmbH einen Förderbeginn in Zinnwald frühestens 2025. | |
| Schon länger sind aus Mobilgeräten wie dem Handy die besonders effektiven | |
| Lithium-Ionen-Akkus bekannt. Mit dem forcierten Ausbau der Elektromobilität | |
| ist deren Bedeutung als Energiespeicher enorm gewachsen. Für den Akku eines | |
| Elektroautos werden zehn bis zwölf Kilogramm des Alkali-Metalls benötigt. | |
| Gewonnen wird es meist aus Salzlaugen, seltener im Berg- oder Tagebau aus | |
| Silikaten. | |
| Deutschland aber importiert derzeit seinen gesamten Lithiumbedarf. 80 | |
| Prozent der Weltproduktion kommen aus Chile, Argentinien und Australien; | |
| China holt auf. Auf dem fünften Kontinent wird das begehrte Metall relativ | |
| umweltschonend in Minen abgebaut. In Lateinamerika aber sind die Schäden | |
| durch verdunstende Salzlake immens. Salzrückstände werden in | |
| Lithiumkarbonat umgewandelt. Der enorme Wasserverbrauch führt zur | |
| Ausbreitung von Wüsten wie der Atacama-Wüste an der Pazifikküste. | |
| Lebensgrundlagen der indigenen Bevölkerung werden zerstört. | |
| Solche Folgen wären in Deutschland nicht zu befürchten. Im Osterzgebirge | |
| würde Lithium auf klassische Weise im Berg gewonnen, wofür zu geschätzten | |
| Kosten von 30 Millionen Euro ein Stollen gebaut werden müsste. Allein auf | |
| sächsischer Seite werden 125.000 Tonnen Vorräte vermutet, auf tschechischer | |
| Seite etwa das Doppelte. Das Gestein enthält aber nur 0,3 Prozent | |
| Lithiumanteile, sein Abbau wäre weitaus uneffektiver als bei der weltweiten | |
| Konkurrenz. | |
| ## Unter dem Rhein | |
| Ähnlich schonend könnte die Anwendung eines im Karlsruher Institut für | |
| Technologie KIT entwickelten Verfahrens verlaufen. Aus ohnehin für die | |
| Geothermie genutzten warmen Tiefengewässern unter dem Oberrheingraben | |
| könnten als Nebenprodukt lithiumhaltige Salze gewonnen werden. Bis zu 200 | |
| Milligramm pro Liter werden erwartet. Abraum fällt nicht an, und der | |
| Flächenverbrauch wäre minimal. Derzeit betreibt Vulcan Energie nach der | |
| Methode der KIT-Wissenschaftler eine Modellanlage. Pläne sehen einen | |
| großtechnischen Betrieb ab 2024 vor. | |
| Doch wie rentabel sind solche deutschen Versuche, vom Weltmarkt | |
| unabhängiger zu werden? Firmen wie die schwäbische ACI, die ihre Fühler | |
| nach Bolivien ausgestreckt hatte, wurden im Vorjahr von der dortigen | |
| Regierung gestoppt. Bei Nachfragen nach der Wirtschaftlichkeit solcher | |
| Abbauvorhaben unter vergleichsweise schonenden, aber deshalb auch teureren | |
| Bedingungen in Deutschland fällt die geringe Auskunftsbereitschaft auf. | |
| Seit Oktober ist die Zinnwald Lithium Plc hundertprozentiger Gesellschafter | |
| der Deutschen Lithium GmbH. Der bisherige Geschäftsführer Prof. Armin | |
| Müller möchte deshalb keine Auskunft mehr geben. Die 2019 erstellte | |
| Machbarkeitsstudie zu Zinnwald wurde im vergangenen August von der Webseite | |
| genommen. Auch an der Bergakademie Freiberg blieben Nachfragen erfolglos. | |
| ## Prof. Herd | |
| Gesprächsbereit zeigt sich hingegen der Geologe Rainer Herd von der BTU | |
| Cottbus. Grundsätzlich findet der Professor die Auslotung einheimischer | |
| Rohstoffpotenziale gut. Die Coronakrise habe gezeigt, dass vollständige | |
| Abhängigkeiten von Importen nicht ratsam seien. Der Staat habe auch die | |
| Pflicht, solche Erkundungen wissenschaftlich zu begleiten. Die | |
| wirtschaftlichen Aspekte seien zwar nicht sein Fachgebiet, stünden bei | |
| Abbauprojekten aber klar im Vordergrund. | |
| In diesem Zusammenhang verweist Professor Herd auf die hohen | |
| Vorlaufinvestitionen in eine Erschließung, die sich auch nach zehn Jahren | |
| noch rentieren müssten. Dem stehen die starken Schwankungen der | |
| Weltmarktpreise entgegen. So meinte auch Professor Müller von der Deutschen | |
| Lithium in einem Zeitungsbeitrag vom Juni dieses Jahres, „dass es im | |
| Schnitt von hundert Rohstoffprojekten nur zwei bis zum tatsächlichen Abbau | |
| schaffen, und das in einem Zeitraum von 13 bis 15 Jahren“. Auch das | |
| Sächsische Wirtschaftsministerium will Chancen und Rentabilität eines | |
| Abbauprojektes wie auf dem Erzgebirgskamm nicht bewerten. Pünktlich zu | |
| Weihnachten 2021 [2][schwärmte aber Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD)] | |
| mit Blick auf die überarbeitete Rohstoffstrategie Sachsens tatsächlich von | |
| einem „neuen Berggeschrey“. | |
| Ähnlich vage sind die Prognosen, wie stark der Lithiumbedarf wirklich | |
| ansteigen wird. Die Elektromobilität entwickelt sich noch nicht wie | |
| gewünscht, und mit Natrium-Ionen-Akkus oder der sogenannten | |
| Feststoffbatterie werden bereits Speicheralternativen entwickelt. Das | |
| Darmstädter Öko-Institut kalkuliert im Modelljahr 2030 einen weltweiten | |
| Bedarf von 240.000 Tonnen Lithium für die Elektromobilität. Es tritt | |
| zugleich dem Irrtum entgegen, die heute bekannten Reserven von 15 Millionen | |
| Tonnen stellten bereits das verfügbare Limit dar. Das gilt auch für andere | |
| begehrte Rohstoffe wie Kobalt, Nickel, Kupfer oder Graphit. Ein Recycling | |
| von Lithium gilt technisch als schwierig und teuer. | |
| Unbeirrt will aber das kanadische Rohstoffunternehmen Rock Tech Lithium im | |
| brandenburgischen Guben an der Neiße erstmals „einen geschlossenen | |
| Kreislauf für Lithium schaffen“, wie Unternehmenschef Dirk Harbecke im | |
| Oktober 2021 ankündigte. Nach 470 Millionen Euro Investitionen und | |
| erhoffter Förderung könnte hier schon ab 2024 Lithiumhydroxid für eine | |
| halbe Million Elektrofahrzeuge produziert werden. Ganz gewiss wird der | |
| Rohstoff dafür noch nicht aus Deutschland stammen. | |
| 6 Jan 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Lithiumschatz-im-Erzgebirge/!5122924 | |
| [2] https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1033706 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
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