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# taz.de -- Faszination der Vierschanzentournee: Sucht nach dem Fliegen
> Die Vierschanzentournee wird wieder ein Millionen-Fernsehpublikum haben.
> Warum berauschen sich nur so viele Menschen am Skispringen?
Bild: Himmlisches Vergnügen: Stefan Kraft aus Österreich bei der Vierschanzen…
Die [1][ganz große Party] fällt dieses Jahr bei der Vierschanzentournee
aus. Zum zweiten Mal dürfen wegen der Coronapandemie keine Zuschauer in die
vier Stadien. Keine 40.000 in die Oberstdorfer Arena an der
Schattenbergschanze, keine 25.000 in Olympiastadion in
Garmisch-Partenkirchen, keine 28.000 in den Hexenkessel am Innsbrucker
Bergisel und keine 25.000 beim Abschluss in Bischofshofen. Das
obligatorische „Ziiiieeeehhhh“ aus Tausenden Kehlen nach dem Absprung – es
wird nicht erschallen. „Schade, dass keine Zuschauer da sein werden“, hat
Markus Eisenbichler gesagt, „weil sie immer für eine spezielle und eine
besondere Atmosphäre sorgen.“
Die Fans fiebern stattdessen zu Hause vor den Bildschirmen mit. Für die ARD
und das ZDF ist die Vierschanzentournee seit vielen Jahren ein Garant für
hohe Einschaltquoten. Selbst in schlechten Jahren haben noch 4,4 Millionen
Fans Skispringen eingeschaltet. Im vergangenen Jahr haben beim
Neujahrsspringen 7,7 Millionen Zuschauer mit den deutschen Adlern
mitgefiebert. Insgesamt haben drei der vier Springen die ersten Plätze
aller Wintersportübertragungen belegt. Noch vor der vermeintlich liebsten
Wintersportart der Deutschen: Biathlon.
Etwa 1.100 Skispringer – vom Schüler bis zum Senior – nehmen mehr oder
weniger regelmäßig an Wettkämpfen des Deutschen Skiverbandes teil. Damit
bewegt sich die Zahl der Deutschen, die jemals über eine Schanze gesprungen
sind, im Promillebereich. Warum übt diese Disziplin dann bei den Massen
diese ungeheure Faszination aus?
Auch der ehemalige Bundestrainer Werner Schuster hat für dieses Phänomen
keine schlüssige Erklärung. „Vielleicht liegt es daran, dass es einen
tiefen Wunsch des Menschen gibt, fliegen zu können“, sagt der Österreicher.
„Gerade dieses Unvorstellbare ringt den Menschen enormen Respekt ab.“ Karl
Geiger hat eine andere Erklärung parat. „Skispringen ist eine extreme und
gefährliche Sportart“, sagt der Athlet, der bei der diesjährigen Tournee
neben dem Japaner Ryoyu Kobayashi zu den großen Favoriten zählt. Dessen
werde man sich immer wieder bewusst, wenn es mal zu Stürzen kommt. „Es ist
nicht ohne“, so Geiger, „es kann sehr viel passieren.“ Damit gibt es eine
Parallele zum Motorsport. Auch dieser Sport bezieht einen Teil seiner
Faszination aus der Möglichkeit, dass immer ein Unfall passieren kann.
## Mehr als Adrenalin
Dabei sind die Abläufe geradezu normiert. Zwischen dem Abdrücken vom Balken
bis zum Abschwingen im Auslauf vergehen etwa acht Sekunden. Auf den maximal
105 Metern bis zum Schanzentisch werden die Springer auf etwas mehr als 90
Kilometer pro Stunde beschleunigt, es folgt der aktive Absprung vom
Schanzentisch, und dann geht’s ab in die Luft – bis die Gesetze der Physik
die Springer wieder zurück auf den Boden holen. Mal früher, mal später.
Dazu kommen allerdings noch äußere Einflüsse wie Wind.
„Allein die Kräfte in der Luft zu spüren, ist beeindruckend“, beschreibt
Olympiasieger Andreas Wellinger einen Sprung, „das bringt eine Welle an
Gefühlen, die durch den Körper schießen.“ Für eines sorgt Adrenalin. Aber
auch mehr. „Bei manchen Skispringern, die eine Art Sucht entwickeln, liegt
systematisch ein Grundbedürfnis vor“, wird der Sportpsychologe Oskar Handow
in „Das Buch vom Skispringen“ (Autor: Volker Kreisl, Verlag die Werkstatt)
zitiert, „allerdings hat ein Risikosportler eine gesündere Variante
gefunden, damit umzugehen.“
Die Sucht nach dem Fliegen spiegelt sich bei vielen Springern im Privaten
wider. Nicht nur Andreas Wellinger macht zurzeit den Flugschein. [2][Auch
der Schweizer Simon Ammann] besitzt die Lizenz. Thomas Morgenstern,
Olympiasieger 2006, hat aus dieser Leidenschaft ein Geschäft gemacht, darf
sogar einen Hubschrauber pilotieren. „Es ist die Kombination aus Luft,
Leichtigkeit und Gefühl von Freiheit“, beschreibt Wellinger, „das, was wir
beim Skispringen genau gleich, aber viel zu kurz haben, kann man in einem
Flugzeug noch viel mehr genießen.“ Auch ohne Zuschauer.
29 Dec 2021
## LINKS
[1] /Phaenomen-Vierschanzentournee/!5471872
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## AUTOREN
Klaus-Eckhard Jost
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