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# taz.de -- Japanischer Überflieger: Brutale Balance
> Der Japaner Ryoyu Kobayashi schickt sich an, Skisprunggeschichte zu
> schreiben. Auch Markus Eisenbichler kommt bei der Tournee in Form.
Bild: Gleiten, fliegen, landen: Ryoyu Kobayashi beherrscht den Dreikampf perfekt
Markus Eisenbichler statt Karl Geiger: Nach dem Neujahrsspringen auf der
Olympiaschanze in Partenkirchen ist nicht mehr der 28 Jahre alte Allgäuer
der große Hoffnungsträger im deutschen Team, sondern sein Kumpel aus
Siegsdorf. Der 30-Jährige brachte sich mit einer „Eisenbichler-Granate“, so
Coach Stefan Horngacher, über 143,5 Meter in eine gute Position. Nach Platz
zwei im ersten Springen des Olympiajahres 2022 belegt er nun den vierten
Platz in der [1][Tourneewertung]. „Die Gesamtwertung ist mir scheißegal“,
sagte er am Sonntag, „ich schau auf die Einzelspringen und weiß, dass es
bei mir momentan bergauf und bergab geht.“
Zwei Tourneespringen, zweimal hieß der Sieger Ryoyu Kobayashi. Der 25 Jahre
alte Japaner springt in einer eigenen Liga. Um seinen Athleten vor einem zu
weiten Sprung zu schützen, hatte sein Trainer Hideharu Miyahira den Anlauf
sogar um eine Luke verkürzen lassen. Es reichte trotzdem zum Sieg vor
Eisenbichler, wenn auch nur mit 0,2 Punkten, das sind umgerechnet etwa 11
Zentimeter.
Nach diesem Start hat der Springer aus Hachimantai in der Präfektur Iwate
die Chance, Sportgeschichte zu schreiben. Im Winter 2018/2019 hatte er
bereits die Tournee gewonnen. Als drittem Springer nach Sven Hannawald
(2001/2002) und Kamil Stoch (2017/2018) hat er den Grand Slam mit Erfolgen
auf allen vier Schanzen geschafft. Diese Möglichkeit besteht in diesem Jahr
wieder. „Ich denke weder an den Gesamtsieg noch daran, dass ich zum zweiten
Mal alle vier Springen gewinnen könnte“, sagt er, „ich möchte einfach nur
gute Sprünge zeigen.“
Einer, der Kobayashi gut kennt, ist Markus Neitzel. Der Mann aus dem
Schwarzwald hat viele Jahre in Japan als Pfarrer gearbeitet und fungiert
seit Jahren bei der Tournee als Dolmetscher. „Ryoyu ist völlig entspannt“,
verrät er, „er verspürt keinerlei Druck.“ Weil er die öffentliche
Erwartungshaltung über die Distanz nicht mitkriegt. Und mangels englischer
und deutscher Sprachkenntnisse bekommt er auch nicht mit, was über ihn
berichtet wird.
## „Kein guter Redner“
„Ich kenne das aus meiner Zeit als Trainer in Polen“, sagt Bundestrainer
Horngacher, „das macht vieles einfacher.“ Zudem sagt Kobayashi über sich:
„Ich bin kein guter Redner, das ist der Grund, warum meine Antworten so
kurz sind.“ Damit wird er zum Schweiger, so wie [2][der Finne Janne
Ahonen]. Allerdings passt sein Verhalten nicht immer zu den höflichen
Umgangsformen eines Japaners: Eine Video-Pressekonferenz bestritt er aus
dem Bett.
Das wenige, was man über ihn weiß, ist kurz erzählt. Er hat noch drei
Geschwister, die alle skispringen. Sein fünf Jahre älterer Bruder Junshiro
springt auch bei der Tournee. Ansonsten macht er das, was junge Leute so
machen: shoppen, faulenzen. Dazu fährt er gerne mit seinem Sportwagen eines
deutschen Herstellers: „Leider habe ich zu wenig Zeit dafür.“
Horngacher begeistert sich derweil an der Stabilität Kobayashis. „Er ist
vom Absprung extrem dynamisch.“ Seine Anlaufposition sei „brutal
ausbalanciert“. Davon bringe er dann einfach den gesamten Druck zum
Schanzentisch und erzeuge eine extreme Drehung. „Vom Schanzentisch bis 100
Meter ist er schon extrem gut“, so Horngachers Fazit.
Auch Olympiasieger Andreas Wellinger staunt über den Konkurrenten, kopieren
kann er ihn nicht. „Das System ist typbedingt“, sagt er, stellt aber eine
Parallele zu sich fest: „So wie der Kobayashi fliegt, das war vielleicht
der Wellinger 2013 vom Abstand zwischen Körper und Ski – relativ groß, aber
sauflach.“
Als Knackpunkt in dieser Saison beschreibt Ryoyu Kobayashi seine Quarantäne
nach einem positiven Coronatest in Kuusamo. „Nach dieser Auszeit ging es
aufwärts.“ Hilfreich sei auch, wie er jedes Springen angehe: „Ich stelle
mir den Sprung im Kopf vor und setze ihn dann um.“ Hört sich einfach an,
ganz so leicht ist es sicherlich nicht. Deshalb baut Markus Eisenbichler
auf seine eigene Philosophie: „Was der Kobayashi macht, ist mir egal,
darauf schaue ich nicht.“ Sein Rückstand auf den Tournee-Spitzenreiter
beträgt vorm dritten Wettbewerb in Innsbruck am Dienstag (13.30 Uhr) schon
fast 18 Meter.
2 Jan 2022
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Vierschanzentournee
[2] https://janneahonen.fi/
## AUTOREN
Klaus-Eckhard Jost
## TAGS
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