# taz.de -- Reform der EU-Agrarsubventionen: Gut für Vögel, nicht fürs Klima | |
> Die Reform für die Verteilung der EU-Agrarsubventionen in Deutschland | |
> fördert zwar mehr Brachen. Dem Klimaschutz wird sie aber kaum nutzen. | |
Bild: Rebhühner können sich auf neue Brutflächen in Deutschland freuen | |
Berlin taz | Die Reform der EU-Agrarsubventionen wird in Deutschland mehr | |
Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen bringen, aber kaum zum Klimaschutz | |
beitragen. Der Bundesrat wird Verhandlungskreisen zufolge am Freitag den | |
beiden wichtigsten Verordnungen zustimmen, die die neuen EU-Regeln | |
umsetzen. Sie bestimmen, wie die jährlich rund 6 Milliarden Euro | |
Subventionen aus Brüssel für die deutsche Landwirtschaft ab 2023 verteilt | |
werden. | |
Die Bauern belegen die Hälfte der Landfläche und sind maßgeblich dafür | |
verantwortlich, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben. 13 | |
Prozent der Treibhausgase kommen laut Umweltbundesamt aus der | |
Landwirtschaft. | |
Um das Artensterben zu bremsen, fordern die Verordnungen, dass Landwirte | |
einen Teil ihrer Ackerflächen aus der Produktion nehmen. 4 Prozent müssen | |
brachliegen oder von Landschaftselementen wie Bäumen, Hecken oder Tümpeln | |
besetzt sind. Sonst gibt es keine Subventionen. Beträgt der Anteil mehr als | |
4 Prozent, zahlen die Behörden extra Geld im Rahmen einer | |
[1][„Öko-Regelung]“, an der Bauern freiwillig teilnehmen können. | |
„Die 4 Prozent Brachen werden schon mal ein Fortschritt in der Landschaft | |
sein“, sagt Konstantin Kreiser, Teamleiter Landnutzung beim Naturschutzbund | |
(Nabu). Die Fläche werde sich mehr als verdoppeln: von 182.000 auf 475.000 | |
Hektar, wie der Agrarökonom Sebastian Lakner von der Universität Rostock | |
vorrechnet. „Das wird das Rebhuhn merken. Das wäre eine messbare | |
Trendwende“, so Kreiser. Die vom Aussterben bedrohte Vogelart brütet gern | |
auf Brachen. | |
„Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht weit genug“, | |
ergänzt der Naturschützer. „Zahlreiche Umweltorganisationen fordern, dass | |
mindestens ein Zehntel der landwirtschaftlichen Fläche als ‚nichtproduktive | |
Fläche bzw. für Landschaftselemente‘ zur Verfügung gestellt werden sollte�… | |
schreibt Johann Rathke, Koordinator Agrar- und Landnutzungspolitik des WWF. | |
Die anderen Bedingungen für die Subventionen würden überwiegend keinen | |
Fortschritt bedeuten, sagt Lakner. Eine der [2][Verordnungen] verbietet, | |
Pestizide und Dünger an den Ufern von Gewässern zu benutzen. Das soll | |
verhindern, dass die Chemikalien das Wasser verschmutzen. „Diese | |
Pufferstreifen gibt's schon ewig“, kritisiert der Agrarprofessor. Auch die | |
Bundesregierung räumt in der Begründung ihres Verordnungsentwurfs ein, | |
„dass der Mindestabstand im Wesentlichen“ bereits in anderen Vorschriften | |
enthalten ist. | |
Die Prämie für den einjährigen Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide | |
greift Nabu-Experte Kreiser zufolge zu kurz, weil es länger dauere, bis die | |
toxischen Rückstände auf einer Fläche abgebaut sind. Generell seien die | |
Prämien zu niedrig, um genügend zusätzliche Betriebe zum Mitmachen zu | |
bewegen. „Deshalb fordern wir, mehr Geld für die Öko-Regelungen | |
umzuwidmen“, sagt Kreiser. Doch an der Höhe – 23 Prozent der wichtigsten | |
Subventionsart, der Direktzahlungen – wird sich wohl erst mal nichts | |
ändern. | |
Alt ist auch die Fruchtfolge-Anforderung, dass jedes Jahr eine andere | |
Kultur auf einem Acker angebaut werden muss. Sie gehe nicht über die | |
bisherigen Vorschriften hinaus, sagt Lakner. | |
Ganz düster sehe es in Sachen Klimaschutz aus. „Die Reform wird nicht | |
ausreichend Treibhausgasemissionen einsparen, um die Klimaziele in der | |
Landwirtschaft bis 2030 zu erreichen“, prognostiziert er. Zwar verbieten | |
die neuen Regeln bestimmte Bewirtschaftungsmethoden in Mooren. Das soll | |
verhindern, dass die Flächen das Klima belasten. Aber diese Moore seien | |
schon durch andere Vorschriften geschützt. Das Klima wird also nicht weiter | |
entlastet. Die zusätzlichen Brachen würden nur 0,6 bis 0,9 Tonnen | |
Kohlendioxid-Äquivalente je Hektar einsparen. Werden trockengelegte Moore | |
wieder unter Wasser gesetzt, könnten es zwischen 7 und 20 Tonnen sein. | |
Agroforst-Systeme, bei denen Bäume auf Äckern beispielsweise zwischen Mais | |
wachsen und so Kohlendioxid binden, sollen zwar durch einen Bonus gefördert | |
werden, aber dieser würde nur laufende Kosten, jedoch nicht die nötigen | |
Investitionen abdecken. | |
Der neue Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hat erst einmal wenig | |
Spielraum, die Reform noch zu verbessern, die vor allem von seiner | |
CDU-Vorgängerin Julia Klöckner eingefädelt worden ist. Denn Deutschland | |
muss bis Ende Dezember der EU-Kommission einen genauen Plan vorlegen, wie | |
es die Reform umsetzt. Doch wenn dann die Kommission Nachbesserungen | |
verlangt, kann Özdemir nachlegen. Die Ampelkoalition hat in ihrem | |
[3][Vertrag] angekündigt, die Verordnungen anzupassen – allerdings nicht | |
nur „mit dem Ziel des Umwelt- und Klimaschutzes“, sondern auch „der | |
Einkommenssicherung“ der Landwirte. Das könnte sich widersprechen und die | |
Umwelt am Ende den Kürzeren ziehen. Zudem müsste wohl der Bundesrat wieder | |
zustimmen – dort hat die bauernverbandsnahe Union eine [4][Mehrheit]. | |
16 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundesrat.de/drs.html?id=816-21 | |
[2] https://www.bundesrat.de/drs.html?id=817-21 | |
[3] https://www.spd.de/koalitionsvertrag2021/ | |
[4] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundesrat-union-ampel-101.html | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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